Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Die drei Lieder.

In der hohen Hall' saß König Sifrid:
"Ihr Harfner! wer weiß mir das schönste Lied?"
Und ein Jüngling trat aus der Schaar behende,
Die Harf' in der Hand, das Schwerdt an der Lende.
"Drei Lieder weiß ich; den ersten Sang,
Den hast du ja wohl vergessen schon lang:
Meinen Bruder hast du meuchlings erstochen!
Und aber: hast ihn meuchlings erstochen!
Das andre Lied, das hab' ich erdacht
In einer finstern, stürmischen Nacht:
Mußt mit mir fechten auf Leben und Sterben!
Und aber: mußt fechten auf Leben und Sterben!"
Da lehnt' er die Harfe wohl an den Tisch,
Und sie zogen Beide die Schwerdter frisch,
Und fochten lange mit wildem Schalle,
Bis der König sank in der hohen Halle.
"Nun sing' ich das dritte, das schönste Lied,
Das werd' ich nimmer zu singen müd:
König Sifrid liegt in seim rothen Blute!
Und aber: liegt in seim rothen Blute!"


Uhlands Gedichte. 13
Die drei Lieder.

In der hohen Hall’ ſaß König Sifrid:
„Ihr Harfner! wer weiß mir das ſchönſte Lied?“
Und ein Jüngling trat aus der Schaar behende,
Die Harf’ in der Hand, das Schwerdt an der Lende.
„Drei Lieder weiß ich; den erſten Sang,
Den haſt du ja wohl vergeſſen ſchon lang:
Meinen Bruder haſt du meuchlings erſtochen!
Und aber: haſt ihn meuchlings erſtochen!
Das andre Lied, das hab’ ich erdacht
In einer finſtern, ſtürmiſchen Nacht:
Mußt mit mir fechten auf Leben und Sterben!
Und aber: mußt fechten auf Leben und Sterben!“
Da lehnt’ er die Harfe wohl an den Tiſch,
Und ſie zogen Beide die Schwerdter friſch,
Und fochten lange mit wildem Schalle,
Bis der König ſank in der hohen Halle.
„Nun ſing’ ich das dritte, das ſchönſte Lied,
Das werd’ ich nimmer zu ſingen müd:
König Sifrid liegt in ſeim rothen Blute!
Und aber: liegt in ſeim rothen Blute!“


Uhlands Gedichte. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0199" n="193"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Die drei Lieder</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>In der hohen Hall&#x2019; &#x017F;aß König Sifrid:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ihr Harfner! wer weiß mir das &#x017F;chön&#x017F;te Lied?&#x201C;</l><lb/>
              <l>Und ein Jüngling trat aus der Schaar behende,</l><lb/>
              <l>Die Harf&#x2019; in der Hand, das Schwerdt an der Lende.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>&#x201E;Drei Lieder weiß ich; den er&#x017F;ten Sang,</l><lb/>
              <l>Den ha&#x017F;t du ja wohl verge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon lang:</l><lb/>
              <l>Meinen Bruder ha&#x017F;t du meuchlings er&#x017F;tochen!</l><lb/>
              <l>Und aber: ha&#x017F;t ihn meuchlings er&#x017F;tochen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Das andre Lied, das hab&#x2019; ich erdacht</l><lb/>
              <l>In einer fin&#x017F;tern, &#x017F;türmi&#x017F;chen Nacht:</l><lb/>
              <l>Mußt mit mir fechten auf Leben und Sterben!</l><lb/>
              <l>Und aber: mußt fechten auf Leben und Sterben!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Da lehnt&#x2019; er die Harfe wohl an den Ti&#x017F;ch,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie zogen Beide die Schwerdter fri&#x017F;ch,</l><lb/>
              <l>Und fochten lange mit wildem Schalle,</l><lb/>
              <l>Bis der König &#x017F;ank in der hohen Halle.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>&#x201E;Nun &#x017F;ing&#x2019; ich das dritte, das &#x017F;chön&#x017F;te Lied,</l><lb/>
              <l>Das werd&#x2019; ich nimmer zu &#x017F;ingen müd:</l><lb/>
              <l>König Sifrid liegt in &#x017F;eim rothen Blute!</l><lb/>
              <l>Und aber: liegt in &#x017F;eim rothen Blute!&#x201C;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">Uhlands Gedichte. 13</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0199] Die drei Lieder. In der hohen Hall’ ſaß König Sifrid: „Ihr Harfner! wer weiß mir das ſchönſte Lied?“ Und ein Jüngling trat aus der Schaar behende, Die Harf’ in der Hand, das Schwerdt an der Lende. „Drei Lieder weiß ich; den erſten Sang, Den haſt du ja wohl vergeſſen ſchon lang: Meinen Bruder haſt du meuchlings erſtochen! Und aber: haſt ihn meuchlings erſtochen! Das andre Lied, das hab’ ich erdacht In einer finſtern, ſtürmiſchen Nacht: Mußt mit mir fechten auf Leben und Sterben! Und aber: mußt fechten auf Leben und Sterben!“ Da lehnt’ er die Harfe wohl an den Tiſch, Und ſie zogen Beide die Schwerdter friſch, Und fochten lange mit wildem Schalle, Bis der König ſank in der hohen Halle. „Nun ſing’ ich das dritte, das ſchönſte Lied, Das werd’ ich nimmer zu ſingen müd: König Sifrid liegt in ſeim rothen Blute! Und aber: liegt in ſeim rothen Blute!“ Uhlands Gedichte. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/199
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/199>, abgerufen am 25.11.2024.