Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
David.
Vergebens gab ich dir die schöne Geige,
Ein werthes Erbstück, trefflich ausgespielt?
Absalon.
Das eben ist mein Jammer, daß ihr mich
Gekettet an dies mißgelaunte Werkzeug,
Dies Ungeheuer, jeden Wohllauts Feind,
Ganz ungelehrig für die Melodie.
Mein Flehen, all mein innigstes Verlangen
Hat ihm noch keinen lautern Ton entlockt.
Ich mag es streicheln, schüttern, schlagen, nichts
Gewinn' ich, als ein mürrisches Gekreisch.
Ich hörte, daß man böse Geister oft
In Säcke bannt und in den Strom versenkt;
Fürwahr, in dieser Geige Kasten sind
Des Mißlauts Plagegeister all gebannt,
Wo sie nun ewig stöhnen, winseln, henlen.
Laßt mich sie senken in des Meeres Tiefe,
Zum tauben Abgrund, zu den stummen Fischen!
Und reißt sich dennoch solch ein Mißton los,
Dann bäumt, ihr Wellen, euch, verschlinget ihn!
Ihr Stürme, macht euch auf, ihn zu zerreißen,
Bevor zu Menschenohren er gelangt!
David.
Halt ein! Zum Werk, ihr Leute! Flugs gestimmt!
(Sie stimmen.)
Absalon.
Ist keine Rettung? Ist die Harmonie
Gestorben? Sind die Engel der Musik
Gefallen und Satane worden?
David.
Vergebens gab ich dir die ſchöne Geige,
Ein werthes Erbſtück, trefflich ausgeſpielt?
Abſalon.
Das eben iſt mein Jammer, daß ihr mich
Gekettet an dies mißgelaunte Werkzeug,
Dies Ungeheuer, jeden Wohllauts Feind,
Ganz ungelehrig für die Melodie.
Mein Flehen, all mein innigſtes Verlangen
Hat ihm noch keinen lautern Ton entlockt.
Ich mag es ſtreicheln, ſchüttern, ſchlagen, nichts
Gewinn’ ich, als ein mürriſches Gekreiſch.
Ich hörte, daß man böſe Geiſter oft
In Säcke bannt und in den Strom verſenkt;
Fürwahr, in dieſer Geige Kaſten ſind
Des Mißlauts Plagegeiſter all gebannt,
Wo ſie nun ewig ſtöhnen, winſeln, henlen.
Laßt mich ſie ſenken in des Meeres Tiefe,
Zum tauben Abgrund, zu den ſtummen Fiſchen!
Und reißt ſich dennoch ſolch ein Mißton los,
Dann bäumt, ihr Wellen, euch, verſchlinget ihn!
Ihr Stürme, macht euch auf, ihn zu zerreißen,
Bevor zu Menſchenohren er gelangt!
David.
Halt ein! Zum Werk, ihr Leute! Flugs geſtimmt!
(Sie ſtimmen.)
Abſalon.
Iſt keine Rettung? Iſt die Harmonie
Geſtorben? Sind die Engel der Muſik
Gefallen und Satane worden?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0145" n="139"/>
          <sp who="#DAV">
            <speaker><hi rendition="#g">David</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Vergebens gab ich dir die &#x017F;chöne Geige,<lb/>
Ein werthes Erb&#x017F;tück, trefflich ausge&#x017F;pielt?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ABS">
            <speaker><hi rendition="#g">Ab&#x017F;alon</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Das eben i&#x017F;t mein Jammer, daß ihr mich<lb/>
Gekettet an dies mißgelaunte Werkzeug,<lb/>
Dies Ungeheuer, jeden Wohllauts Feind,<lb/>
Ganz ungelehrig für die Melodie.<lb/>
Mein Flehen, all mein innig&#x017F;tes Verlangen<lb/>
Hat ihm noch keinen lautern Ton entlockt.<lb/>
Ich mag es &#x017F;treicheln, &#x017F;chüttern, &#x017F;chlagen, nichts<lb/>
Gewinn&#x2019; ich, als ein mürri&#x017F;ches Gekrei&#x017F;ch.<lb/>
Ich hörte, daß man bö&#x017F;e Gei&#x017F;ter oft<lb/>
In Säcke bannt und in den Strom ver&#x017F;enkt;<lb/>
Fürwahr, in die&#x017F;er Geige Ka&#x017F;ten &#x017F;ind<lb/>
Des Mißlauts Plagegei&#x017F;ter all gebannt,<lb/>
Wo &#x017F;ie nun ewig &#x017F;töhnen, win&#x017F;eln, henlen.<lb/>
Laßt mich &#x017F;ie &#x017F;enken in des Meeres Tiefe,<lb/>
Zum tauben Abgrund, zu den &#x017F;tummen Fi&#x017F;chen!<lb/>
Und reißt &#x017F;ich dennoch &#x017F;olch ein Mißton los,<lb/>
Dann bäumt, ihr Wellen, euch, ver&#x017F;chlinget ihn!<lb/>
Ihr Stürme, macht euch auf, ihn zu zerreißen,<lb/>
Bevor zu Men&#x017F;chenohren er gelangt!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#DAV">
            <speaker><hi rendition="#g">David</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Halt ein! Zum Werk, ihr Leute! Flugs ge&#x017F;timmt!</p><lb/>
            <stage>(Sie &#x017F;timmen.)</stage>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ABS">
            <speaker><hi rendition="#g">Ab&#x017F;alon</hi>.</speaker><lb/>
            <p>I&#x017F;t keine Rettung? I&#x017F;t die Harmonie<lb/>
Ge&#x017F;torben? Sind die Engel der Mu&#x017F;ik<lb/>
Gefallen und Satane worden?</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0145] David. Vergebens gab ich dir die ſchöne Geige, Ein werthes Erbſtück, trefflich ausgeſpielt? Abſalon. Das eben iſt mein Jammer, daß ihr mich Gekettet an dies mißgelaunte Werkzeug, Dies Ungeheuer, jeden Wohllauts Feind, Ganz ungelehrig für die Melodie. Mein Flehen, all mein innigſtes Verlangen Hat ihm noch keinen lautern Ton entlockt. Ich mag es ſtreicheln, ſchüttern, ſchlagen, nichts Gewinn’ ich, als ein mürriſches Gekreiſch. Ich hörte, daß man böſe Geiſter oft In Säcke bannt und in den Strom verſenkt; Fürwahr, in dieſer Geige Kaſten ſind Des Mißlauts Plagegeiſter all gebannt, Wo ſie nun ewig ſtöhnen, winſeln, henlen. Laßt mich ſie ſenken in des Meeres Tiefe, Zum tauben Abgrund, zu den ſtummen Fiſchen! Und reißt ſich dennoch ſolch ein Mißton los, Dann bäumt, ihr Wellen, euch, verſchlinget ihn! Ihr Stürme, macht euch auf, ihn zu zerreißen, Bevor zu Menſchenohren er gelangt! David. Halt ein! Zum Werk, ihr Leute! Flugs geſtimmt! (Sie ſtimmen.) Abſalon. Iſt keine Rettung? Iſt die Harmonie Geſtorben? Sind die Engel der Muſik Gefallen und Satane worden?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/145
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/145>, abgerufen am 25.11.2024.