Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Tap cher Gesellschafft zu tantzen wer-den mögen. Er selbsten, wenn er in einer grossen und ansehnlichen Stadt sich befindet, und mit vor- nehmer Leute Information beehret wird, kan sich auf neue Melodien, Pas und Täntze, die iedoch nichts bizarres oder affectirtes an sich ha- ben, schicken; Jm übrigen soll er vielmehr dahin sehen, daß er sei- nen Scholaren die fundamental- sten Täntze, als da sind Courante, Bourree, Menuet, wohl lehre, als daß er sie mit vielen neuen Figuren in spem futurae oblivio- nis aufhalte, und ihnen unnützer Weise das Geld aus dem Beutel bringe. Vor allen hat er ihr Ohr wohl zur Cadence zu gewöhnen, als welche die Seele vom Tantzen ist, und ohne welches die Tantz- Kunst verhast und unannehmlich seyn würde. Tapis, raser le Tapis, Jst eine Redens Art auf der Tarantismus, Tarantula, Die Tantz-Kranckheit, ist eine Tas den gantzen Leib haaricht, vorne andem Mund haben sie krumme, und wie eine Zange gegen einan- der stehende Spitzen, mit wel- chen sie ihren Stich verrichten, und den Gifft mittheilen. Sie ha- ben aber den Nahmen her von Tarento, einer Stadt in Apu- lien, weil sie etwan da am ver- gifftesten seyn, oder am meisten; wiewol ihrer auch in den Jnseln Sicilien und Corsica gefunden, und sonst auch Stellones benennet werden. Jhr Biß ist von gantz sonderbarer Wirckung, gleichet dem Stich einer Biene oder Wes- pe, und machet eine kleine rothe Blase, darum sich ein schwartzer oder gelber Ring zeiget, darauf ver- schiedene Zufälle folgen, als gros- se Traurigkeit, Hertzens-Angst, Raserey. Die dagegen gebrauch- te Cur ist, daß man ein wenig ge- stossenen Knoblauch mit Theriac auf den Biß leget, so gehet der Gifft nicht weiter, oder man töd- tet gleich nach dem Stich die Ta- rantulam, und leget sie auf die Wunde. So man aber von die- sen Mitteln eines verabsäumet, muß der Patient wohl etliche Jahr nach einander tantzen, und viel traurige Zufälle ausstehen, bis er endlich durch die Music curiret wird, und zwar durch einen ge- wissen Ton, der mit der Verwun- derung, und ihrer daraus herkom- menden Paßion eine sympatheti- sche Uibereinstimmung und Gleich- förmigkeit habe. Tastatura, Die Griff-Tafel oder die Cla- sien,
[Spaltenumbruch] Tap cher Geſellſchafft zu tantzen wer-den moͤgen. Er ſelbſten, wenn er in einer groſſen und anſehnlichen Stadt ſich befindet, und mit vor- nehmer Leute Information beehret wird, kan ſich auf neue Melodien, Pas und Taͤntze, die iedoch nichts bizarres oder affectirtes an ſich ha- ben, ſchicken; Jm uͤbrigen ſoll er vielmehr dahin ſehen, daß er ſei- nen Scholaren die fundamental- ſten Taͤntze, als da ſind Courante, Bourrée, Menuet, wohl lehre, als daß er ſie mit vielen neuen Figuren in ſpem futuræ oblivio- nis aufhalte, und ihnen unnuͤtzer Weiſe das Geld aus dem Beutel bringe. Vor allen hat er ihr Ohr wohl zur Cadence zu gewoͤhnen, als welche die Seele vom Tantzen iſt, und ohne welches die Tantz- Kunſt verhaſt und unannehmlich ſeyn wuͤrde. Tapis, raſer le Tapis, Jſt eine Redens Art auf der Tarantiſmus, Tarantula, Die Tantz-Kranckheit, iſt eine Taſ den gantzen Leib haaricht, vorne andem Mund haben ſie krumme, und wie eine Zange gegen einan- der ſtehende Spitzen, mit wel- chen ſie ihren Stich verrichten, und den Gifft mittheilen. Sie ha- ben aber den Nahmen her von Tarento, einer Stadt in Apu- lien, weil ſie etwan da am ver- giffteſten ſeyn, oder am meiſten; wiewol ihrer auch in den Jnſeln Sicilien und Corſica gefunden, und ſonſt auch Stellones benennet werden. Jhr Biß iſt von gantz ſonderbarer Wirckung, gleichet dem Stich einer Biene oder Weſ- pe, und machet eine kleine rothe Blaſe, darum ſich ein ſchwartzer oder gelber Ring zeiget, darauf