Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

nur vermeidet, sie durch Geräusch, Luftzug
oder plötzliche Beschattung aufzuschrecken. Dass
sie aber zum Theil ein gutes Gesicht für nahe
Gegenstände und ein scharfes Augenmaass haben
müssen, beweisen die wandernden Spinnen, die
ihre Beute mit Einem Sprunge erhaschen und
nie verfehlen s).

So konnte indess das Auge nur bey Thie-
ren organisirt seyn, deren übrige Bildung eine
grosse Ausdehnung oder Vervielfältigung des
Auges gestattete, für die aber kein genaues
Unterscheidungsvermögen der Farben und des
Umrisses der Gegenstände nothwendig war. Wo
hingegen das Gesichtswerkzeug auf einen klei-
nern Theil des Kopfs eingeschränkt werden
musste, um Raum für die höhere Ausbildung
der übrigen Sinnesorgane und des Gehirns zu
erhalten, und wo bey dieser Beschränkung doch
das Vermögen, in verschiedenen Entfernungen,
nach verschiedenen Richtungen und bey ver-
schiedenem Lichte zu sehen und die Farben zu
unterscheiden, zugegen seyn sollte, bedurfte es
einer andern Bildung des Auges. Die Natur
erreichte diese Zwecke, indem sie dem letztern
eine runde Gestalt gab und dasselbe mit Augen-
liedern, einem eigenen Apparat von Muskeln,
einer der Erweiterung und Verengerung fähigen

Pu-
s) Lyonnet in Lesser's Theol. des Ins. T. II. p. 4.

nur vermeidet, sie durch Geräusch, Luftzug
oder plötzliche Beschattung aufzuschrecken. Daſs
sie aber zum Theil ein gutes Gesicht für nahe
Gegenstände und ein scharfes Augenmaaſs haben
müssen, beweisen die wandernden Spinnen, die
ihre Beute mit Einem Sprunge erhaschen und
nie verfehlen s).

So konnte indeſs das Auge nur bey Thie-
ren organisirt seyn, deren übrige Bildung eine
groſse Ausdehnung oder Vervielfältigung des
Auges gestattete, für die aber kein genaues
Unterscheidungsvermögen der Farben und des
Umrisses der Gegenstände nothwendig war. Wo
hingegen das Gesichtswerkzeug auf einen klei-
nern Theil des Kopfs eingeschränkt werden
muſste, um Raum für die höhere Ausbildung
der übrigen Sinnesorgane und des Gehirns zu
erhalten, und wo bey dieser Beschränkung doch
das Vermögen, in verschiedenen Entfernungen,
nach verschiedenen Richtungen und bey ver-
schiedenem Lichte zu sehen und die Farben zu
unterscheiden, zugegen seyn sollte, bedurfte es
einer andern Bildung des Auges. Die Natur
erreichte diese Zwecke, indem sie dem letztern
eine runde Gestalt gab und dasselbe mit Augen-
liedern, einem eigenen Apparat von Muskeln,
einer der Erweiterung und Verengerung fähigen

Pu-
s) Lyonnet in Lesser’s Theol. des Ins. T. II. p. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0462" n="444"/>
nur vermeidet, sie durch Geräusch, Luftzug<lb/>
oder plötzliche Beschattung aufzuschrecken. Da&#x017F;s<lb/>
sie aber zum Theil ein gutes Gesicht für nahe<lb/>
Gegenstände und ein scharfes Augenmaa&#x017F;s haben<lb/>
müssen, beweisen die wandernden Spinnen, die<lb/>
ihre Beute mit Einem Sprunge erhaschen und<lb/>
nie verfehlen <note place="foot" n="s)"><hi rendition="#k">Lyonnet</hi> in <hi rendition="#k">Lesser</hi>&#x2019;s Theol. des Ins. T. II. p. 4.</note>.</p><lb/>
                <p>So konnte inde&#x017F;s das Auge nur bey Thie-<lb/>
ren organisirt seyn, deren übrige Bildung eine<lb/>
gro&#x017F;se Ausdehnung oder Vervielfältigung des<lb/>
Auges gestattete, für die aber kein genaues<lb/>
Unterscheidungsvermögen der Farben und des<lb/>
Umrisses der Gegenstände nothwendig war. Wo<lb/>
hingegen das Gesichtswerkzeug auf einen klei-<lb/>
nern Theil des Kopfs eingeschränkt werden<lb/>
mu&#x017F;ste, um Raum für die höhere Ausbildung<lb/>
der übrigen Sinnesorgane und des Gehirns zu<lb/>
erhalten, und wo bey dieser Beschränkung doch<lb/>
das Vermögen, in verschiedenen Entfernungen,<lb/>
nach verschiedenen Richtungen und bey ver-<lb/>
schiedenem Lichte zu sehen und die Farben zu<lb/>
unterscheiden, zugegen seyn sollte, bedurfte es<lb/>
einer andern Bildung des Auges. Die Natur<lb/>
erreichte diese Zwecke, indem sie dem letztern<lb/>
eine runde Gestalt gab und dasselbe mit Augen-<lb/>
liedern, einem eigenen Apparat von Muskeln,<lb/>
einer der Erweiterung und Verengerung fähigen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Pu-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0462] nur vermeidet, sie durch Geräusch, Luftzug oder plötzliche Beschattung aufzuschrecken. Daſs sie aber zum Theil ein gutes Gesicht für nahe Gegenstände und ein scharfes Augenmaaſs haben müssen, beweisen die wandernden Spinnen, die ihre Beute mit Einem Sprunge erhaschen und nie verfehlen s). So konnte indeſs das Auge nur bey Thie- ren organisirt seyn, deren übrige Bildung eine groſse Ausdehnung oder Vervielfältigung des Auges gestattete, für die aber kein genaues Unterscheidungsvermögen der Farben und des Umrisses der Gegenstände nothwendig war. Wo hingegen das Gesichtswerkzeug auf einen klei- nern Theil des Kopfs eingeschränkt werden muſste, um Raum für die höhere Ausbildung der übrigen Sinnesorgane und des Gehirns zu erhalten, und wo bey dieser Beschränkung doch das Vermögen, in verschiedenen Entfernungen, nach verschiedenen Richtungen und bey ver- schiedenem Lichte zu sehen und die Farben zu unterscheiden, zugegen seyn sollte, bedurfte es einer andern Bildung des Auges. Die Natur erreichte diese Zwecke, indem sie dem letztern eine runde Gestalt gab und dasselbe mit Augen- liedern, einem eigenen Apparat von Muskeln, einer der Erweiterung und Verengerung fähigen Pu- s) Lyonnet in Lesser’s Theol. des Ins. T. II. p. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/462
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/462>, abgerufen am 25.11.2024.