Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die I. Anmerckung. (a) laß, ob zwar wider ihr eigenes bessers Wis-sen und Gewissen, die Wahrheit der heili- gen göttlichen Schrifft in Zweifel zu zie- hen; meynen die Religion könte auch wohl nur ein Inventum politicum seyn, um da- durch das gemeine Volck desto besser im Dahero sich auf so- phistische Schlüsse legen und solche hart- näckicht be- haupten;Zaum zu halten; legen sich dabey auf al- lerhand sophistische Schlüsse, und wollen keinem, der ihnen wider ihre Asserta etwas gründliches einwendet, durchaus nicht nachgeben; weil sie die Wahrheit, die sie doch verstehen, nicht annehmen wollen, da- mit es nicht das Ansehen gewinne, als hät- ten sie geirret, und also ihre Reputation nicht gemindert werden möge. Diese nun thun denen, welche in der rechten Vernunfft- Lehre nicht geübte Sinne haben, einen unendlichen Schaden; weil diese nur dadurch zu Wetter-Hähnen in der Religion gemacht werden, und gar leicht aus dem Zweifel in einen entsetzlichen Jrrthum fal- Mit denen Lügnern gleiches Unglück haben.len können. Jene Verführer aber haben meistentheils das Unglück, welches denen Lügnern von Profession zuzustoffen pfleget: Daß sie eine offtmahls wiederhohlte und defendirte Unwahrheit, die sie anfänglich selbst vor Unwahrheit gehalten haben, end- lich als eine Wahrheit selbst glauben, und andere deren zu überzeugen, wohl gar Stein und Bein schwehren. Die I. Anmerckung. (a) laß, ob zwar wider ihr eigenes beſſers Wiſ-ſen und Gewiſſen, die Wahrheit der heili- gen goͤttlichen Schrifft in Zweifel zu zie- hen; meynen die Religion koͤnte auch wohl nur ein Inventum politicum ſeyn, um da- durch das gemeine Volck deſto beſſer im Dahero ſich auf ſo- phiſtiſche Schluͤſſe legen und ſolche hart- naͤckicht be- haupten;Zaum zu halten; legen ſich dabey auf al- lerhand ſophiſtiſche Schluͤſſe, und wollen keinem, der ihnen wider ihre Aſſerta etwas gruͤndliches einwendet, durchaus nicht nachgeben; weil ſie die Wahrheit, die ſie doch verſtehen, nicht annehmen wollen, da- mit es nicht das Anſehen gewinne, als haͤt- ten ſie geirret, und alſo ihre Reputation nicht gemindert werden moͤge. Dieſe nun thun denen, welche in der rechten Vernunfft- Lehre nicht geuͤbte Sinne haben, einen unendlichen Schaden; weil dieſe nur dadurch zu Wetter-Haͤhnen in der Religion gemacht werden, und gar leicht aus dem Zweifel in einen entſetzlichen Jrrthum fal- Mit denen Luͤgnern gleiches Ungluͤck haben.len koͤnnen. Jene Verfuͤhrer aber haben meiſtentheils das Ungluͤck, welches denen Luͤgnern von Profeſſion zuzuſtoffen pfleget: Daß ſie eine offtmahls wiederhohlte und defendirte Unwahrheit, die ſie anfaͤnglich ſelbſt vor Unwahrheit gehalten haben, end- lich als eine Wahrheit ſelbſt glauben, und andere deren zu uͤberzeugen, wohl gar Stein und Bein ſchwehren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="na" prev="#za" place="end" n="(a)"><pb facs="#f0028" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq">I.</hi> Anmerckung. <hi rendition="#aq">(a)</hi></hi></fw><lb/> laß, ob zwar wider ihr eigenes beſſers Wiſ-<lb/> ſen und Gewiſſen, die Wahrheit der heili-<lb/> gen goͤttlichen Schrifft in Zweifel zu zie-<lb/> hen; meynen die Religion koͤnte auch wohl<lb/> nur ein <hi rendition="#aq">Inventum politicum</hi> ſeyn, um da-<lb/> durch das gemeine Volck deſto beſſer im<lb/><note place="left">Dahero<lb/> ſich auf <hi rendition="#aq">ſo-<lb/> phiſti</hi>ſche<lb/> Schluͤſſe<lb/> legen und<lb/> ſolche hart-<lb/> naͤckicht be-<lb/> haupten;</note>Zaum zu halten; legen ſich dabey auf al-<lb/> lerhand <hi rendition="#aq">ſophiſti</hi>ſche Schluͤſſe, und wollen<lb/> keinem, der ihnen wider ihre <hi rendition="#aq">Aſſerta</hi> etwas<lb/> gruͤndliches einwendet, durchaus nicht<lb/> nachgeben; weil ſie die Wahrheit, die ſie<lb/> doch verſtehen, nicht annehmen wollen, da-<lb/> mit es nicht das Anſehen gewinne, als haͤt-<lb/> ten ſie geirret, und alſo ihre <hi rendition="#aq">Reputation</hi><lb/> nicht gemindert werden moͤge. 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Die I. Anmerckung. (a)
⁽a⁾
laß, ob zwar wider ihr eigenes beſſers Wiſ-
ſen und Gewiſſen, die Wahrheit der heili-
gen goͤttlichen Schrifft in Zweifel zu zie-
hen; meynen die Religion koͤnte auch wohl
nur ein Inventum politicum ſeyn, um da-
durch das gemeine Volck deſto beſſer im
Zaum zu halten; legen ſich dabey auf al-
lerhand ſophiſtiſche Schluͤſſe, und wollen
keinem, der ihnen wider ihre Aſſerta etwas
gruͤndliches einwendet, durchaus nicht
nachgeben; weil ſie die Wahrheit, die ſie
doch verſtehen, nicht annehmen wollen, da-
mit es nicht das Anſehen gewinne, als haͤt-
ten ſie geirret, und alſo ihre Reputation
nicht gemindert werden moͤge. Dieſe nun
thun denen, welche in der rechten Vernunfft-
Lehre nicht geuͤbte Sinne haben, einen
unendlichen Schaden; weil dieſe nur
dadurch zu Wetter-Haͤhnen in der Religion
gemacht werden, und gar leicht aus dem
Zweifel in einen entſetzlichen Jrrthum fal-
len koͤnnen. Jene Verfuͤhrer aber haben
meiſtentheils das Ungluͤck, welches denen
Luͤgnern von Profeſſion zuzuſtoffen pfleget:
Daß ſie eine offtmahls wiederhohlte und
defendirte Unwahrheit, die ſie anfaͤnglich
ſelbſt vor Unwahrheit gehalten haben, end-
lich als eine Wahrheit ſelbſt glauben, und
andere deren zu uͤberzeugen, wohl gar
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