Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Und es geht ein Mann vorüber, Der sich traurig zu ihm wendet: "Störe nicht die Ruh der Todten! Fräulein Blanka hat vollendet." Doch Durand, der junge Sänger, Hat darauf kein Wort gesprochen, Ach! sein Aug' ist schon erloschen, Ach! sein Herz ist schon gebrochen. Drüben in der Burgkapelle, Wo unzähl'ge Kerzen glänzen, Wo das todte Fräulein ruht, Hold geschmückt mit Blumenkränzen: Dort ergreifet alles Volk Schreck und Staunen, freudig Beben, Denn von ihrem Todtenlager Sieht man Blanka sich erheben. Aus des Scheintods tiefem Schlummer Ist sie blühend auferstanden, Tritt im Sterbekleid hervor Wie in bräutlichen Gewanden. Noch, wie ihr geschehn, nicht wissend, Wie von Träumen noch umschlungen, Fragt sie zärtlich, sehnsuchtsvoll: "Hat nicht hier Durand gesungen?" Ja! gesungen hat Durand, Aber nie mehr wird er singen, Auferweckt hat er die Todte, Ihn wird Niemand wiederbringen. Schon im Lande der Verklärten Wacht' er auf und mit Verlangen Sucht er seine süße Freundin, Die er wähnt vorangegangen; Und es geht ein Mann vorüber, Der ſich traurig zu ihm wendet: „Störe nicht die Ruh der Todten! Fräulein Blanka hat vollendet.“ Doch Durand, der junge Sänger, Hat darauf kein Wort geſprochen, Ach! ſein Aug’ iſt ſchon erloſchen, Ach! ſein Herz iſt ſchon gebrochen. Drüben in der Burgkapelle, Wo unzähl’ge Kerzen glänzen, Wo das todte Fräulein ruht, Hold geſchmückt mit Blumenkränzen: Dort ergreifet alles Volk Schreck und Staunen, freudig Beben, Denn von ihrem Todtenlager Sieht man Blanka ſich erheben. Aus des Scheintods tiefem Schlummer Iſt ſie blühend auferſtanden, Tritt im Sterbekleid hervor Wie in bräutlichen Gewanden. Noch, wie ihr geſchehn, nicht wiſſend, Wie von Träumen noch umſchlungen, Fragt ſie zärtlich, ſehnſuchtsvoll: „Hat nicht hier Durand geſungen?“ Ja! geſungen hat Durand, Aber nie mehr wird er ſingen, Auferweckt hat er die Todte, Ihn wird Niemand wiederbringen. Schon im Lande der Verklärten Wacht’ er auf und mit Verlangen Sucht er ſeine ſüße Freundin, Die er wähnt vorangegangen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0249" n="243"/> <l>Und es geht ein Mann vorüber,</l><lb/> <l>Der ſich traurig zu ihm wendet:</l><lb/> <l>„Störe nicht die Ruh der Todten!</l><lb/> <l>Fräulein Blanka hat vollendet.“</l><lb/> <l>Doch Durand, der junge Sänger,</l><lb/> <l>Hat darauf kein Wort geſprochen,</l><lb/> <l>Ach! ſein Aug’ iſt ſchon erloſchen,</l><lb/> <l>Ach! ſein Herz iſt ſchon gebrochen.</l><lb/> <l>Drüben in der Burgkapelle,</l><lb/> <l>Wo unzähl’ge Kerzen glänzen,</l><lb/> <l>Wo das todte Fräulein ruht,</l><lb/> <l>Hold geſchmückt mit Blumenkränzen:</l><lb/> <l>Dort ergreifet alles Volk</l><lb/> <l>Schreck und Staunen, freudig Beben,</l><lb/> <l>Denn von ihrem Todtenlager</l><lb/> <l>Sieht man Blanka ſich erheben.</l><lb/> <l>Aus des Scheintods tiefem Schlummer</l><lb/> <l>Iſt ſie blühend auferſtanden,</l><lb/> <l>Tritt im Sterbekleid hervor</l><lb/> <l>Wie in bräutlichen Gewanden.</l><lb/> <l>Noch, wie ihr geſchehn, nicht wiſſend,</l><lb/> <l>Wie von Träumen noch umſchlungen,</l><lb/> <l>Fragt ſie zärtlich, ſehnſuchtsvoll:</l><lb/> <l>„Hat nicht hier Durand geſungen?“</l><lb/> <l>Ja! geſungen hat Durand,</l><lb/> <l>Aber nie mehr wird er ſingen,</l><lb/> <l>Auferweckt hat er die Todte,</l><lb/> <l>Ihn wird Niemand wiederbringen.</l><lb/> <l>Schon im Lande der Verklärten</l><lb/> <l>Wacht’ er auf und mit Verlangen</l><lb/> <l>Sucht er ſeine ſüße Freundin,</l><lb/> <l>Die er wähnt vorangegangen;</l><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [243/0249]
Und es geht ein Mann vorüber,
Der ſich traurig zu ihm wendet:
„Störe nicht die Ruh der Todten!
Fräulein Blanka hat vollendet.“
Doch Durand, der junge Sänger,
Hat darauf kein Wort geſprochen,
Ach! ſein Aug’ iſt ſchon erloſchen,
Ach! ſein Herz iſt ſchon gebrochen.
Drüben in der Burgkapelle,
Wo unzähl’ge Kerzen glänzen,
Wo das todte Fräulein ruht,
Hold geſchmückt mit Blumenkränzen:
Dort ergreifet alles Volk
Schreck und Staunen, freudig Beben,
Denn von ihrem Todtenlager
Sieht man Blanka ſich erheben.
Aus des Scheintods tiefem Schlummer
Iſt ſie blühend auferſtanden,
Tritt im Sterbekleid hervor
Wie in bräutlichen Gewanden.
Noch, wie ihr geſchehn, nicht wiſſend,
Wie von Träumen noch umſchlungen,
Fragt ſie zärtlich, ſehnſuchtsvoll:
„Hat nicht hier Durand geſungen?“
Ja! geſungen hat Durand,
Aber nie mehr wird er ſingen,
Auferweckt hat er die Todte,
Ihn wird Niemand wiederbringen.
Schon im Lande der Verklärten
Wacht’ er auf und mit Verlangen
Sucht er ſeine ſüße Freundin,
Die er wähnt vorangegangen;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/249 |
Zitationshilfe: | Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/249>, abgerufen am 16.07.2024. |