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Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.

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Die XXX. Anmerckung. (xx)
Erforsche, wenn du kanst, der Leute Witz und
Kunst;
Und ob man anders sey, als man sich würcklich stel-
let;
Bewirb dich allezeit um solcher Menschen Gunst,
Von denen iederman ein gutes Urtheil fället.
Sey höflich, angenehm, beredt und wohl ge-
sinnt.
Halt, wo es möglich ist, mit allen Menschen Friede;
Beleidige niemand, auch nicht ein armes Kind;
Und werde ja niemahls der guten Wercke müde.
Wenn du urtheilen wilst, so thu es mit Bedacht,
Und überlege wohl, wie andrer ihre Thaten
So gut von statten gehn. Denn was ein Weiser
macht
Muß mit Gedult Vernunfft und mit der Zeit gera-
then.
Den grossen gieb Respect ohn Niederträchtigkeit;
Und gegen Niedrige bezeige deine Güte;
Und deines gleichen sey zu dienen gantz bereit;
So lebst du tugendhafft und zeigst ein gut Gemüthe.
Die wahre Freunde sind, die halte Ehren-
wehrt.
Wilst du geruhig seyn, so fleuch vor den Processen.
Laß einem ieden frey, was er zu thun begehrt;
Und glaube denen nicht, die sich zu hoch vermessen.
Was dich ncht selbst angeht, das laß ununter-
sucht:
Man liebt zwar den Verrath, doch niemahls den Ver-
räther.
Nur
P 3
(xx)
Die XXX. Anmerckung. (xx)
Erforſche, wenn du kanſt, der Leute Witz und
Kunſt;
Und ob man anders ſey, als man ſich wuͤrcklich ſtel-
let;
Bewirb dich allezeit um ſolcher Menſchen Gunſt,
Von denen iederman ein gutes Urtheil faͤllet.
Sey hoͤflich, angenehm, beredt und wohl ge-
ſinnt.
Halt, wo es moͤglich iſt, mit allen Menſchen Friede;
Beleidige niemand, auch nicht ein armes Kind;
Und werde ja niemahls der guten Wercke muͤde.
Wenn du urtheilen wilſt, ſo thu es mit Bedacht,
Und uͤberlege wohl, wie andrer ihre Thaten
So gut von ſtatten gehn. Denn was ein Weiſer
macht
Muß mit Gedult Vernunfft und mit der Zeit gera-
then.
Den groſſen gieb Reſpect ohn Niedertraͤchtigkeit;
Und gegen Niedrige bezeige deine Guͤte;
Und deines gleichen ſey zu dienen gantz bereit;
So lebſt du tugendhafft und zeigſt ein gut Gemuͤthe.
Die wahre Freunde ſind, die halte Ehren-
wehrt.
Wilſt du geruhig ſeyn, ſo fleuch vor den Proceſſen.
Laß einem ieden frey, was er zu thun begehrt;
Und glaube denen nicht, die ſich zu hoch vermeſſen.
Was dich ncht ſelbſt angeht, das laß ununter-
ſucht:
Man liebt zwar den Verrath, doch niemahls den Ver-
raͤther.
Nur
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[229/0251] Die XXX. Anmerckung. (xx) ⁽xx⁾ Erforſche, wenn du kanſt, der Leute Witz und Kunſt; Und ob man anders ſey, als man ſich wuͤrcklich ſtel- let; Bewirb dich allezeit um ſolcher Menſchen Gunſt, Von denen iederman ein gutes Urtheil faͤllet. Sey hoͤflich, angenehm, beredt und wohl ge- ſinnt. Halt, wo es moͤglich iſt, mit allen Menſchen Friede; Beleidige niemand, auch nicht ein armes Kind; Und werde ja niemahls der guten Wercke muͤde. Wenn du urtheilen wilſt, ſo thu es mit Bedacht, Und uͤberlege wohl, wie andrer ihre Thaten So gut von ſtatten gehn. Denn was ein Weiſer macht Muß mit Gedult Vernunfft und mit der Zeit gera- then. Den groſſen gieb Reſpect ohn Niedertraͤchtigkeit; Und gegen Niedrige bezeige deine Guͤte; Und deines gleichen ſey zu dienen gantz bereit; So lebſt du tugendhafft und zeigſt ein gut Gemuͤthe. Die wahre Freunde ſind, die halte Ehren- wehrt. Wilſt du geruhig ſeyn, ſo fleuch vor den Proceſſen. Laß einem ieden frey, was er zu thun begehrt; Und glaube denen nicht, die ſich zu hoch vermeſſen. Was dich ncht ſelbſt angeht, das laß ununter- ſucht: Man liebt zwar den Verrath, doch niemahls den Ver- raͤther. Nur P 3

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Zitationshilfe: Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tschirnhaus_anleitung_1727/251>, abgerufen am 25.11.2024.