Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Todesgefühl.

Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es sagen?
Doch wunderbar ergriff mich's diese Nacht;
Die Glieder schienen schon in Todes Macht,
Im Herzen fühlt' ich letztes Leben schlagen.
Den Geist befiel ein ungewohntes Zagen,
Den Geist, der stets so sicher sich gedacht;
Erlöschend jetzt, dann wieder angefacht,
Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen.
Wie? hielten schwere Träume mich befangen?
Die Lerche singt, der rothe Morgen glüht,
In's rege Leben treibt mich neu Verlangen.
Wie? oder gieng vorbei der Todesengel?
Die Blumen, die am Abend frisch geblüht,
Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.

Todesgefühl.

Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es ſagen?
Doch wunderbar ergriff mich’s dieſe Nacht;
Die Glieder ſchienen ſchon in Todes Macht,
Im Herzen fühlt’ ich letztes Leben ſchlagen.
Den Geiſt befiel ein ungewohntes Zagen,
Den Geiſt, der ſtets ſo ſicher ſich gedacht;
Erlöſchend jetzt, dann wieder angefacht,
Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen.
Wie? hielten ſchwere Träume mich befangen?
Die Lerche ſingt, der rothe Morgen glüht,
In’s rege Leben treibt mich neu Verlangen.
Wie? oder gieng vorbei der Todesengel?
Die Blumen, die am Abend friſch geblüht,
Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0111" n="105"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Todesgefühl</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es &#x017F;agen?</l><lb/>
              <l>Doch wunderbar ergriff mich&#x2019;s die&#x017F;e Nacht;</l><lb/>
              <l>Die Glieder &#x017F;chienen &#x017F;chon in Todes Macht,</l><lb/>
              <l>Im Herzen fühlt&#x2019; ich letztes Leben &#x017F;chlagen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Den Gei&#x017F;t befiel ein ungewohntes Zagen,</l><lb/>
              <l>Den Gei&#x017F;t, der &#x017F;tets &#x017F;o &#x017F;icher &#x017F;ich gedacht;</l><lb/>
              <l>Erlö&#x017F;chend jetzt, dann wieder angefacht,</l><lb/>
              <l>Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Wie? hielten &#x017F;chwere Träume mich befangen?</l><lb/>
              <l>Die Lerche &#x017F;ingt, der rothe Morgen glüht,</l><lb/>
              <l>In&#x2019;s rege Leben treibt mich neu Verlangen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Wie? oder gieng vorbei der Todesengel?</l><lb/>
              <l>Die Blumen, die am Abend fri&#x017F;ch geblüht,</l><lb/>
              <l>Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0111] Todesgefühl. Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es ſagen? Doch wunderbar ergriff mich’s dieſe Nacht; Die Glieder ſchienen ſchon in Todes Macht, Im Herzen fühlt’ ich letztes Leben ſchlagen. Den Geiſt befiel ein ungewohntes Zagen, Den Geiſt, der ſtets ſo ſicher ſich gedacht; Erlöſchend jetzt, dann wieder angefacht, Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen. Wie? hielten ſchwere Träume mich befangen? Die Lerche ſingt, der rothe Morgen glüht, In’s rege Leben treibt mich neu Verlangen. Wie? oder gieng vorbei der Todesengel? Die Blumen, die am Abend friſch geblüht, Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/111
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/111>, abgerufen am 22.11.2024.