Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Ger Bäume, auf welchen er seinenGesang verrichtet, und von denen er im vollen Singen, nach Art der Lerchen, iedoch nicht in einem Kreis wie die andern Lerchen, son- dern gerade in die Höhe steiget, und auf die Gipffel der Bäume sich wieder nieder lässet: Wenn man nun unter solchen Bäumen eine andere Gereut-Lerche, nem- lich ein Männlein, mit abgeschnit- tenen Flügel-Federn, deme, gleich- wie bey dem Fincken gedacht, ein natürlich krumm gewachsenes, und an der Spitze mit ein wenig guten Vogel-Leim beschmiertes Spreißlein auf den Schwantz ge- bunden ist, lauffen lässet, wird diejenige, welche sich alldort ihren Stand erwehlet, gleich als blind im Zorn auf sie herunter fahren, und an dem aufgebundenen mit Vogel-Leim beschmierten Spreiß- lein sich eben auf diese Art fan- gen, wie die Fincken. Sie kön- nen auch zur Zeit des Strichs auf einem Herd gefangen werden, wenn man solches Fanges halben einige Gereut-Lerchen, die des Jahrs vorher gefangen worden, verhält, damit sie erst um solche Zeit, wie andere verhaltene Vögel, ihren Gesang verrichten. Jn ih- rer Freyheit nähren sie sich mit allerhand Gewürme, in ihrer Ge- fangenschafft aber wollen sie erst- lich mit frischen Ameis-Eyern, oder mit Heuschrecken, denen die Füsse weggerissen worden, damit sie nicht forthüpffen oder wegkrie- chen können, oder aber in Er- mangelung derselben mit frischen Regen-Würmern gefüttert seyn, bis man sie nach und nach, mit untermengtem süssen Qvarck, auch klein gedrucktem Hanff zu diesem letztern Futter, nemlich Hanff [Spaltenumbruch] Ger mit Semmel-Mehl vermischt,alleine angewöhnet. Dieser Vo- gel nimmt mit einem gantz klei- nen Keficht vorlieb, und dauret sechs bis sieben Jahr, wenn er nur dabey reine gehalten, auch zu Zeiten heraus in eine Stube ge- lassen, und ihm Wasser zum Ba- den gegeben wird. Ger-Falck, Wird unter die edlen Falcken St. Germain, Jst die ordentliche Residentz wor-
[Spaltenumbruch] Ger Baͤume, auf welchen er ſeinenGeſang verrichtet, und von denen er im vollen Singen, nach Art der Lerchen, iedoch nicht in einem Kreis wie die andern Lerchen, ſon- dern gerade in die Hoͤhe ſteiget, und auf die Gipffel der Baͤume ſich wieder nieder laͤſſet: Wenn man nun unter ſolchen Baͤumen eine andere Gereut-Lerche, nem- lich ein Maͤnnlein, mit abgeſchnit- tenen Fluͤgel-Federn, deme, gleich- wie bey dem Fincken gedacht, ein natuͤrlich krumm gewachſenes, und an der Spitze mit ein wenig guten Vogel-Leim beſchmiertes Spreißlein auf den Schwantz ge- bunden iſt, lauffen laͤſſet, wird diejenige, welche ſich alldort ihren Stand erwehlet, gleich als blind im Zorn auf ſie herunter fahren, und an dem aufgebundenen mit Vogel-Leim beſchmierten Spreiß- lein ſich eben auf dieſe Art fan- gen, wie die Fincken. Sie koͤn- nen auch zur Zeit des Strichs auf einem Herd gefangen werden, wenn man ſolches Fanges halben einige Gereut-Lerchen, die des Jahrs vorher gefangen worden, verhaͤlt, damit ſie erſt um ſolche Zeit, wie andere verhaltene Voͤgel, ihren Geſang verrichten. Jn ih- rer Freyheit naͤhren ſie ſich mit allerhand Gewuͤrme, in ihrer Ge- fangenſchafft aber wollen ſie erſt- lich mit friſchen Ameis-Eyern, oder mit Heuſchrecken, denen die Fuͤſſe weggeriſſen worden, damit ſie nicht forthuͤpffen oder wegkrie- chen koͤnnen, oder aber in Er- mangelung derſelben mit friſchen Regen-Wuͤrmern gefuͤttert ſeyn, bis man ſie nach und nach, mit untermengtem ſuͤſſen Qvarck, auch klein gedrucktem Hanff zu dieſem letztern Futter, nemlich Hanff [Spaltenumbruch] Ger mit Semmel-Mehl vermiſcht,alleine angewoͤhnet. Dieſer Vo- gel nimmt mit einem gantz klei- nen Keficht vorlieb, und dauret ſechs bis ſieben Jahr, wenn er nur dabey reine gehalten, auch zu Zeiten heraus in eine Stube ge- laſſen, und ihm Waſſer zum Ba- den gegeben wird. Ger-Falck, Wird unter die edlen Falcken St. Germain, Jſt die ordentliche Reſidentz wor-
