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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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Der völlig blind Gebohrne, der in spätern Jah-
ren das Gesicht erhält, wird in den ersten
Augenblicken des Sehens jene Verhältnisse als
solche nicht zu erkennen im Stande seyn. Die-
ses Unvermögen zeigte sich auch bey dem
Knaben, der, ohne einen Begriff von sichtbaren
Gegenständen zu haben, im dreyzehnten Jahre
seines Alters durch Cheselden's Kunst plötz-
lich in die sichtbare Welt versetzt werde z).
Ein vorhergegangenes, sehr unvollkommenes
Sehen wird aber den, welcher zum völligen
Gebrauch der Augen gelangt, schon fähig ge-
macht haben können, in den ersten Augen-
blicken des aufgeschlossenen Sinns die räum-
lichen Verhältnisse der Dinge zu begreifen, in-
dem er sich vorher schon Begriffe von sicht-
baren Gegenständen bilden und diese mit dem,
was ihn der Sinn des Getastes lehrte, in Ue-
bereinstimmung bringen konnte. So war der
Fall bey dem siebenjährigen Knaben, den Ware
durch die Staaroperation sehend machte, nach-
dem derselbe seit seinem ersten Lebensjahr
zwar nicht die Umrisse, doch die Farben der
Gegenstände hatte unterscheiden können a).
Cheselden's Knaben waren zwar auch bey
sehr starkem Lichte Farben erkennbar gewesen.
Er war aber ohne allen Zweifel weit blinder

und
z) Philos. Transact. Y. 1728. p. 447.
a) Ebendas. Y. 1801. p. 382.

Der völlig blind Gebohrne, der in spätern Jah-
ren das Gesicht erhält, wird in den ersten
Augenblicken des Sehens jene Verhältnisse als
solche nicht zu erkennen im Stande seyn. Die-
ses Unvermögen zeigte sich auch bey dem
Knaben, der, ohne einen Begriff von sichtbaren
Gegenständen zu haben, im dreyzehnten Jahre
seines Alters durch Cheselden’s Kunst plötz-
lich in die sichtbare Welt versetzt werde z).
Ein vorhergegangenes, sehr unvollkommenes
Sehen wird aber den, welcher zum völligen
Gebrauch der Augen gelangt, schon fähig ge-
macht haben können, in den ersten Augen-
blicken des aufgeschlossenen Sinns die räum-
lichen Verhältnisse der Dinge zu begreifen, in-
dem er sich vorher schon Begriffe von sicht-
baren Gegenständen bilden und diese mit dem,
was ihn der Sinn des Getastes lehrte, in Ue-
bereinstimmung bringen konnte. So war der
Fall bey dem siebenjährigen Knaben, den Ware
durch die Staaroperation sehend machte, nach-
dem derselbe seit seinem ersten Lebensjahr
zwar nicht die Umrisse, doch die Farben der
Gegenstände hatte unterscheiden können a).
Cheselden’s Knaben waren zwar auch bey
sehr starkem Lichte Farben erkennbar gewesen.
Er war aber ohne allen Zweifel weit blinder

und
z) Philos. Transact. Y. 1728. p. 447.
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[425/0443] Der völlig blind Gebohrne, der in spätern Jah- ren das Gesicht erhält, wird in den ersten Augenblicken des Sehens jene Verhältnisse als solche nicht zu erkennen im Stande seyn. Die- ses Unvermögen zeigte sich auch bey dem Knaben, der, ohne einen Begriff von sichtbaren Gegenständen zu haben, im dreyzehnten Jahre seines Alters durch Cheselden’s Kunst plötz- lich in die sichtbare Welt versetzt werde z). Ein vorhergegangenes, sehr unvollkommenes Sehen wird aber den, welcher zum völligen Gebrauch der Augen gelangt, schon fähig ge- macht haben können, in den ersten Augen- blicken des aufgeschlossenen Sinns die räum- lichen Verhältnisse der Dinge zu begreifen, in- dem er sich vorher schon Begriffe von sicht- baren Gegenständen bilden und diese mit dem, was ihn der Sinn des Getastes lehrte, in Ue- bereinstimmung bringen konnte. So war der Fall bey dem siebenjährigen Knaben, den Ware durch die Staaroperation sehend machte, nach- dem derselbe seit seinem ersten Lebensjahr zwar nicht die Umrisse, doch die Farben der Gegenstände hatte unterscheiden können a). Cheselden’s Knaben waren zwar auch bey sehr starkem Lichte Farben erkennbar gewesen. Er war aber ohne allen Zweifel weit blinder und z) Philos. Transact. Y. 1728. p. 447. a) Ebendas. Y. 1801. p. 382.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/443>, abgerufen am 25.11.2024.