Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815."Seyd gegrüßt auf diesen Auen, Schönste Jungfrau, edle Herrn! Dürfet nicht ob mir ergrauen, Eure Spiele schau' ich gern. Gerne möcht' ich für mein Leben Mit euch brechen einen Speer, Aber meine Arme beben, Meine Kniee wanken sehr. Kenne solche Zeitvertreibe, Bin bei Lanz' und Schwerdt ergraut, Panzer liegt mir noch am Leibe, Wie dem Drachen seine Haut. Auf dem Lande Kampf und Wunden, Auf dem Meere Wog' und Sturm; Ruhe hab' ich nie gefunden, Als ein Jahr im finstern Thurm. Weh! verlorne Tag' und Nächte! Minne hat mich nie beglückt; Nie hat dich, du rauhe Rechte! Weiche Frauenhand gedrückt. Denn noch war dem Erdenthale Jene Blumenjungfrau fern, Die mir heut zum ersten Male Aufgeht, als ein neuer Stern. „Seyd gegrüßt auf dieſen Auen, Schönſte Jungfrau, edle Herrn! Dürfet nicht ob mir ergrauen, Eure Spiele ſchau’ ich gern. Gerne möcht’ ich für mein Leben Mit euch brechen einen Speer, Aber meine Arme beben, Meine Kniee wanken ſehr. Kenne ſolche Zeitvertreibe, Bin bei Lanz’ und Schwerdt ergraut, Panzer liegt mir noch am Leibe, Wie dem Drachen ſeine Haut. Auf dem Lande Kampf und Wunden, Auf dem Meere Wog’ und Sturm; Ruhe hab’ ich nie gefunden, Als ein Jahr im finſtern Thurm. Weh! verlorne Tag’ und Nächte! Minne hat mich nie beglückt; Nie hat dich, du rauhe Rechte! Weiche Frauenhand gedrückt. Denn noch war dem Erdenthale Jene Blumenjungfrau fern, Die mir heut zum erſten Male Aufgeht, als ein neuer Stern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0227" n="221"/> <lg n="4"> <l>„Seyd gegrüßt auf dieſen Auen,</l><lb/> <l>Schönſte Jungfrau, edle Herrn!</l><lb/> <l>Dürfet nicht ob mir ergrauen,</l><lb/> <l>Eure Spiele ſchau’ ich gern.</l><lb/> <l>Gerne möcht’ ich für mein Leben</l><lb/> <l>Mit euch brechen einen Speer,</l><lb/> <l>Aber meine Arme beben,</l><lb/> <l>Meine Kniee wanken ſehr.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Kenne ſolche Zeitvertreibe,</l><lb/> <l>Bin bei Lanz’ und Schwerdt ergraut,</l><lb/> <l>Panzer liegt mir noch am Leibe,</l><lb/> <l>Wie dem Drachen ſeine Haut.</l><lb/> <l>Auf dem Lande Kampf und Wunden,</l><lb/> <l>Auf dem Meere Wog’ und Sturm;</l><lb/> <l>Ruhe hab’ ich nie gefunden,</l><lb/> <l>Als ein Jahr im finſtern Thurm.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Weh! verlorne Tag’ und Nächte!</l><lb/> <l>Minne hat mich nie beglückt;</l><lb/> <l>Nie hat dich, du rauhe Rechte!</l><lb/> <l>Weiche Frauenhand gedrückt.</l><lb/> <l>Denn noch war dem Erdenthale</l><lb/> <l>Jene Blumenjungfrau fern,</l><lb/> <l>Die mir heut zum erſten Male</l><lb/> <l>Aufgeht, als ein neuer Stern.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0227]
„Seyd gegrüßt auf dieſen Auen,
Schönſte Jungfrau, edle Herrn!
Dürfet nicht ob mir ergrauen,
Eure Spiele ſchau’ ich gern.
Gerne möcht’ ich für mein Leben
Mit euch brechen einen Speer,
Aber meine Arme beben,
Meine Kniee wanken ſehr.
Kenne ſolche Zeitvertreibe,
Bin bei Lanz’ und Schwerdt ergraut,
Panzer liegt mir noch am Leibe,
Wie dem Drachen ſeine Haut.
Auf dem Lande Kampf und Wunden,
Auf dem Meere Wog’ und Sturm;
Ruhe hab’ ich nie gefunden,
Als ein Jahr im finſtern Thurm.
Weh! verlorne Tag’ und Nächte!
Minne hat mich nie beglückt;
Nie hat dich, du rauhe Rechte!
Weiche Frauenhand gedrückt.
Denn noch war dem Erdenthale
Jene Blumenjungfrau fern,
Die mir heut zum erſten Male
Aufgeht, als ein neuer Stern.
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