Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.In einer Mainacht blinkten Die Sterne wunderschön, Der Fürstin war, als winkten Sie ihr zu Thurmes Höhn. Sie stieg hinauf zum Dache, Die Zarte ganz allein, Da fiel aus einem Gemache Ein trüber Lampenschein. Ein Weiblein, grau von Haaren, Dort an dem Rocken spann, Sie hatte wohl nichts erfahren Vom strengen Spindelbann. Die Fürstin, die noch nimmer Gesehen solche Kunst, Sie trat in Weibleins Zimmer: "Wer bist du, mit Vergunst?" "Man nennt mich, schönes Liebchen! Die Stubenpoesie; Denn aus dem trauten Stübchen Verirrt' ich mich noch nie. Ich sitz' am lieben Platze Beim Rocken, wandellos, Meine alte, blinde Katze, Die spinnt auf meinem Schooß. In einer Mainacht blinkten Die Sterne wunderſchön, Der Fürſtin war, als winkten Sie ihr zu Thurmes Höhn. Sie ſtieg hinauf zum Dache, Die Zarte ganz allein, Da fiel aus einem Gemache Ein trüber Lampenſchein. Ein Weiblein, grau von Haaren, Dort an dem Rocken ſpann, Sie hatte wohl nichts erfahren Vom ſtrengen Spindelbann. Die Fürſtin, die noch nimmer Geſehen ſolche Kunſt, Sie trat in Weibleins Zimmer: „Wer biſt du, mit Vergunſt?“ „Man nennt mich, ſchönes Liebchen! Die Stubenpoeſie; Denn aus dem trauten Stübchen Verirrt’ ich mich noch nie. Ich ſitz’ am lieben Platze Beim Rocken, wandellos, Meine alte, blinde Katze, Die ſpinnt auf meinem Schooß. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0350" n="344"/> <lg n="10"> <l>In einer Mainacht blinkten</l><lb/> <l>Die Sterne wunderſchön,</l><lb/> <l>Der Fürſtin war, als winkten</l><lb/> <l>Sie ihr zu Thurmes Höhn.</l><lb/> <l>Sie ſtieg hinauf zum Dache,</l><lb/> <l>Die Zarte ganz allein,</l><lb/> <l>Da fiel aus einem Gemache</l><lb/> <l>Ein trüber Lampenſchein.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ein Weiblein, grau von Haaren,</l><lb/> <l>Dort an dem Rocken ſpann,</l><lb/> <l>Sie hatte wohl nichts erfahren</l><lb/> <l>Vom ſtrengen Spindelbann.</l><lb/> <l>Die Fürſtin, die noch nimmer</l><lb/> <l>Geſehen ſolche Kunſt,</l><lb/> <l>Sie trat in Weibleins Zimmer:</l><lb/> <l>„Wer biſt du, mit Vergunſt?“</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>„Man nennt mich, ſchönes Liebchen!</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Die Stubenpoeſie</hi>;</l><lb/> <l>Denn aus dem trauten Stübchen</l><lb/> <l>Verirrt’ ich mich noch nie.</l><lb/> <l>Ich ſitz’ am lieben Platze</l><lb/> <l>Beim Rocken, wandellos,</l><lb/> <l>Meine alte, blinde Katze,</l><lb/> <l>Die ſpinnt auf meinem Schooß.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [344/0350]
In einer Mainacht blinkten
Die Sterne wunderſchön,
Der Fürſtin war, als winkten
Sie ihr zu Thurmes Höhn.
Sie ſtieg hinauf zum Dache,
Die Zarte ganz allein,
Da fiel aus einem Gemache
Ein trüber Lampenſchein.
Ein Weiblein, grau von Haaren,
Dort an dem Rocken ſpann,
Sie hatte wohl nichts erfahren
Vom ſtrengen Spindelbann.
Die Fürſtin, die noch nimmer
Geſehen ſolche Kunſt,
Sie trat in Weibleins Zimmer:
„Wer biſt du, mit Vergunſt?“
„Man nennt mich, ſchönes Liebchen!
Die Stubenpoeſie;
Denn aus dem trauten Stübchen
Verirrt’ ich mich noch nie.
Ich ſitz’ am lieben Platze
Beim Rocken, wandellos,
Meine alte, blinde Katze,
Die ſpinnt auf meinem Schooß.
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