Wehe! könnt' ich mich verjüngen! Lernen wollt' ich Saitenkunst, Minnelieder wollt' ich singen, Werbend um der Süßen Gunst. In des Maies holden Tagen, In der Aue Blumenglanz, Wollt' ich freudig fechten, jagen, Um den werthen Rosenkranz.
Weh! zu früh bin ich geboren! Erst beginnt die goldne Zeit. Zorn und Neid hat sich verloren, Frühling ewig sich erneut. Sie, in ihrer Rosenlaube, Wird des Reiches Herrin seyn. Ich muß hin zu Nacht und Staube, Auf mich fällt der Leichenstein!"
Als der Alte dies gesprochen, Er die bleichen Lippen schloß. Seine Augen sind gebrochen, Sinken will er von dem Roß. Doch die edeln Knappen eilen, Legen ihn in's Grüne hin; Ach! kein Balsam kann ihn heilen, Keine Stimme wecket ihn.
Wehe! könnt’ ich mich verjüngen! Lernen wollt’ ich Saitenkunſt, Minnelieder wollt’ ich ſingen, Werbend um der Süßen Gunſt. In des Maies holden Tagen, In der Aue Blumenglanz, Wollt’ ich freudig fechten, jagen, Um den werthen Roſenkranz.
Weh! zu früh bin ich geboren! Erſt beginnt die goldne Zeit. Zorn und Neid hat ſich verloren, Frühling ewig ſich erneut. Sie, in ihrer Roſenlaube, Wird des Reiches Herrin ſeyn. Ich muß hin zu Nacht und Staube, Auf mich fällt der Leichenſtein!“
Als der Alte dies geſprochen, Er die bleichen Lippen ſchloß. Seine Augen ſind gebrochen, Sinken will er von dem Roß. Doch die edeln Knappen eilen, Legen ihn in’s Grüne hin; Ach! kein Balſam kann ihn heilen, Keine Stimme wecket ihn.
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Wehe! könnt’ ich mich verjüngen!
Lernen wollt’ ich Saitenkunſt,
Minnelieder wollt’ ich ſingen,
Werbend um der Süßen Gunſt.
In des Maies holden Tagen,
In der Aue Blumenglanz,
Wollt’ ich freudig fechten, jagen,
Um den werthen Roſenkranz.
Weh! zu früh bin ich geboren!
Erſt beginnt die goldne Zeit.
Zorn und Neid hat ſich verloren,
Frühling ewig ſich erneut.
Sie, in ihrer Roſenlaube,
Wird des Reiches Herrin ſeyn.
Ich muß hin zu Nacht und Staube,
Auf mich fällt der Leichenſtein!“
Als der Alte dies geſprochen,
Er die bleichen Lippen ſchloß.
Seine Augen ſind gebrochen,
Sinken will er von dem Roß.
Doch die edeln Knappen eilen,
Legen ihn in’s Grüne hin;
Ach! kein Balſam kann ihn heilen,
Keine Stimme wecket ihn.
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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/228>, abgerufen am 16.02.2025.
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