Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Moo sich den gantzen Sommer über indem Mooß, wo Rohr und Schilff wächset, und sumpffigte Wiesen sind, aufhält, und denen Leuten wenig zu Gesichte kommet, ausser, wenn er im Herbst zwar nur ein- zeln, auf die Fincken-Heerde ein- fället; wie er denn, wenn man einen seines gleichen hat, auf das Locken viel begieriger folget, als ein anderer Emmerling, dem er am Schreyen nicht sehr ungleich, am Schnabel und Geberden sehr ähnlich, an der Farbe aber weit von ihm unterschieden ist: Denn er ist oben am Rücken und Kopff gantz bräunlicht, fast wie Hänf- ling, iedoch etwas mehr als die- ser mit schwärtzlichten Federn be- sprenget. Am untern Leibe ist er weiß-graulicht, hat aber an der Kehle und halben Theil der Brust einen grossen schwartzen Flecken, eben wie die Männlein der Haus- Sperlinge. Wenn er auf einem Baume sitzet und singet, schwin- get er den Schwantz, wie ein gel- ber Emmerling, und geberdet sich auch diesem gleich, wenn er aber auf der Erde ist, scheinet er mehr zu gehen und zu lauffen als zu hüpffen. Das Weiblein des Moos-Emmerlings ist weder am Rücken so braun als das Männ- lein, hat auch an der Brust nicht so viel schwartzes als dasselbe. Die- ser Vogel hat nach seiner Grösse eine ungemein starcke Stimme, und reget sich damit bis in die Nacht. Er hecket Sommers- Zeit in dem Röhrig, bringet vier bis fünff Junge aus, ziehet aber Herbst-Zeit unvermerckt hinweg. Seine Nahrung ist Hauff und al- lerley Körner, denn er ist sehr dauerhafft, und wird überaus [Spaltenumbruch] Mor zahm, wenn man ihn in einerStube fliegen lässet. Morale, Die Sitten-Lehre, welche von Mordant, Eine musicalische Manier, wel- drey-
[Spaltenumbruch] Moo ſich den gantzen Sommer uͤber indem Mooß, wo Rohr und Schilff waͤchſet, und ſumpffigte Wieſen ſind, aufhaͤlt, und denen Leuten wenig zu Geſichte kommet, auſſer, wenn er im Herbſt zwar nur ein- zeln, auf die Fincken-Heerde ein- faͤllet; wie er denn, wenn man einen ſeines gleichen hat, auf das Locken viel begieriger folget, als ein anderer Emmerling, dem er am Schreyen nicht ſehr ungleich, am Schnabel und Geberden ſehr aͤhnlich, an der Farbe aber weit von ihm unterſchieden iſt: Denn er iſt oben am Ruͤcken und Kopff gantz braͤunlicht, faſt wie Haͤnf- ling, iedoch etwas mehr als die- ſer mit ſchwaͤrtzlichten Federn be- ſprenget. Am untern Leibe iſt er weiß-graulicht, hat aber an der Kehle und halben Theil der Bruſt einen groſſen ſchwartzen Flecken, eben wie die Maͤnnlein der Haus- Sperlinge. Wenn er auf einem Baume ſitzet und ſinget, ſchwin- get er den Schwantz, wie ein gel- ber Emmerling, und geberdet ſich auch dieſem gleich, wenn er aber auf der Erde iſt, ſcheinet er mehr zu gehen und zu lauffen als zu huͤpffen. Das Weiblein des Moos-Emmerlings iſt weder am Ruͤcken ſo braun als das Maͤnn- lein, hat auch an der Bruſt nicht ſo viel ſchwartzes als daſſelbe. Die- ſer Vogel hat nach ſeiner Groͤſſe eine ungemein ſtarcke Stimme, und reget ſich damit bis in die Nacht. Er hecket Sommers- Zeit in dem Roͤhrig, bringet vier bis fuͤnff Junge aus, ziehet aber Herbſt-Zeit unvermerckt hinweg. Seine Nahrung iſt Hauff und al- lerley Koͤrner, denn er iſt ſehr dauerhafft, und wird uͤberaus [Spaltenumbruch] Mor zahm, wenn man ihn in einerStube fliegen laͤſſet. Morale, Die Sitten-Lehre, welche von Mordant, Eine muſicaliſche Manier, wel- drey-
