Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die I. Anmerckung. (a) Hertzen gantz anders rühren, alssonst gewöhnlicher Praedicanten ihre Predigten, wenn sie noch so wohl mit vielen Kunst-Realien angefüllet seyn. Weilen denn alle andere Qualitäten, die junge Leute sich als Politici acquiriren, andern einmahl wenig nützen, wo sie das rechte Wesen der Gottseligkeit nicht bey sich haben: So ersehen Hofmeister hieraus, wie nöthig sie hier haben, das Unum so necessarium besonders wohl bey ihren Untergebenen zu practiciren, und sie also zu der rech- ten Weißheit anzuführen, die viel- mahl in der Welt hochmeritirten Theologis leider! fehlet, aber ein- fältigen Christen offt viel besser be- kant ist. Atheus cheoreti- cus (a) Atheisten.) Daß kein Atheus Theore- ticus, oder, daß kein Mensch in der Welt sey, der liberum rationis usum hat, nachsinnen und ab effectu ad causam, oder a creaturis ad creatorem schlüssen will, ein Ens unum, a se existens, verum, bonum, summum, per- fectum, necessarium, infinitum &c. er mag es GOtt, oder wie er es will, nennen, wahr- hafftig in seinem Hertzen negiren könne, ist, meinem wenigen Urtheil nach, beydes Die I. Anmerckung. (a) Hertzen gantz anders ruͤhren, alsſonſt gewoͤhnlicher Prædicanten ihre Predigten, wenn ſie noch ſo wohl mit vielen Kunſt-Realien angefuͤllet ſeyn. Weilen denn alle andere Qualitaͤten, die junge Leute ſich als Politici acquiriren, andern einmahl wenig nuͤtzen, wo ſie das rechte Weſen der Gottſeligkeit nicht bey ſich haben: So erſehen Hofmeiſter hieraus, wie noͤthig ſie hier haben, das Unum ſo neceſſarium beſonders wohl bey ihren Untergebenen zu practiciren, und ſie alſo zu der rech- ten Weißheit anzufuͤhren, die viel- mahl in der Welt hochmeritirten Theologis leider! fehlet, aber ein- faͤltigen Chriſten offt viel beſſer be- kant iſt. Atheus cheoreti- cus (a) Atheiſten.) Daß kein Atheus Theore- ticus, oder, daß kein Menſch in der Welt ſey, der liberum rationis uſum hat, nachſinnen und ab effectu ad cauſam, oder a creaturis ad creatorem ſchluͤſſen will, ein Ens unum, a ſe exiſtens, verum, bonum, ſummum, per- fectum, neceſſarium, infinitum &c. er mag es GOtt, oder wie er es will, nennen, wahr- hafftig in ſeinem Hertzen negiren koͤnne, iſt, meinem wenigen Urtheil nach, beydes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="4"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq">I.</hi> Anmerckung. <hi rendition="#aq">(a)</hi></hi></fw><lb/> Hertzen gantz anders ruͤhren, als<lb/> ſonſt gewoͤhnlicher <hi rendition="#aq">Prædicant</hi>en ihre<lb/> Predigten, wenn ſie noch ſo wohl<lb/> mit vielen Kunſt-<hi rendition="#aq">Reali</hi>en angefuͤllet<lb/> ſeyn. Weilen denn alle andere<lb/><hi rendition="#aq">Quali</hi>taͤten, die junge Leute ſich als<lb/><hi rendition="#aq">Politici acquiri</hi>ren, andern einmahl<lb/> wenig nuͤtzen, wo ſie das rechte<lb/> Weſen der Gottſeligkeit nicht bey<lb/> ſich haben: So erſehen Hofmeiſter<lb/> hieraus, wie noͤthig ſie hier haben,<lb/> das <hi rendition="#aq">Unum</hi> ſo <hi rendition="#aq">neceſſarium</hi> beſonders<lb/> wohl bey ihren Untergebenen zu<lb/><hi rendition="#aq">practici</hi>ren, und ſie alſo zu der rech-<lb/> ten Weißheit anzufuͤhren, die viel-<lb/> mahl in der Welt hoch<hi rendition="#aq">meriti</hi>rten<lb/><hi rendition="#aq">Theologis</hi> leider! fehlet, aber ein-<lb/> faͤltigen Chriſten offt viel beſſer be-<lb/> kant iſt.</p><lb/> <note place="left">Daß kein<lb/><hi rendition="#aq">Atheus<lb/> cheoreti-<lb/> cus</hi></note> <note xml:id="na" prev="#za" place="end" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Atheiſt</hi></hi><hi rendition="#fr">en.</hi>) Daß kein <hi rendition="#aq">Atheus Theore-<lb/> ticus,</hi> oder, daß kein Menſch in der Welt ſey,<lb/> der <hi rendition="#aq">liberum rationis uſum</hi> hat, nachſinnen<lb/> und <hi rendition="#aq">ab effectu ad cauſam,</hi> oder <hi rendition="#aq">a creaturis ad<lb/> creatorem</hi> ſchluͤſſen will, ein <hi rendition="#aq">Ens unum, a<lb/> ſe exiſtens, verum, bonum, ſummum, per-<lb/> fectum, neceſſarium, infinitum &c.</hi> er mag<lb/> es GOtt, oder wie er es will, nennen, wahr-<lb/> hafftig in ſeinem Hertzen <hi rendition="#aq">negi</hi>ren koͤnne,<lb/> iſt, meinem wenigen Urtheil nach, beydes<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">ex</hi></fw><lb/></note> </div> </body> </text> </TEI> [4/0026]
Die I. Anmerckung. (a)
Hertzen gantz anders ruͤhren, als
ſonſt gewoͤhnlicher Prædicanten ihre
Predigten, wenn ſie noch ſo wohl
mit vielen Kunſt-Realien angefuͤllet
ſeyn. Weilen denn alle andere
Qualitaͤten, die junge Leute ſich als
Politici acquiriren, andern einmahl
wenig nuͤtzen, wo ſie das rechte
Weſen der Gottſeligkeit nicht bey
ſich haben: So erſehen Hofmeiſter
hieraus, wie noͤthig ſie hier haben,
das Unum ſo neceſſarium beſonders
wohl bey ihren Untergebenen zu
practiciren, und ſie alſo zu der rech-
ten Weißheit anzufuͤhren, die viel-
mahl in der Welt hochmeritirten
Theologis leider! fehlet, aber ein-
faͤltigen Chriſten offt viel beſſer be-
kant iſt.
⁽a⁾ Atheiſten.) Daß kein Atheus Theore-
ticus, oder, daß kein Menſch in der Welt ſey,
der liberum rationis uſum hat, nachſinnen
und ab effectu ad cauſam, oder a creaturis ad
creatorem ſchluͤſſen will, ein Ens unum, a
ſe exiſtens, verum, bonum, ſummum, per-
fectum, neceſſarium, infinitum &c. er mag
es GOtt, oder wie er es will, nennen, wahr-
hafftig in ſeinem Hertzen negiren koͤnne,
iſt, meinem wenigen Urtheil nach, beydes
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