welche die Wirklichkeit dieser Erscheinungen beym Menschen beweisen sollen, eine strenge Kritik aushalten? Zu einer solchen Prüfung ist hier natürlich der Ort nicht, und ein grosser Theil jener Beobachtungen verdient dieselbe auch nicht. Im Allgemeinen scheint mir so viel ge- wiss, dass es keinen zuverlässigen Beweis für Vorgefühle dessen giebt, was ganz der Sphäre des Zufälligen angehört. Das Thier hat keine Vorempfindungen künftiger Ereignisse als nur solcher, welche durch die Gegenwart schon be- dingt sind. Bey dem Menschen verhält es sich wahrscheinlich nicht anders. Doch was zufällig und nicht zufällig ist, wird freylich immer eine schwer zu beantwortende Frage seyn, und daher lässt sich auch nicht jede Erfahrung von Vor- empfindung des scheinbar Zufälligen für ver- werflich erklären.
Es ist ferner wahrscheinlich, dass das Ein- treffen vieler, den Gang der Krankheit, den Ein- tritt der Paroxysmen und die Zeit der Heilung betreffender Vorhersagungen der Schlafwandler und einiger anderer Kranken aus dem körperli- chen Einfluss fixer Ideen zu erklären sind; dass das Vorgefühl nicht durch das künftige Ereigniss, sondern das letztere durch jenes bestimmt wird. Diese, schon von Brandisp) geäusserte Meinung
ist
p) A. a. O. S. 102. 107. 116.
D 2
welche die Wirklichkeit dieser Erscheinungen beym Menschen beweisen sollen, eine strenge Kritik aushalten? Zu einer solchen Prüfung ist hier natürlich der Ort nicht, und ein groſser Theil jener Beobachtungen verdient dieselbe auch nicht. Im Allgemeinen scheint mir so viel ge- wiſs, daſs es keinen zuverlässigen Beweis für Vorgefühle dessen giebt, was ganz der Sphäre des Zufälligen angehört. Das Thier hat keine Vorempfindungen künftiger Ereignisse als nur solcher, welche durch die Gegenwart schon be- dingt sind. Bey dem Menschen verhält es sich wahrscheinlich nicht anders. Doch was zufällig und nicht zufällig ist, wird freylich immer eine schwer zu beantwortende Frage seyn, und daher läſst sich auch nicht jede Erfahrung von Vor- empfindung des scheinbar Zufälligen für ver- werflich erklären.
Es ist ferner wahrscheinlich, daſs das Ein- treffen vieler, den Gang der Krankheit, den Ein- tritt der Paroxysmen und die Zeit der Heilung betreffender Vorhersagungen der Schlafwandler und einiger anderer Kranken aus dem körperli- chen Einfluſs fixer Ideen zu erklären sind; daſs das Vorgefühl nicht durch das künftige Ereigniſs, sondern das letztere durch jenes bestimmt wird. Diese, schon von Brandisp) geäuſserte Meinung
ist
p) A. a. O. S. 102. 107. 116.
D 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0063"n="51"/>
welche die Wirklichkeit dieser Erscheinungen<lb/>
beym Menschen beweisen sollen, eine strenge<lb/>
Kritik aushalten? Zu einer solchen Prüfung ist<lb/>
hier natürlich der Ort nicht, und ein groſser<lb/>
Theil jener Beobachtungen verdient dieselbe auch<lb/>
nicht. Im Allgemeinen scheint mir so viel ge-<lb/>
wiſs, daſs es keinen zuverlässigen Beweis für<lb/>
Vorgefühle dessen giebt, was ganz der Sphäre<lb/>
des Zufälligen angehört. Das Thier hat keine<lb/>
Vorempfindungen künftiger Ereignisse als nur<lb/>
solcher, welche durch die Gegenwart schon be-<lb/>
dingt sind. Bey dem Menschen verhält es sich<lb/>
wahrscheinlich nicht anders. Doch was zufällig<lb/>
und nicht zufällig ist, wird freylich immer eine<lb/>
schwer zu beantwortende Frage seyn, und daher<lb/>
läſst sich auch nicht jede Erfahrung von Vor-<lb/>
empfindung des scheinbar Zufälligen für ver-<lb/>
werflich erklären.</p><lb/><p>Es ist ferner wahrscheinlich, daſs das Ein-<lb/>
treffen vieler, den Gang der Krankheit, den Ein-<lb/>
tritt der Paroxysmen und die Zeit der Heilung<lb/>
betreffender Vorhersagungen der Schlafwandler<lb/>
und einiger anderer Kranken aus dem körperli-<lb/>
chen Einfluſs fixer Ideen zu erklären sind; daſs<lb/>
das Vorgefühl nicht durch das künftige Ereigniſs,<lb/>
sondern das letztere durch jenes bestimmt wird.<lb/>
Diese, schon von <hirendition="#k">Brandis</hi><noteplace="foot"n="p)">A. a. O. S. 102. 107. 116.</note> geäuſserte Meinung<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ist</fw><lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 2</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[51/0063]
welche die Wirklichkeit dieser Erscheinungen
beym Menschen beweisen sollen, eine strenge
Kritik aushalten? Zu einer solchen Prüfung ist
hier natürlich der Ort nicht, und ein groſser
Theil jener Beobachtungen verdient dieselbe auch
nicht. Im Allgemeinen scheint mir so viel ge-
wiſs, daſs es keinen zuverlässigen Beweis für
Vorgefühle dessen giebt, was ganz der Sphäre
des Zufälligen angehört. Das Thier hat keine
Vorempfindungen künftiger Ereignisse als nur
solcher, welche durch die Gegenwart schon be-
dingt sind. Bey dem Menschen verhält es sich
wahrscheinlich nicht anders. Doch was zufällig
und nicht zufällig ist, wird freylich immer eine
schwer zu beantwortende Frage seyn, und daher
läſst sich auch nicht jede Erfahrung von Vor-
empfindung des scheinbar Zufälligen für ver-
werflich erklären.
Es ist ferner wahrscheinlich, daſs das Ein-
treffen vieler, den Gang der Krankheit, den Ein-
tritt der Paroxysmen und die Zeit der Heilung
betreffender Vorhersagungen der Schlafwandler
und einiger anderer Kranken aus dem körperli-
chen Einfluſs fixer Ideen zu erklären sind; daſs
das Vorgefühl nicht durch das künftige Ereigniſs,
sondern das letztere durch jenes bestimmt wird.
Diese, schon von Brandis p) geäuſserte Meinung
ist
p) A. a. O. S. 102. 107. 116.
D 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/63>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.