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Moo
Mor
ſich den gantzen Sommer uͤber in
dem Mooß, wo Rohr und Schilff
waͤchſet, und ſumpffigte Wieſen
ſind, aufhaͤlt, und denen Leuten
wenig zu Geſichte kommet, auſſer,
wenn er im Herbſt zwar nur ein-
zeln, auf die Fincken-Heerde ein-
faͤllet; wie er denn, wenn man
einen ſeines gleichen hat, auf das
Locken viel begieriger folget, als
ein anderer Emmerling, dem er
am Schreyen nicht ſehr ungleich,
am Schnabel und Geberden ſehr
aͤhnlich, an der Farbe aber weit
von ihm unterſchieden iſt: Denn
er iſt oben am Ruͤcken und Kopff
gantz braͤunlicht, faſt wie Haͤnf-
ling, iedoch etwas mehr als die-
ſer mit ſchwaͤrtzlichten Federn be-
ſprenget. Am untern Leibe iſt er
weiß-graulicht, hat aber an der
Kehle und halben Theil der Bruſt
einen groſſen ſchwartzen Flecken,
eben wie die Maͤnnlein der Haus-
Sperlinge. Wenn er auf einem
Baume ſitzet und ſinget, ſchwin-
get er den Schwantz, wie ein gel-
ber Emmerling, und geberdet ſich
auch dieſem gleich, wenn er aber
auf der Erde iſt, ſcheinet er mehr
zu gehen und zu lauffen als zu
huͤpffen. Das Weiblein des
Moos-Emmerlings iſt weder am
Ruͤcken ſo braun als das Maͤnn-
lein, hat auch an der Bruſt nicht
ſo viel ſchwartzes als daſſelbe. Die-
ſer Vogel hat nach ſeiner Groͤſſe
eine ungemein ſtarcke Stimme,
und reget ſich damit bis in die
Nacht. Er hecket Sommers-
Zeit in dem Roͤhrig, bringet vier
bis fuͤnff Junge aus, ziehet aber
Herbſt-Zeit unvermerckt hinweg.
Seine Nahrung iſt Hauff und al-
lerley Koͤrner, denn er iſt ſehr
dauerhafft, und wird uͤberaus
zahm, wenn man ihn in einer
Stube fliegen laͤſſet.
Morale,
Die Sitten-Lehre, welche von
Tugenden und Laſtern handelt.
Daher Moralitaͤt, alles, was der
Sitten-Lehre zugehoͤret, und ge-
maͤß iſt. Die Scribenten, ſo da-
von geſchrieben, nennet man Mo-
raliſten. Jm weitlaͤufftigern Ver-
ſtande bedeutet ſie die geſamte
practiſche Philoſophie, welche mit
den menſchlichen Vernichtungen
zu thun hat, ſo nach einer gewiſ-
ſen Richtſchnur eingerichtet wer-
den muͤſſen, und dalhero morali-
ſche heiſſen: Und ſo begreifft ſie
die natuͤrliche Rechts-Gelehrſam-
keit, die Sitten-Lehre und ſoge-
nannte Politic. Sie zeiget uns
durch ein vernuͤnfftiges, tugend-
hafftes und kluges Leben den Weg
zur wahren Gluͤckſeligkeit, und
raͤumet die Hinderniſſe ſowol bey
uns ſelbſten, ſonderlich durch Be-
zaͤhmung unſerer Affecten, als
von auſſen, auf die Seite. Einer
ſo edlen und nuͤtzlichen Wiſſen-
ſchafft ſollen ſich Edle allerdings
vor andern befleißigen.
Mordant,
Eine muſicaliſche Manier, wel-
che im Singen nur auf einerley,
im Spielen aber auf vielerley
Weiſe angebracht werden kan.
Bey dem Saͤnger geſchiehet es,
wenn er den vorgeſchriebenen
Klang zwar erſt, den unterliegen-
den halben oder gantzen Grad aber
nach Maßgebung der Ton-Art
auf das ſchnelleſte hernach, als ob
es zu einer Zeit geſchehe, beruͤh-
ret, und darauf mit eben ſolcher
aͤuſſerſten Geſchwindigkeit wieder
empor koͤmmet, ſo daß dieſes
drey-
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