ver- ſchiedene Zufaͤlle folgen, als groſ- ſe Traurigkeit, Hertzens-Angſt, Raſerey. Die dagegen gebrauch- te Cur iſt, daß man ein wenig ge- ſtoſſenen Knoblauch mit Theriac auf den Biß leget, ſo gehet der Gifft nicht weiter, oder man toͤd- tet gleich nach dem Stich die Ta- rantulam, und leget ſie auf die Wunde. So man aber von die- ſen Mitteln eines verabſaͤumet, muß der Patient wohl etliche Jahr nach einander tantzen, und viel traurige Zufaͤlle ausſtehen, bis er endlich durch die Muſic curiret wird, und zwar durch einen ge- wiſſen Ton, der mit der Verwun- derung, und ihrer daraus herkom- menden Paßion eine ſympatheti- ſche Uibereinſtimmung und Gleich- foͤrmigkeit habe. Taſtatura, Die Griff-Tafel oder die Cla- ſien,
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Tap
Taſ
cher Geſellſchafft zu tantzen wer-
den moͤgen. Er ſelbſten, wenn er
in einer groſſen und anſehnlichen
Stadt ſich befindet, und mit vor-
nehmer Leute Information beehret
wird, kan ſich auf neue Melodien,
Pas und Taͤntze, die iedoch nichts
bizarres oder affectirtes an ſich ha-
ben, ſchicken; Jm uͤbrigen ſoll er
vielmehr dahin ſehen, daß er ſei-
nen Scholaren die fundamental-
ſten Taͤntze, als da ſind Courante,
Bourrée, Menuet, wohl lehre,
als daß er ſie mit vielen neuen
Figuren in ſpem futuræ oblivio-
nis aufhalte, und ihnen unnuͤtzer
Weiſe das Geld aus dem Beutel
bringe. Vor allen hat er ihr Ohr
wohl zur Cadence zu gewoͤhnen,
als welche die Seele vom Tantzen
iſt, und ohne welches die Tantz-
Kunſt verhaſt und unannehmlich
ſeyn wuͤrde.
Tapis, raſer le Tapis,
Jſt eine Redens Art auf der
Reitbahn, und heiſt eigentlich
den Teppicht abſcheren, und wird
von einem ſteiffen Pferde geſagt,
das im Gehen keinen Fuß mehr
bieget, ſondern ſolchen auf der Er-
den herſtreifft, und den Boden
razirt und gleich eben macht.
Tarantiſmus, Tarantula,
Die Tantz-Kranckheit, iſt eine
ſtete Begierde zu tantzen, zu ſprin-
gen, und in einem Kreis herum zu
lauffen, gantz ohne Vernunfft,
oder als wenn man beſeſſen waͤre.
Dieſes aber ruͤhret von dem Biß
einer Spinnen her, Tarantula
genannt, deren mehr als acht Ar-
ten, die an Farbe und Groͤſſe von
einander alle unterſchieden ſind,
gezehlet werden. Jnsgemein aber
ſind ſie ſo groß als eine Eichel, uͤber
den gantzen Leib haaricht, vorne an
dem Mund haben ſie krumme,
und wie eine Zange gegen einan-
der ſtehende Spitzen, mit wel-
chen ſie ihren Stich verrichten,
und den Gifft mittheilen. Sie ha-
ben aber den Nahmen her von
Tarento, einer Stadt in Apu-
lien, weil ſie etwan da am ver-
giffteſten ſeyn, oder am meiſten;
wiewol ihrer auch in den Jnſeln
Sicilien und Corſica gefunden,
und ſonſt auch Stellones benennet
werden. Jhr Biß iſt von gantz
ſonderbarer Wirckung, gleichet
dem Stich einer Biene oder Weſ-
pe, und machet eine kleine rothe
Blaſe, darum ſich ein ſchwartzer
oder gelber Ring zeiget, darauf ver-
ſchiedene Zufaͤlle folgen, als groſ-
ſe Traurigkeit, Hertzens-Angſt,
Raſerey. Die dagegen gebrauch-
te Cur iſt, daß man ein wenig ge-
ſtoſſenen Knoblauch mit Theriac
auf den Biß leget, ſo gehet der
Gifft nicht weiter, oder man toͤd-
tet gleich nach dem Stich die Ta-
rantulam, und leget ſie auf die
Wunde. So man aber von die-
ſen Mitteln eines verabſaͤumet,
muß der Patient wohl etliche Jahr
nach einander tantzen, und viel
traurige Zufaͤlle ausſtehen, bis er
endlich durch die Muſic curiret
wird, und zwar durch einen ge-
wiſſen Ton, der mit der Verwun-
derung, und ihrer daraus herkom-
menden Paßion eine ſympatheti-
ſche Uibereinſtimmung und Gleich-
foͤrmigkeit habe.
Taſtatura,
Die Griff-Tafel oder die Cla-
viere aller damit verſehenen Jn-
ſtrumenten. Es werden aber auch
diejenigen Præludia und Phanta-
ſien,
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