Organe der letztern Art sind die einfachen Augen der Insekten und Schnecken. Das Sehen geschieht durch diese nach dioptrischen, wie durch die zusammengesetzten Augen nach ca- toptrischen Gesetzen. Durch sie gelanget nicht blos ein einfacher Strahl von jedem Punkt des Objekts zur Netzhaut, sondern der ganze, von diesem Punkt auf das Auge fallende Strahlen- kegel wird durch die Linse so gebrochen, dass alle Strahlen desselben sich hinter der letztern zu Einem Punkte wieder vereinigen. Da auf diese Weise alle Strahlen jedes sichtbaren Punkts die Netzhaut rühren, so wird der Eindruck auf dieselbe weit stärker und das Sehen weit deut- licher als bey der erstern Art seyn. Wegen der grossen Convexität sowohl der Hornhaut als der Linse des einfachen Auges ist aber die Vereinigung der gebrochenen Strahlen auf der Netzhaut nur bey sehr nahen Gegenständen möglich und der Gebrauch dieses Auges nur auf das Nahesehen und auf sehr kleine Objekte beschränkt. Darum sind die ungeflügelten Insek- ten, die des Weitsehens nicht bedürfen, denen aber das Gesicht für die Nähe von desto grö- sserm Werthe ist, blos mit einfachen Augen, mit solchen aber auch in sehr grosser Zahl versehen, und darum kann man sich allen die- sen Insekten weit mehr als den geflügelten nähern, ohne sie zu verscheuchen, wenn man
nur
VI. Bd. F f
Organe der letztern Art sind die einfachen Augen der Insekten und Schnecken. Das Sehen geschieht durch diese nach dioptrischen, wie durch die zusammengesetzten Augen nach ca- toptrischen Gesetzen. Durch sie gelanget nicht blos ein einfacher Strahl von jedem Punkt des Objekts zur Netzhaut, sondern der ganze, von diesem Punkt auf das Auge fallende Strahlen- kegel wird durch die Linse so gebrochen, daſs alle Strahlen desselben sich hinter der letztern zu Einem Punkte wieder vereinigen. Da auf diese Weise alle Strahlen jedes sichtbaren Punkts die Netzhaut rühren, so wird der Eindruck auf dieselbe weit stärker und das Sehen weit deut- licher als bey der erstern Art seyn. Wegen der groſsen Convexität sowohl der Hornhaut als der Linse des einfachen Auges ist aber die Vereinigung der gebrochenen Strahlen auf der Netzhaut nur bey sehr nahen Gegenständen möglich und der Gebrauch dieses Auges nur auf das Nahesehen und auf sehr kleine Objekte beschränkt. Darum sind die ungeflügelten Insek- ten, die des Weitsehens nicht bedürfen, denen aber das Gesicht für die Nähe von desto grö- ſserm Werthe ist, blos mit einfachen Augen, mit solchen aber auch in sehr groſser Zahl versehen, und darum kann man sich allen die- sen Insekten weit mehr als den geflügelten nähern, ohne sie zu verscheuchen, wenn man
nur
VI. Bd. F f
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0461"n="443"/><p>Organe der letztern Art sind die einfachen<lb/>
Augen der Insekten und Schnecken. Das Sehen<lb/>
geschieht durch diese nach dioptrischen, wie<lb/>
durch die zusammengesetzten Augen nach ca-<lb/>
toptrischen Gesetzen. Durch sie gelanget nicht<lb/>
blos ein einfacher Strahl von jedem Punkt des<lb/>
Objekts zur Netzhaut, sondern der ganze, von<lb/>
diesem Punkt auf das Auge fallende Strahlen-<lb/>
kegel wird durch die Linse so gebrochen, daſs<lb/>
alle Strahlen desselben sich hinter der letztern<lb/>
zu Einem Punkte wieder vereinigen. Da auf<lb/>
diese Weise alle Strahlen jedes sichtbaren Punkts<lb/>
die Netzhaut rühren, so wird der Eindruck auf<lb/>
dieselbe weit stärker und das Sehen weit deut-<lb/>
licher als bey der erstern Art seyn. Wegen<lb/>
der groſsen Convexität sowohl der Hornhaut als<lb/>
der Linse des einfachen Auges ist aber die<lb/>
Vereinigung der gebrochenen Strahlen auf der<lb/>
Netzhaut nur bey sehr nahen Gegenständen<lb/>
möglich und der Gebrauch dieses Auges nur<lb/>
auf das Nahesehen und auf sehr kleine Objekte<lb/>
beschränkt. Darum sind die ungeflügelten Insek-<lb/>
ten, die des Weitsehens nicht bedürfen, denen<lb/>
aber das Gesicht für die Nähe von desto grö-<lb/>ſserm Werthe ist, blos mit einfachen Augen,<lb/>
mit solchen aber auch in sehr groſser Zahl<lb/>
versehen, und darum kann man sich allen die-<lb/>
sen Insekten weit mehr als den geflügelten<lb/>
nähern, ohne sie zu verscheuchen, wenn man<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">VI. Bd.</hi> F f</fw><fwplace="bottom"type="catch">nur</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[443/0461]
Organe der letztern Art sind die einfachen
Augen der Insekten und Schnecken. Das Sehen
geschieht durch diese nach dioptrischen, wie
durch die zusammengesetzten Augen nach ca-
toptrischen Gesetzen. Durch sie gelanget nicht
blos ein einfacher Strahl von jedem Punkt des
Objekts zur Netzhaut, sondern der ganze, von
diesem Punkt auf das Auge fallende Strahlen-
kegel wird durch die Linse so gebrochen, daſs
alle Strahlen desselben sich hinter der letztern
zu Einem Punkte wieder vereinigen. Da auf
diese Weise alle Strahlen jedes sichtbaren Punkts
die Netzhaut rühren, so wird der Eindruck auf
dieselbe weit stärker und das Sehen weit deut-
licher als bey der erstern Art seyn. Wegen
der groſsen Convexität sowohl der Hornhaut als
der Linse des einfachen Auges ist aber die
Vereinigung der gebrochenen Strahlen auf der
Netzhaut nur bey sehr nahen Gegenständen
möglich und der Gebrauch dieses Auges nur
auf das Nahesehen und auf sehr kleine Objekte
beschränkt. Darum sind die ungeflügelten Insek-
ten, die des Weitsehens nicht bedürfen, denen
aber das Gesicht für die Nähe von desto grö-
ſserm Werthe ist, blos mit einfachen Augen,
mit solchen aber auch in sehr groſser Zahl
versehen, und darum kann man sich allen die-
sen Insekten weit mehr als den geflügelten
nähern, ohne sie zu verscheuchen, wenn man
nur
VI. Bd. F f
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/461>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.