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Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.

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Kir
brochenes, mehr nachdrückliches
und deutliches, als gezwungenes
und verblümtes, mehr natürliches
und zärtliches, als gekünsteltes
und geschmücktes vernommen wer-
den. Jn dieser Schreibart läßt
sich nicht viel Aufhaltens und Pau-
sirens machen, theils weil ein
Madrigal mehrentheils 11 bis 13
Zeilen lang, theils weil es das
nachdenckliche immer erst am En-
de aufweiset, und sich der Ver-
stand nur darauf spitzet. Die
Schrift-Sprüche, ob sie gleich kei-
ne Madrigale sind, schicken sich
dennoch nicht übel zum Madri-
galen-Styl.

4) Stylus Symphoniacus, der
Jnstrumenten-Styl hat sowol in
der Kirche, als auf der Schau-
bühne und in der Kammer stat.
Die Jnstrumental-Music, weil
sie nichts anders als eine Ton-
Sprache oder Klang-Rede ist,
muß ihre Absicht allemal auf eine
gewisse Gemüths-Bewegung rich-
ten, welche zu erregen der Nach-
druck in den Tonen, die gescheute
Abtheilung in den Sätzen, die ge-
messene Fortschreitung u. d. g.
wohl in acht zu nehmen sind. Jn
sofern diese Schreibart in die Kir-
che gehöret, erfodert sie, bey den
in geistlichen Stücken gebräuchli-
chen Sonaten, Sonatinen, Sym-
phonien, Vor- und Zwischen-Spie-
len ihre besondere Festigkeit und
ein wohlgegründetes Wesen im
Gange, damit es nicht nach einer
allzufreyen Ouverture schmecke;
denn in geistlichen Materien muß
dieser Styl ernsthaft, wohlbe-
deckt und kräftig, nicht tändelnd,
nackt und ohnmächtig, seyn. Da
nun der Jnstrumenten-Styl das-
jenige über sich nehmen und her-
aus bringen soll, was den Sing-
[Spaltenumbruch]

Kir
Stimmen nicht allemal anständig
und beqvem fället; auch öfters
von Natur mehr freudiges und
munteres erfodert, als irgend eine
andere Schreib-Art: So kan
man ihm bey dem Gottesdienste
nicht alle Lebhafftigkeit absprechen.
Faul, schläfrig und lahm ist nicht
ernsthaft, prächtig oder majestä-
tisch. Freude verwirft keinen
Ernst. Ein aufgeräumtes Wesen
schickt sich am besten zur Andacht;
nur muß die nöthige Bescheiden-
heit niemals aus den Augen ge-
setzt werden.

5) Stylus Canonicus, der Ca-
nonische Styl, findet gleichfalls
in der Kirche, auf dem Theatro
und in der Cammer Platz. Bey
den Kirchen-Moteten ist er be-
hutsam und selten, auch mehr auf
Jnstrumente als in Singe-Stim-
men zu gebrauchen. Bey Ein-
führung der Kirchen-Lieder in die
geistlichen Stücke oder Oratorien,
deren etliche in ihrer gewöhnlichen
Sangweise von selbsten sehr gute
canonische Gänge an die Hand
geben, sind solche nicht aus der
Acht zu lassen, es sey auf Orgeln
oder auf dem Chor.

Kirch-Gang,

Heisset bey den Jägern, wenn
der Hirsch gemach zu Holtze ge-
het; Denn zu Felde gehet er ge-
schwinde.

Kirren,

Anlocken, anludern, als Füchse
kirren. s. Luder.

