dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben würden, vorgestellt werden. Es können z. B. Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange das Verhältniss des Organismus zur äussern Na- tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin- det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je- doch des Ursprungs derselben bewusst zu seyn.
4. Unter den Thieren besitzen viele in gewissen Perioden, unter den Men- schen manche zu einigen Zeiten, vor- züglich im Schlafwandel, eine Ahnung des Fernen und des Zukünftigen, und ein Wissen dessen, was im gesunden Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom- men Erhaltung, oder in Krankheiten zu ihrer Heilung zu suchen und zu meiden ist.
Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge- fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den
man
dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben würden, vorgestellt werden. Es können z. B. Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange das Verhältniſs des Organismus zur äuſsern Na- tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin- det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je- doch des Ursprungs derselben bewuſst zu seyn.
4. Unter den Thieren besitzen viele in gewissen Perioden, unter den Men- schen manche zu einigen Zeiten, vor- züglich im Schlafwandel, eine Ahnung des Fernen und des Zukünftigen, und ein Wissen dessen, was im gesunden Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom- men Erhaltung, oder in Krankheiten zu ihrer Heilung zu suchen und zu meiden ist.
Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge- fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den
man
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0060"n="48"/>
dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt<lb/>
verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben<lb/>
würden, vorgestellt werden. Es können z. B.<lb/>
Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die<lb/>
Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange<lb/>
das Verhältniſs des Organismus zur äuſsern Na-<lb/>
tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der<lb/>
Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als<lb/>
Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin-<lb/>
det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses<lb/>
statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die<lb/>
sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen<lb/>
auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je-<lb/>
doch des Ursprungs derselben bewuſst zu seyn.</p><lb/><p>4. <hirendition="#g">Unter den Thieren besitzen viele<lb/>
in gewissen Perioden, unter den Men-<lb/>
schen manche zu einigen Zeiten, vor-<lb/>
züglich im Schlafwandel, eine Ahnung<lb/>
des Fernen und des Zukünftigen, und<lb/>
ein Wissen dessen, was im gesunden<lb/>
Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom-<lb/>
men Erhaltung, oder in Krankheiten<lb/>
zu ihrer Heilung zu suchen und zu<lb/>
meiden ist</hi>.</p><lb/><p>Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge-<lb/>
fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man<lb/>
begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den<lb/><fwplace="bottom"type="catch">man</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[48/0060]
dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt
verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben
würden, vorgestellt werden. Es können z. B.
Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die
Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange
das Verhältniſs des Organismus zur äuſsern Na-
tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der
Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als
Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin-
det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses
statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die
sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen
auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je-
doch des Ursprungs derselben bewuſst zu seyn.
4. Unter den Thieren besitzen viele
in gewissen Perioden, unter den Men-
schen manche zu einigen Zeiten, vor-
züglich im Schlafwandel, eine Ahnung
des Fernen und des Zukünftigen, und
ein Wissen dessen, was im gesunden
Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom-
men Erhaltung, oder in Krankheiten
zu ihrer Heilung zu suchen und zu
meiden ist.
Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge-
fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man
begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den
man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/60>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.