Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Mis jung zu andern Sing-Vögeln ge-than würde, noch etwas nachma- chen lernen. Man hat aber nicht nöthig mit dem Mistler derglei- chen vorzunehmen, weil sein Pfiff von Natur angenehm ist. Wor- bey, (wenn man ihn nemlich bey seinem natürlichen Gesang lassen will) doch dieses noch zu mercken, daß ein junger Vogel, es sey was es für einer wolle, der weder ei- nen Alten seines gleichen höret, noch einen Jungen um sich hat, auch auf seinen natürlichen Gesang nicht völlig kommen kan, sondern gantz unannehmlich singet; wenn aber nur zween Junge beysammen sind, so hilfft einer dem andern durchdichten, daß sie endlich, wiewol viel langsamer, als wenn sie einen Alten hören, auf den rechten Gesang gerathen. Jm Sommer wird er mit dem Käutz- lein auf den Feld- oder Platt-Bäu- men, nach diesem aber im Herbst mit den Drosseln auf denen Heer- den, und in Donen gefangen. Sie sind einander sehr gehäßig, und wo sie ihres gleichen auf den Bäumen erblicken, will einer den andern hinweg treiben, daher die Vogel-Steller einen zahmen Mist- ler in einem Vogel-Bauer oder Käficht an einem Baum hencken, und oben auf ein Netze oder Leim- Spindel stellen, darin der frem- de auf diesen begierig stossende Vo- gel im Herbste gefangen wird, und das heisset man den Mistler-Stich, so denen Vogel- Mis te Mistler-Stich gehet von Aller-heiligen an, und währet den gan- tzen November durch, denn weil die Erde um solche Zeit zu gefrie- ren beginnet, und die Mistler das Gewürme nicht mehr aus der Erde kratzen können, so wehlet sich von denen, die nicht im Strich mit weggegangen, sondern im Winter da bleiben, ein ieder einen oder auch mehr Bäume aus, auf welchen Misteln wachsen, und leidet auf denselben oder auf den nächsten Bäumen seines gleichen durchaus nicht, alsdenn hänget man in einem Vogel-Haus einen zahmen Mistler, der darzu gewöh- net wird, an denselbigen Baum, und thut entweder Leim-Spin- deln, oder ein solches Stich- oder Fall-Häuslein, durch welches der wilde Vogel den zahmen sehen kan, auf das Vogel-Haus, da denn der zahme Vogel, so bald er den wilden hört, oder auch wol, ehe er ihn höret, wenn er nur vermu- thet, es möchte einer zugegen seyn, denselben anschreyet, und dadurch verursachet, daß der andere gantz blind vor Zorn auf ihn herunter stößt, und entweder an den Spin- deln kleben bleibet, oder das oben angemachte Garn, vermittelst ei- ner eisernen Feder, sich über den Kopff zuschlägt. Auf diese Art kan man in einem Tage zwantzig und mehr Stück fangen, sonder- lich bey kaltem Wetter, wenn es reiffet und ein Schnee fallt; man muß aber die Lock-Vögel aus- wechseln, daß sie nicht matt wer- den. So lange dieser Vogel in der Freyheit ist, ernährt er sich fast, wie der Krammets-Vogel von Gewürmen und Beeren, son- derlich im Winter von den Mistel- Beeren, im Vogel-Haus aber frisset
[Spaltenumbruch] Miſ jung zu andern Sing-Voͤgeln ge-than wuͤrde, noch etwas nachma- chen lernen. Man hat aber nicht noͤthig mit dem Miſtler derglei- chen vorzunehmen, weil ſein Pfiff von Natur angenehm iſt. Wor- bey, (wenn man ihn nemlich bey ſeinem natuͤrlichen Geſang laſſen will) doch dieſes noch zu mercken, daß ein junger Vogel, es ſey was es fuͤr einer wolle, der weder ei- nen Alten ſeines gleichen hoͤret, noch einen Jungen um ſich hat, auch auf ſeinen natuͤrlichẽ Geſang nicht voͤllig kommen kan, ſondern gantz unannehmlich ſinget; wenn aber nur zween Junge beyſammen ſind, ſo hilfft einer dem andern durchdichten, daß ſie endlich, wiewol viel langſamer, als wenn ſie einen Alten hoͤren, auf den rechten Geſang gerathen. Jm Sommer wird er mit dem Kaͤutz- lein auf den Feld- oder Platt-Baͤu- men, nach dieſem aber im Herbſt mit den Droſſeln auf denen Heer- den, und in Donen gefangen. Sie ſind einander ſehr gehaͤßig, und wo ſie ihres gleichen auf den Baͤumen erblicken, will einer den andern hinweg treiben, daher die Vogel-Steller einen zahmen Miſt- ler in einem Vogel-Bauer oder Kaͤficht an einem Baum hencken, und oben auf ein Netze oder Leim- Spindel ſtellen, darin der frem- de auf dieſen begierig ſtoſſende Vo- gel im Herbſte gefangen wird, und das heiſſet man den Miſtler-Stich, ſo denen Vogel- Miſ te Miſtler-Stich gehet von Aller-heiligen an, und waͤhret den gan- tzen November durch, denn weil die Erde um ſolche Zeit zu gefrie- ren beginnet, und die Miſtler das Gewuͤrme nicht mehr aus der Erde kratzen koͤnnen, ſo wehlet ſich von denen, die nicht im Strich mit