Kirsch-Vogel,

Sonst auch Pyrolt oder Pyrole,
Weyrauch-Vogel, Wittewald,
Witwohl, und von den Oester-
reichern Gugel- oder Kugel-Fih-

aus
Q q 2

[Spaltenumbruch]

Kir
brochenes, mehr nachdruͤckliches
und deutliches, als gezwungenes
und verbluͤmtes, mehr natuͤrliches
und zaͤrtliches, als gekuͤnſteltes
und geſchmuͤcktes vernommen wer-
den. Jn dieſer Schreibart laͤßt
ſich nicht viel Aufhaltens und Pau-
ſirens machen, theils weil ein
Madrigal mehrentheils 11 bis 13
Zeilen lang, theils weil es das
nachdenckliche immer erſt am En-
de aufweiſet, und ſich der Ver-
ſtand nur darauf ſpitzet. Die
Schrift-Spruͤche, ob ſie gleich kei-
ne Madrigale ſind, ſchicken ſich
dennoch nicht uͤbel zum Madri-
galen-Styl.

4) Stylus Symphoniacus, der
Jnſtrumenten-Styl hat ſowol in
der Kirche, als auf der Schau-
buͤhne und in der Kammer ſtat.
Die Jnſtrumental-Muſic, weil
ſie nichts anders als eine Ton-
Sprache oder Klang-Rede iſt,
muß ihre Abſicht allemal auf eine
gewiſſe Gemuͤths-Bewegung rich-
ten, welche zu erregen der Nach-
druck in den Tonen, die geſcheute
Abtheilung in den Saͤtzen, die ge-
meſſene Fortſchreitung u. d. g.
wohl in acht zu nehmen ſind. Jn
ſofern dieſe Schreibart in die Kir-
che gehoͤret, erfodert ſie, bey den
in geiſtlichen Stuͤcken gebraͤuchli-
chen Sonaten, Sonatinen, Sym-
phonien, Vor- und Zwiſchen-Spie-
len ihre beſondere Feſtigkeit und
ein wohlgegruͤndetes Weſen im
Gange, damit es nicht nach einer
allzufreyen Ouverture ſchmecke;
denn in geiſtlichen Materien muß
dieſer Styl ernſthaft, wohlbe-
deckt und kraͤftig, nicht taͤndelnd,
nackt und ohnmaͤchtig, ſeyn. Da
nun der Jnſtrumenten-Styl das-
jenige uͤber ſich nehmen und her-
aus bringen ſoll, was den Sing-
[Spaltenumbruch]

Kir
Stimmen nicht allemal anſtaͤndig
und beqvem faͤllet; auch oͤfters
von Natur mehr freudiges und
munteres erfodert, als irgend eine
andere Schreib-Art: So kan
man ihm bey dem Gottesdienſte
nicht alle Lebhafftigkeit abſprechen.
Faul, ſchlaͤfrig und lahm iſt nicht
ernſthaft, praͤchtig oder majeſtaͤ-
tiſch. Freude verwirft keinen
Ernſt. Ein aufgeraͤumtes Weſen
ſchickt ſich am beſten zur Andacht;
nur muß die noͤthige Beſcheiden-
heit niemals aus den Augen ge-
ſetzt werden.

5) Stylus Canonicus, der Ca-
noniſche Styl, findet gleichfalls
in der Kirche, auf dem Theatro
und in der Cammer Platz. Bey
den Kirchen-Moteten iſt er be-
hutſam und ſelten, auch mehr auf
Jnſtrumente als in Singe-Stim-
men zu gebrauchen. Bey Ein-
fuͤhrung der Kirchen-Lieder in die
geiſtlichen Stuͤcke oder Oratorien,
deren etliche in ihrer gewoͤhnlichen
Sangweiſe von ſelbſten ſehr gute
canoniſche Gaͤnge an die Hand
geben, ſind ſolche nicht aus der
Acht zu laſſen, es ſey auf Orgeln
oder auf dem Chor.

Kirch-Gang,

Heiſſet bey den Jaͤgern, wenn
der Hirſch gemach zu Holtze ge-
het; Denn zu Felde gehet er ge-
ſchwinde.

Kirren,

Anlocken, anludern, als Fuͤchſe
kirren. ſ. Luder.

