Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Frau Berta senkt die Augen schnell, Kein Wort zu reden sich traut. Klein Roland hebt die Augen hell, Den Oehm begrüßt er laut. Da spricht der König in mildem Ton: "Steh auf, du Schwester mein! Um diesen deinen lieben Sohn Soll dir verziehen seyn." Frau Berta hebt sich freudenvoll: "Lieb Bruder mein! wohlan! Klein Roland dir vergelten soll, Was du mir Guts gethan. Soll werden, seinem König gleich, Ein hohes Heldenbild; Soll führen die Farb' von manchem Reich In seinem Banner und Schild. Soll greifen in manches Königs Tisch Mit seiner freien Hand; Soll bringen zu Heil und Ehre frisch Sein seufzend Mutterland." Frau Berta ſenkt die Augen ſchnell, Kein Wort zu reden ſich traut. Klein Roland hebt die Augen hell, Den Oehm begrüßt er laut. Da ſpricht der König in mildem Ton: „Steh auf, du Schweſter mein! Um dieſen deinen lieben Sohn Soll dir verziehen ſeyn.“ Frau Berta hebt ſich freudenvoll: „Lieb Bruder mein! wohlan! Klein Roland dir vergelten ſoll, Was du mir Guts gethan. Soll werden, ſeinem König gleich, Ein hohes Heldenbild; Soll führen die Farb’ von manchem Reich In ſeinem Banner und Schild. Soll greifen in manches Königs Tiſch Mit ſeiner freien Hand; Soll bringen zu Heil und Ehre friſch Sein ſeufzend Mutterland.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0304" n="298"/> <lg n="30"> <l>Frau Berta ſenkt die Augen ſchnell,</l><lb/> <l>Kein Wort zu reden ſich traut.</l><lb/> <l>Klein Roland hebt die Augen hell,</l><lb/> <l>Den Oehm begrüßt er laut.</l> </lg><lb/> <lg n="31"> <l>Da ſpricht der König in mildem Ton:</l><lb/> <l>„Steh auf, du Schweſter mein!</l><lb/> <l>Um dieſen deinen lieben Sohn</l><lb/> <l>Soll dir verziehen ſeyn.“</l> </lg><lb/> <lg n="32"> <l>Frau Berta hebt ſich freudenvoll:</l><lb/> <l>„Lieb Bruder mein! wohlan!</l><lb/> <l>Klein Roland dir vergelten ſoll,</l><lb/> <l>Was du mir Guts gethan.</l> </lg><lb/> <lg n="33"> <l>Soll werden, ſeinem König gleich,</l><lb/> <l>Ein hohes Heldenbild;</l><lb/> <l>Soll führen die Farb’ von manchem Reich</l><lb/> <l>In ſeinem Banner und Schild.</l> </lg><lb/> <lg n="34"> <l>Soll greifen in manches Königs Tiſch</l><lb/> <l>Mit ſeiner freien Hand;</l><lb/> <l>Soll bringen zu Heil und Ehre friſch</l><lb/> <l>Sein ſeufzend Mutterland.“</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [298/0304]
Frau Berta ſenkt die Augen ſchnell,
Kein Wort zu reden ſich traut.
Klein Roland hebt die Augen hell,
Den Oehm begrüßt er laut.
Da ſpricht der König in mildem Ton:
„Steh auf, du Schweſter mein!
Um dieſen deinen lieben Sohn
Soll dir verziehen ſeyn.“
Frau Berta hebt ſich freudenvoll:
„Lieb Bruder mein! wohlan!
Klein Roland dir vergelten ſoll,
Was du mir Guts gethan.
Soll werden, ſeinem König gleich,
Ein hohes Heldenbild;
Soll führen die Farb’ von manchem Reich
In ſeinem Banner und Schild.
Soll greifen in manches Königs Tiſch
Mit ſeiner freien Hand;
Soll bringen zu Heil und Ehre friſch
Sein ſeufzend Mutterland.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/304 |
Zitationshilfe: | Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/304>, abgerufen am 16.02.2025. |