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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Viel lieber übt' er sich im Schwimmen, Tauchen,
Am Ruder prüft' er gerne seinen Arm.
Als er zum kräft'gen Jüngling nun erstarkt,
Da heischt er Schiffe von dem Vater.
Nichts hat das feste Land, was er begehrt,
Kein Fräulein auf den Burgen reizet ihn,
Dem wilden Meere scheint er anverlobt,
Darein das Mägdlein und der Ring versank.
Auch rüstet er sein Hauptschiff seltsam aus
Mit Purpurwimpeln, goldnem Bilderschmuck,
Wie Einer, der die Braut meerüber holt.
Richard.
Fast wie das deine drunten in der Bucht,
Nicht wahr, mein wackrer Seemann?
Balder.
Wenn du willst.
Mit jenem reichgeschmückten Hochzeitschiff
Hat er in manchem grausen Sturm geschwankt.
Wenn so zu Donnerschlag und Sturmgebraus
Die Wogen tanzen, feiner Hochzeittanz!
Manch blut'ge Seeschlacht hat er durchgekämpft
Und ist davon im Norden wohl bekannt,
Mit sondrem Namen ward er dort belegt:
Springt er hinüber, mit geschwungnem Schwerdt,
Auf ein geentert Schiff, dann schreit das Volk:
"Weh uns! vertilg uns nicht, Meerbräutigam!" --
Das ist mein Mährchen.
Richard.
Habe Dank dafür!
Es hat mir recht mein altes Herz bewegt.
Viel lieber übt’ er ſich im Schwimmen, Tauchen,
Am Ruder prüft’ er gerne ſeinen Arm.
Als er zum kräft’gen Jüngling nun erſtarkt,
Da heiſcht er Schiffe von dem Vater.
Nichts hat das feſte Land, was er begehrt,
Kein Fräulein auf den Burgen reizet ihn,
Dem wilden Meere ſcheint er anverlobt,
Darein das Mägdlein und der Ring verſank.
Auch rüſtet er ſein Hauptſchiff ſeltſam aus
Mit Purpurwimpeln, goldnem Bilderſchmuck,
Wie Einer, der die Braut meerüber holt.
Richard.
Faſt wie das deine drunten in der Bucht,
Nicht wahr, mein wackrer Seemann?
Balder.
Wenn du willſt.
Mit jenem reichgeſchmückten Hochzeitſchiff
Hat er in manchem grauſen Sturm geſchwankt.
Wenn ſo zu Donnerſchlag und Sturmgebraus
Die Wogen tanzen, feiner Hochzeittanz!
Manch blut’ge Seeſchlacht hat er durchgekämpft
Und iſt davon im Norden wohl bekannt,
Mit ſondrem Namen ward er dort belegt:
Springt er hinüber, mit geſchwungnem Schwerdt,
Auf ein geentert Schiff, dann ſchreit das Volk:
„Weh uns! vertilg uns nicht, Meerbräutigam!“
Das iſt mein Mährchen.
Richard.
Habe Dank dafür!
Es hat mir recht mein altes Herz bewegt.
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[148/0154] Viel lieber übt’ er ſich im Schwimmen, Tauchen, Am Ruder prüft’ er gerne ſeinen Arm. Als er zum kräft’gen Jüngling nun erſtarkt, Da heiſcht er Schiffe von dem Vater. Nichts hat das feſte Land, was er begehrt, Kein Fräulein auf den Burgen reizet ihn, Dem wilden Meere ſcheint er anverlobt, Darein das Mägdlein und der Ring verſank. Auch rüſtet er ſein Hauptſchiff ſeltſam aus Mit Purpurwimpeln, goldnem Bilderſchmuck, Wie Einer, der die Braut meerüber holt. Richard. Faſt wie das deine drunten in der Bucht, Nicht wahr, mein wackrer Seemann? Balder. Wenn du willſt. Mit jenem reichgeſchmückten Hochzeitſchiff Hat er in manchem grauſen Sturm geſchwankt. Wenn ſo zu Donnerſchlag und Sturmgebraus Die Wogen tanzen, feiner Hochzeittanz! Manch blut’ge Seeſchlacht hat er durchgekämpft Und iſt davon im Norden wohl bekannt, Mit ſondrem Namen ward er dort belegt: Springt er hinüber, mit geſchwungnem Schwerdt, Auf ein geentert Schiff, dann ſchreit das Volk: „Weh uns! vertilg uns nicht, Meerbräutigam!“ — Das iſt mein Mährchen. Richard. Habe Dank dafür! Es hat mir recht mein altes Herz bewegt.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/154>, abgerufen am 22.11.2024.