Kirſch-Vogel,

Sonſt auch Pyrolt oder Pyrole,
Weyrauch-Vogel, Wittewald,
Witwohl, und von den Oeſter-
reichern Gugel- oder Kugel-Fih-

aus
Q q 2
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[0631] Kir Kir brochenes, mehr nachdruͤckliches und deutliches, als gezwungenes und verbluͤmtes, mehr natuͤrliches und zaͤrtliches, als gekuͤnſteltes und geſchmuͤcktes vernommen wer- den. Jn dieſer Schreibart laͤßt ſich nicht viel Aufhaltens und Pau- ſirens machen, theils weil ein Madrigal mehrentheils 11 bis 13 Zeilen lang, theils weil es das nachdenckliche immer erſt am En- de aufweiſet, und ſich der Ver- ſtand nur darauf ſpitzet. Die Schrift-Spruͤche, ob ſie gleich kei- ne Madrigale ſind, ſchicken ſich dennoch nicht uͤbel zum Madri- galen-Styl. 4) Stylus Symphoniacus, der Jnſtrumenten-Styl hat ſowol in der Kirche, als auf der Schau- buͤhne und in der Kammer ſtat. Die Jnſtrumental-Muſic, weil ſie nichts anders als eine Ton- Sprache oder Klang-Rede iſt, muß ihre Abſicht allemal auf eine gewiſſe Gemuͤths-Bewegung rich- ten, welche zu erregen der Nach- druck in den Tonen, die geſcheute Abtheilung in den Saͤtzen, die ge- meſſene Fortſchreitung u. d. g. wohl in acht zu nehmen ſind. Jn ſofern dieſe Schreibart in die Kir- che gehoͤret, erfodert ſie, bey den in geiſtlichen Stuͤcken gebraͤuchli- chen Sonaten, Sonatinen, Sym- phonien, Vor- und Zwiſchen-Spie- len ihre beſondere Feſtigkeit und ein wohlgegruͤndetes Weſen im Gange, damit es nicht nach einer allzufreyen Ouverture ſchmecke; denn in geiſtlichen Materien muß dieſer Styl ernſthaft, wohlbe- deckt und kraͤftig, nicht taͤndelnd, nackt und ohnmaͤchtig, ſeyn. Da nun der Jnſtrumenten-Styl das- jenige uͤber ſich nehmen und her- aus bringen ſoll, was den Sing- Stimmen nicht allemal anſtaͤndig und beqvem faͤllet; auch oͤfters von Natur mehr freudiges und munteres erfodert, als irgend eine andere Schreib-Art: So kan man ihm bey dem Gottesdienſte nicht alle Lebhafftigkeit abſprechen. Faul, ſchlaͤfrig und lahm iſt nicht ernſthaft, praͤchtig oder majeſtaͤ- tiſch. Freude verwirft keinen Ernſt. Ein aufgeraͤumtes Weſen ſchickt ſich am beſten zur Andacht; nur muß die noͤthige Beſcheiden- heit niemals aus den Augen ge- ſetzt werden. 5) Stylus Canonicus, der Ca- noniſche Styl, findet gleichfalls in der Kirche, auf dem Theatro und in der Cammer Platz. Bey den Kirchen-Moteten iſt er be- hutſam und ſelten, auch mehr auf Jnſtrumente als in Singe-Stim- men zu gebrauchen. Bey Ein- fuͤhrung der Kirchen-Lieder in die geiſtlichen Stuͤcke oder Oratorien, deren etliche in ihrer gewoͤhnlichen Sangweiſe von ſelbſten ſehr gute canoniſche Gaͤnge an die Hand geben, ſind ſolche nicht aus der Acht zu laſſen, es ſey auf Orgeln oder auf dem Chor. Kirch-Gang, Heiſſet bey den Jaͤgern, wenn der Hirſch gemach zu Holtze ge- het; Denn zu Felde gehet er ge- ſchwinde. Kirren, Anlocken, anludern, als Fuͤchſe kirren. ſ. Luder. Kirſch-Vogel, Sonſt auch Pyrolt oder Pyrole, Weyrauch-Vogel, Wittewald, Witwohl, und von den Oeſter- reichern Gugel- oder Kugel-Fih- aus Q q 2

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Zitationshilfe: Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trichter_ritterexercitienlexikon_1742/631>, abgerufen am 22.11.2024.