Letzlich verlassen sich auch viele Men-Einwen- dung. schen allzusehr auf die Medicos, und meynen: Habe man doch Medicin ge- nung, vermittelst welcher alle Kranck- heiten gehoben werden müsten. AlleinBeantwor- tung. non est in medico semper relevetur ut aeger. Wann sich nehmlich der Ma-Früchte des unor- dentlichen Lebens. gen, nebst dem Gedärme allzusehr aus- gedehnet und abgezehret, die Lunge an- brüchig und faul, die Leber verhär- tet etc. befinden; welche, und offt noch mehrere Laesiones, doch auf ein unor- dentliches Leben gewiß zu folgen pfle- gen; so ist wohl von keinem Medico in der Welt völlige Restitution dißfals zu hoffen; sondern sie flicken an denen Patienten so gut als sie können, und die- se müssen sich gefallen lassen, ihre also miserable zugerichteten Cörper und vielfältige Passiones, biß in ihr frühzeiti- ges Grab mit sich herum zu tragen.
Nota: Nachdem die Sinne des Men- schen, durch ordentlichen Gebrauch, nach und nach abgenutzet werden; so kan man daraus gar leicht abnehmen, was deren Mißbrauch effectuiren müsse, und daß dahero ein ieder solche aufs be- ste menagiren, und nicht alle dem Flei-
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von Anno 1722.
Letzlich verlaſſen ſich auch viele Men-Einwen- dung. ſchen allzuſehr auf die Medicos, und meynen: Habe man doch Medicin ge- nung, vermittelſt welcher alle Kranck- heiten gehoben werden muͤſten. AlleinBeantwor- tung. non eſt in medico ſemper relevetur ut æger. Wann ſich nehmlich der Ma-Fruͤchte des unor- dentlichen Lebens. gen, nebſt dem Gedaͤrme allzuſehr aus- gedehnet und abgezehret, die Lunge an- bruͤchig und faul, die Leber verhaͤr- tet ꝛc. befinden; welche, und offt noch mehrere Læſiones, doch auf ein unor- dentliches Leben gewiß zu folgen pfle- gen; ſo iſt wohl von keinem Medico in der Welt voͤllige Reſtitution dißfals zu hoffen; ſondern ſie flicken an denen Patienten ſo gut als ſie koͤnnen, und die- ſe muͤſſen ſich gefallen laſſen, ihre alſo miſerable zugerichteten Coͤrper und vielfaͤltige Paſſiones, biß in ihr fruͤhzeiti- ges Grab mit ſich herum zu tragen.
Nota: Nachdem die Sinne des Men- ſchen, durch ordentlichen Gebrauch, nach und nach abgenutzet werden; ſo kan man daraus gar leicht abnehmen, was deren Mißbrauch effectuiren muͤſſe, und daß dahero ein ieder ſolche aufs be- ſte menagiren, und nicht alle dem Flei-
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von Anno 1722.
Letzlich verlaſſen ſich auch viele Men-
ſchen allzuſehr auf die Medicos, und
meynen: Habe man doch Medicin ge-
nung, vermittelſt welcher alle Kranck-
heiten gehoben werden muͤſten. Allein
non eſt in medico ſemper relevetur
ut æger. Wann ſich nehmlich der Ma-
gen, nebſt dem Gedaͤrme allzuſehr aus-
gedehnet und abgezehret, die Lunge an-
bruͤchig und faul, die Leber verhaͤr-
tet ꝛc. befinden; welche, und offt noch
mehrere Læſiones, doch auf ein unor-
dentliches Leben gewiß zu folgen pfle-
gen; ſo iſt wohl von keinem Medico in
der Welt voͤllige Reſtitution dißfals
zu hoffen; ſondern ſie flicken an denen
Patienten ſo gut als ſie koͤnnen, und die-
ſe muͤſſen ſich gefallen laſſen, ihre alſo
miſerable zugerichteten Coͤrper und
vielfaͤltige Paſſiones, biß in ihr fruͤhzeiti-
ges Grab mit ſich herum zu tragen.
Einwen-
dung.
Beantwor-
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Fruͤchte
des unor-
dentlichen
Lebens.
Nota: Nachdem die Sinne des Men-
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Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tschirnhaus_anleitung_1727/361>, abgerufen am 16.02.2025.
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