Don Massias aus Gallizien Mit dem Namen: der Verliebte, Saß im Thurm zu Arjonilla, Klagend um die Treugeliebte. Einen Grafen, reich und mächtig, Gab man jüngst ihr zum Genossen, Und den vielgetreuen Sänger Hält man ferngebannt, verschlossen. Traurig sang er oft am Gitter, Machte jeden Wandrer lauschen, Theure Blätter, liederreiche, Ließ er oft vom Fenster rauschen. Ob es Wandrer fortgesungen, Ob es Winde hingetragen: Wohl vernahm die Heißgeliebte Ihres treuen Sängers Klagen. Ihr Gemahl, argwöhnisch spähend, Hatt' es alles gut beachtet: "Muß ich vor dem Sänger beben Selbst wann er im Kerker schmachtet?" Einsmals schwang er sich zu Pferde, Wohlgewaffnet, wie zum Sturme, Sprengte nach Granada's Grenze Und zu Arjonilla's Thurme. Don Massias, der Verliebte, Stand gerade dort am Gitter, Sang so glühend seine Liebe, Schlug so zierlich seine Zither.
4. Don Maſſias.
Don Maſſias aus Gallizien Mit dem Namen: der Verliebte, Saß im Thurm zu Arjonilla, Klagend um die Treugeliebte. Einen Grafen, reich und mächtig, Gab man jüngſt ihr zum Genoſſen, Und den vielgetreuen Sänger Hält man ferngebannt, verſchloſſen. Traurig ſang er oft am Gitter, Machte jeden Wandrer lauſchen, Theure Blätter, liederreiche, Ließ er oft vom Fenſter rauſchen. Ob es Wandrer fortgeſungen, Ob es Winde hingetragen: Wohl vernahm die Heißgeliebte Ihres treuen Sängers Klagen. Ihr Gemahl, argwöhniſch ſpähend, Hatt’ es alles gut beachtet: „Muß ich vor dem Sänger beben Selbſt wann er im Kerker ſchmachtet?“ Einsmals ſchwang er ſich zu Pferde, Wohlgewaffnet, wie zum Sturme, Sprengte nach Granada’s Grenze Und zu Arjonilla’s Thurme. Don Maſſias, der Verliebte, Stand gerade dort am Gitter, Sang ſo glühend ſeine Liebe, Schlug ſo zierlich ſeine Zither.
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4. Don Maſſias.
Don Maſſias aus Gallizien
Mit dem Namen: der Verliebte,
Saß im Thurm zu Arjonilla,
Klagend um die Treugeliebte.
Einen Grafen, reich und mächtig,
Gab man jüngſt ihr zum Genoſſen,
Und den vielgetreuen Sänger
Hält man ferngebannt, verſchloſſen.
Traurig ſang er oft am Gitter,
Machte jeden Wandrer lauſchen,
Theure Blätter, liederreiche,
Ließ er oft vom Fenſter rauſchen.
Ob es Wandrer fortgeſungen,
Ob es Winde hingetragen:
Wohl vernahm die Heißgeliebte
Ihres treuen Sängers Klagen.
Ihr Gemahl, argwöhniſch ſpähend,
Hatt’ es alles gut beachtet:
„Muß ich vor dem Sänger beben
Selbſt wann er im Kerker ſchmachtet?“
Einsmals ſchwang er ſich zu Pferde,
Wohlgewaffnet, wie zum Sturme,
Sprengte nach Granada’s Grenze
Und zu Arjonilla’s Thurme.
Don Maſſias, der Verliebte,
Stand gerade dort am Gitter,
Sang ſo glühend ſeine Liebe,
Schlug ſo zierlich ſeine Zither.
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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/254>, abgerufen am 30.01.2025.
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