Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.
Auf abenteuerlicher Fahrt durchschweifen, Beschirmen soll er einst mit starker Hand Das mächtige Gebiet, die hohen Burgen, Vereintes Erbthum beider Grafenstämme. Des jungen Ritters Bräutlein lag indeß Noch in der Wieg', im dämmernden Gemach, Von treuen Wärterinnen wohl besorgt. Nun kam ein milder Frühlingstag in's Land, Da trugen sie das ungeduld'ge Kind Zum sonnig heitern Meeresstrand hinab Und brachten Blum' und Muschel ihm zum Spiel. Die See, von leisem Lufthauch kaum bewegt, Sie spiegelte der Sonne klares Bild Und warf den Zitterschein auf's junge Grün. Am Strande lag gerad' ein kleiner Kahn, Den schmücken jetzt die Frau'n mit Schilf und Blumen Und legen ihren holden Pflegling drein Und schauckeln ihn am Ufer auf und ab. Das Kindlein lacht, die Frauen lachen mit, Doch eben unter'm fröhlichsten Gelächter Entschlüpft das Band, daran sie spielend ziehn, Und als sie es bemerken, kann ihr Arm Das Schifflein nicht vom Strande mehr erreichen. So scheinbar still die See, so wellenlos, Doch spült sie weiter stets den Kahn hinaus. Man höret noch des Kindes herzlich Lachen, Die Frauen aber sehn verzweifelnd nach, Mit Händeringen, wildem Angstgeschrei. Der Knabe, der sein Liebchen zu besuchen Gekommen war und jetzt das leichte Roß Auf grüner Uferwiese tummelte,
Auf abenteuerlicher Fahrt durchſchweifen, Beſchirmen ſoll er einſt mit ſtarker Hand Das mächtige Gebiet, die hohen Burgen, Vereintes Erbthum beider Grafenſtämme. Des jungen Ritters Bräutlein lag indeß Noch in der Wieg’, im dämmernden Gemach, Von treuen Wärterinnen wohl beſorgt. Nun kam ein milder Frühlingstag in’s Land, Da trugen ſie das ungeduld’ge Kind Zum ſonnig heitern Meeresſtrand hinab Und brachten Blum’ und Muſchel ihm zum Spiel. Die See, von leiſem Lufthauch kaum bewegt, Sie ſpiegelte der Sonne klares Bild Und warf den Zitterſchein auf’s junge Grün. Am Strande lag gerad’ ein kleiner Kahn, Den ſchmücken jetzt die Frau’n mit Schilf und Blumen Und legen ihren holden Pflegling drein Und ſchauckeln ihn am Ufer auf und ab. Das Kindlein lacht, die Frauen lachen mit, Doch eben unter’m fröhlichſten Gelächter Entſchlüpft das Band, daran ſie ſpielend ziehn, Und als ſie es bemerken, kann ihr Arm Das Schifflein nicht vom Strande mehr erreichen. So ſcheinbar ſtill die See, ſo wellenlos, Doch ſpült ſie weiter ſtets den Kahn hinaus. Man höret noch des Kindes herzlich Lachen, Die Frauen aber ſehn verzweifelnd nach, Mit Händeringen, wildem Angſtgeſchrei. Der Knabe, der ſein Liebchen zu beſuchen Gekommen war und jetzt das leichte Roß Auf grüner Uferwieſe tummelte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BAL"> <p><pb facs="#f0152" n="146"/> Auf abenteuerlicher Fahrt durchſchweifen,<lb/> Beſchirmen ſoll er einſt mit ſtarker Hand<lb/> Das mächtige Gebiet, die hohen Burgen,<lb/> Vereintes Erbthum beider Grafenſtämme.<lb/> Des jungen Ritters Bräutlein lag indeß<lb/> Noch in der Wieg’, im dämmernden Gemach,<lb/> Von treuen Wärterinnen wohl beſorgt.<lb/> Nun kam ein milder Frühlingstag in’s Land,<lb/> Da trugen ſie das ungeduld’ge Kind<lb/> Zum ſonnig heitern Meeresſtrand hinab<lb/> Und brachten Blum’ und Muſchel ihm zum Spiel.<lb/> Die See, von leiſem Lufthauch kaum bewegt,<lb/> Sie ſpiegelte der Sonne klares Bild<lb/> Und warf den Zitterſchein auf’s junge Grün.<lb/> Am Strande lag gerad’ ein kleiner Kahn,<lb/> Den ſchmücken jetzt die Frau’n mit Schilf und Blumen<lb/> Und legen ihren holden Pflegling drein<lb/> Und ſchauckeln ihn am Ufer auf und ab.<lb/> Das Kindlein lacht, die Frauen lachen mit,<lb/> Doch eben unter’m fröhlichſten Gelächter<lb/> Entſchlüpft das Band, daran ſie ſpielend ziehn,<lb/> Und als ſie es bemerken, kann ihr Arm<lb/> Das Schifflein nicht vom Strande mehr erreichen.<lb/> So ſcheinbar ſtill die See, ſo wellenlos,<lb/> Doch ſpült ſie weiter ſtets den Kahn hinaus.<lb/> Man höret noch des Kindes herzlich Lachen,<lb/> Die Frauen aber ſehn verzweifelnd nach,<lb/> Mit Händeringen, wildem Angſtgeſchrei.<lb/> Der Knabe, der ſein Liebchen zu beſuchen<lb/> Gekommen war und jetzt das leichte Roß<lb/> Auf grüner Uferwieſe tummelte,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0152]
Auf abenteuerlicher Fahrt durchſchweifen,
Beſchirmen ſoll er einſt mit ſtarker Hand
Das mächtige Gebiet, die hohen Burgen,
Vereintes Erbthum beider Grafenſtämme.
Des jungen Ritters Bräutlein lag indeß
Noch in der Wieg’, im dämmernden Gemach,
Von treuen Wärterinnen wohl beſorgt.
Nun kam ein milder Frühlingstag in’s Land,
Da trugen ſie das ungeduld’ge Kind
Zum ſonnig heitern Meeresſtrand hinab
Und brachten Blum’ und Muſchel ihm zum Spiel.
Die See, von leiſem Lufthauch kaum bewegt,
Sie ſpiegelte der Sonne klares Bild
Und warf den Zitterſchein auf’s junge Grün.
Am Strande lag gerad’ ein kleiner Kahn,
Den ſchmücken jetzt die Frau’n mit Schilf und Blumen
Und legen ihren holden Pflegling drein
Und ſchauckeln ihn am Ufer auf und ab.
Das Kindlein lacht, die Frauen lachen mit,
Doch eben unter’m fröhlichſten Gelächter
Entſchlüpft das Band, daran ſie ſpielend ziehn,
Und als ſie es bemerken, kann ihr Arm
Das Schifflein nicht vom Strande mehr erreichen.
So ſcheinbar ſtill die See, ſo wellenlos,
Doch ſpült ſie weiter ſtets den Kahn hinaus.
Man höret noch des Kindes herzlich Lachen,
Die Frauen aber ſehn verzweifelnd nach,
Mit Händeringen, wildem Angſtgeſchrei.
Der Knabe, der ſein Liebchen zu beſuchen
Gekommen war und jetzt das leichte Roß
Auf grüner Uferwieſe tummelte,
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