Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Bange Dämmerung entweiche! Düstre Bäume, glänzet neu! Daß ich in dem Zauberreiche Meiner Kindheit selig sey. Sinken will ich in den Klee, Bis das Kind mit leichtem Schritte Wandle her, die schöne Fee, Und mit Blumen mich beschütte. Ja! die Zeit ist hingeflogen, Die Erinnrung weichet nie; Als ein lichter Regenbogen Steht auf trüben Wolken sie. Schauen flieht mein süßer Schmerz, Daß nicht die Erinnrung schwinde. Sage das nur, ob dein Herz Noch der Kindheit Lust empfinde?" Und es schwieg der Sohn der Lieder, Der am Fuß des Thurmes saß; Und vom Fenster klang es nieder, Und es glänzt' im dunkeln Gras. "Nimm den Ring, und denke mein, Denk an unsrer Kindheit Schöne! Nimm ihn hin! ein Edelstein Glänzt darauf und eine Thräne." Bange Dämmerung entweiche! Düſtre Bäume, glänzet neu! Daß ich in dem Zauberreiche Meiner Kindheit ſelig ſey. Sinken will ich in den Klee, Bis das Kind mit leichtem Schritte Wandle her, die ſchöne Fee, Und mit Blumen mich beſchütte. Ja! die Zeit iſt hingeflogen, Die Erinnrung weichet nie; Als ein lichter Regenbogen Steht auf trüben Wolken ſie. Schauen flieht mein ſüßer Schmerz, Daß nicht die Erinnrung ſchwinde. Sage das nur, ob dein Herz Noch der Kindheit Luſt empfinde?“ Und es ſchwieg der Sohn der Lieder, Der am Fuß des Thurmes ſaß; Und vom Fenſter klang es nieder, Und es glänzt’ im dunkeln Gras. „Nimm den Ring, und denke mein, Denk an unſrer Kindheit Schöne! Nimm ihn hin! ein Edelſtein Glänzt darauf und eine Thräne.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0162" n="156"/> <lg n="4"> <l>Bange Dämmerung entweiche!</l><lb/> <l>Düſtre Bäume, glänzet neu!</l><lb/> <l>Daß ich in dem Zauberreiche</l><lb/> <l>Meiner Kindheit ſelig ſey.</l><lb/> <l>Sinken will ich in den Klee,</l><lb/> <l>Bis das Kind mit leichtem Schritte</l><lb/> <l>Wandle her, die ſchöne Fee,</l><lb/> <l>Und mit Blumen mich beſchütte.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ja! die Zeit iſt hingeflogen,</l><lb/> <l>Die Erinnrung weichet nie;</l><lb/> <l>Als ein lichter Regenbogen</l><lb/> <l>Steht auf trüben Wolken ſie.</l><lb/> <l>Schauen flieht mein ſüßer Schmerz,</l><lb/> <l>Daß nicht die Erinnrung ſchwinde.</l><lb/> <l>Sage das nur, ob dein Herz</l><lb/> <l>Noch der Kindheit Luſt empfinde?“</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und es ſchwieg der Sohn der Lieder,</l><lb/> <l>Der am Fuß des Thurmes ſaß;</l><lb/> <l>Und vom Fenſter klang es nieder,</l><lb/> <l>Und es glänzt’ im dunkeln Gras.</l><lb/> <l>„Nimm den Ring, und denke mein,</l><lb/> <l>Denk an unſrer Kindheit Schöne!</l><lb/> <l>Nimm ihn hin! ein Edelſtein</l><lb/> <l>Glänzt darauf und eine Thräne.“</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [156/0162]
Bange Dämmerung entweiche!
Düſtre Bäume, glänzet neu!
Daß ich in dem Zauberreiche
Meiner Kindheit ſelig ſey.
Sinken will ich in den Klee,
Bis das Kind mit leichtem Schritte
Wandle her, die ſchöne Fee,
Und mit Blumen mich beſchütte.
Ja! die Zeit iſt hingeflogen,
Die Erinnrung weichet nie;
Als ein lichter Regenbogen
Steht auf trüben Wolken ſie.
Schauen flieht mein ſüßer Schmerz,
Daß nicht die Erinnrung ſchwinde.
Sage das nur, ob dein Herz
Noch der Kindheit Luſt empfinde?“
Und es ſchwieg der Sohn der Lieder,
Der am Fuß des Thurmes ſaß;
Und vom Fenſter klang es nieder,
Und es glänzt’ im dunkeln Gras.
„Nimm den Ring, und denke mein,
Denk an unſrer Kindheit Schöne!
Nimm ihn hin! ein Edelſtein
Glänzt darauf und eine Thräne.“
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