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Ger
Ger
Baͤume, auf welchen er ſeinen
Geſang verrichtet, und von denen
er im vollen Singen, nach Art
der Lerchen, iedoch nicht in einem
Kreis wie die andern Lerchen, ſon-
dern gerade in die Hoͤhe ſteiget,
und auf die Gipffel der Baͤume
ſich wieder nieder laͤſſet: Wenn
man nun unter ſolchen Baͤumen
eine andere Gereut-Lerche, nem-
lich ein Maͤnnlein, mit abgeſchnit-
tenen Fluͤgel-Federn, deme, gleich-
wie bey dem Fincken gedacht, ein
natuͤrlich krumm gewachſenes,
und an der Spitze mit ein wenig
guten Vogel-Leim beſchmiertes
Spreißlein auf den Schwantz ge-
bunden iſt, lauffen laͤſſet, wird
diejenige, welche ſich alldort ihren
Stand erwehlet, gleich als blind
im Zorn auf ſie herunter fahren,
und an dem aufgebundenen mit
Vogel-Leim beſchmierten Spreiß-
lein ſich eben auf dieſe Art fan-
gen, wie die Fincken. Sie koͤn-
nen auch zur Zeit des Strichs auf
einem Herd gefangen werden,
wenn man ſolches Fanges halben
einige Gereut-Lerchen, die des
Jahrs vorher gefangen worden,
verhaͤlt, damit ſie erſt um ſolche
Zeit, wie andere verhaltene Voͤgel,
ihren Geſang verrichten. Jn ih-
rer Freyheit naͤhren ſie ſich mit
allerhand Gewuͤrme, in ihrer Ge-
fangenſchafft aber wollen ſie erſt-
lich mit friſchen Ameis-Eyern,
oder mit Heuſchrecken, denen die
Fuͤſſe weggeriſſen worden, damit
ſie nicht forthuͤpffen oder wegkrie-
chen koͤnnen, oder aber in Er-
mangelung derſelben mit friſchen
Regen-Wuͤrmern gefuͤttert ſeyn,
bis man ſie nach und nach, mit
untermengtem ſuͤſſen Qvarck, auch
klein gedrucktem Hanff zu dieſem
letztern Futter, nemlich Hanff
mit Semmel-Mehl vermiſcht,
alleine angewoͤhnet. Dieſer Vo-
gel nimmt mit einem gantz klei-
nen Keficht vorlieb, und dauret
ſechs bis ſieben Jahr, wenn er nur
dabey reine gehalten, auch zu
Zeiten heraus in eine Stube ge-
laſſen, und ihm Waſſer zum Ba-
den gegeben wird.
Ger-Falck,
Wird unter die edlen Falcken
gezehlet, iſt groͤſſer denn der Ha-
bicht, und kleiner denn ein Adler,
hat einen kleinen flachen Kopff,
einen kurtzen und ſtarcken Schna-
bel, weite Naſenloͤcher, runde
helle Augen, einen ſtarcken langen
Hals, breite Bruſt und Ruͤcken,
groſſe Fluͤgel-Bogen, lange Schen-
ckel, ſchwartze ſcharfe Krallen und
einen langen Schwantz. Er iſt
nicht Menſchen-ſcheu, alſo, daß
er bald berichtet oder zahm ge-
macht werden kan, auch ſo be-
hertzt, ſo daß er nicht nur Kra-
niche, Schwanen, Reiger, wilde
Gaͤnſe, und andere groſſe Voͤgel,
ſondern auch Rehe und Haaſen
angreiffet.
St. Germain,
Jſt die ordentliche Reſidentz
der Koͤnige in Franckreich, ein
vortreffliches Gebaͤu, fuͤnf Mei-
len von Paris gelegen. Es ſind
darinne 36 Zimmer, ſo alle uͤber
die maſſen praͤchtig und Koͤnig-
lich, und ſechs Gallerien. Es
ſtoͤſſet an dieſes Schloß ein ſchoͤ-
ner Wald und Thier-Garten, ſo
zwey Meilwegs lang, hat fuͤnf
Grotten, und iſt in der erſten Or-
pheus, welcher mit ſeiner Leyer
macht, daß allerhand wilde Thie-
re heraus kommen, ſo ſich um ihn
herum ſtellen, wie auch die Baͤu-
me zu ihm neigen und biegen,
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