weggegangen, ſondern im Winter da bleiben, ein ieder einen oder auch mehr Baͤume aus, auf welchen Miſteln wachſen, und leidet auf denſelben oder auf den naͤchſten Baͤumen ſeines gleichen durchaus nicht, alsdenn haͤnget man in einem Vogel-Haus einen zahmen Miſtler, der darzu gewoͤh- net wird, an denſelbigen Baum, und thut entweder Leim-Spin- deln, oder ein ſolches Stich- oder Fall-Haͤuslein, durch welches der wilde Vogel den zahmen ſehen kan, auf das Vogel-Haus, da denn der zahme Vogel, ſo bald er den wilden hoͤrt, oder auch wol, ehe er ihn hoͤret, wenn er nur vermu- thet, es moͤchte einer zugegen ſeyn, denſelben anſchreyet, und dadurch verurſachet, daß der andere gantz blind vor Zorn auf ihn herunter ſtoͤßt, und entweder an den Spin- deln kleben bleibet, oder das oben angemachte Garn, vermittelſt ei- ner eiſernen Feder, ſich uͤber den Kopff zuſchlaͤgt. Auf dieſe Art kan man in einem Tage zwantzig und mehr Stuͤck fangen, ſonder- lich bey kaltem Wetter, wenn es reiffet und ein Schnee fallt; man muß aber die Lock-Voͤgel aus- wechſeln, daß ſie nicht matt wer- den. So lange dieſer Vogel in der Freyheit iſt, ernaͤhrt er ſich faſt, wie der Krammets-Vogel von Gewuͤrmen und Beeren, ſon- derlich im Winter von den Miſtel- Beeren, im Vogel-Haus aber friſſet
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Miſ
Miſ
jung zu andern Sing-Voͤgeln ge-
than wuͤrde, noch etwas nachma-
chen lernen. Man hat aber nicht
noͤthig mit dem Miſtler derglei-
chen vorzunehmen, weil ſein Pfiff
von Natur angenehm iſt. Wor-
bey, (wenn man ihn nemlich bey
ſeinem natuͤrlichen Geſang laſſen
will) doch dieſes noch zu mercken,
daß ein junger Vogel, es ſey was
es fuͤr einer wolle, der weder ei-
nen Alten ſeines gleichen hoͤret,
noch einen Jungen um ſich hat,
auch auf ſeinen natuͤrlichẽ Geſang
nicht voͤllig kommen kan, ſondern
gantz unannehmlich ſinget; wenn
aber nur zween Junge beyſammen
ſind, ſo hilfft einer dem andern
durchdichten, daß ſie endlich,
wiewol viel langſamer, als wenn
ſie einen Alten hoͤren, auf den
rechten Geſang gerathen. Jm
Sommer wird er mit dem Kaͤutz-
lein auf den Feld- oder Platt-Baͤu-
men, nach dieſem aber im Herbſt
mit den Droſſeln auf denen Heer-
den, und in Donen gefangen.
Sie ſind einander ſehr gehaͤßig,
und wo ſie ihres gleichen auf den
Baͤumen erblicken, will einer den
andern hinweg treiben, daher die
Vogel-Steller einen zahmen Miſt-
ler in einem Vogel-Bauer oder
Kaͤficht an einem Baum hencken,
und oben auf ein Netze oder Leim-
Spindel ſtellen, darin der frem-
de auf dieſen begierig ſtoſſende Vo-
gel im Herbſte gefangen wird, und
das heiſſet man den
Miſtler-Stich, ſo denen Vogel-
faͤngern nach einem gewiſſen Be-
zirck in Pacht verlaſſen wird, da-
fuͤr ſie ein gewiſſes Geld oder etli-
che Mandel Voͤgel geben muͤſſen,
und werden ieglichem ſeine Gren-
tzen angewieſen, daruͤber er nicht
ſchreiten darff. Dieſer ſo genann-
te Miſtler-Stich gehet von Aller-
heiligen an, und waͤhret den gan-
tzen November durch, denn weil
die Erde um ſolche Zeit zu gefrie-
ren beginnet, und die Miſtler
das Gewuͤrme nicht mehr aus der
Erde kratzen koͤnnen, ſo wehlet
ſich von denen, die nicht im Strich
mit weggegangen, ſondern im
Winter da bleiben, ein ieder einen
oder auch mehr Baͤume aus, auf
welchen Miſteln wachſen, und
leidet auf denſelben oder auf den
naͤchſten Baͤumen ſeines gleichen
durchaus nicht, alsdenn haͤnget
man in einem Vogel-Haus einen
zahmen Miſtler, der darzu gewoͤh-
net wird, an denſelbigen Baum,
und thut entweder Leim-Spin-
deln, oder ein ſolches Stich- oder
Fall-Haͤuslein, durch welches der
wilde Vogel den zahmen ſehen
kan, auf das Vogel-Haus, da denn
der zahme Vogel, ſo bald er den
wilden hoͤrt, oder auch wol, ehe
er ihn hoͤret, wenn er nur vermu-
thet, es moͤchte einer zugegen ſeyn,
denſelben anſchreyet, und dadurch
verurſachet, daß der andere gantz
blind vor Zorn auf ihn herunter
ſtoͤßt, und entweder an den Spin-
deln kleben bleibet, oder das oben
angemachte Garn, vermittelſt ei-
ner eiſernen Feder, ſich uͤber den
Kopff zuſchlaͤgt. Auf dieſe Art
kan man in einem Tage zwantzig
und mehr Stuͤck fangen, ſonder-
lich bey kaltem Wetter, wenn es
reiffet und ein Schnee fallt; man
muß aber die Lock-Voͤgel aus-
wechſeln, daß ſie nicht matt wer-
den. So lange dieſer Vogel in
der Freyheit iſt, ernaͤhrt er ſich
faſt, wie der Krammets-Vogel
von Gewuͤrmen und Beeren, ſon-
derlich im Winter von den Miſtel-
Beeren, im Vogel-Haus aber
friſſet
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