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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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Mährchen! Unter den Raubthieren der beyden
höhern Thierclassen sind zwar manche durch
List und Schlauheit bekannt. Aber blos diese
Eigenschaften können nur Dem Kennzeichen ei-
ner höhern Intelligenz seyn, welchem Lebens-
klugheit das Höchste in der moralischen Welt
ist. Hingegen gehören in allen Thierclassen die-
jenigen Arten, die sich durch die kunstreich-
sten Werke auszeichnen, meist zu den Herbi-
voren. Ein System der Thiere nach ihren gei-
stigen Kräften ist also sehr verschieden von ei-
nem natürlichen, auf ihrem Körperbau begrün-
deten System. Daher ist es nicht ganz wahr,
was man gesagt hat, das Thier sey durchaus
mit seinem Leibe Eines und Dasselbe, so dass
Seyn und Bewusstseyn in ihm auf das voll-
kommenste in einander fallen, und man eher
von ihm sagen dürfe, sein Leib regiere die
Seele, als seine Seele den Leib x). Auch das
Thier besitzt gleich dem Menschen eine Kraft,
die selbstthätig und nicht durchaus abhängig
von der Organisation ist. "Auch im Thiere ist
Weissagung und nur eine höhere im Menschen".
So schrieb derselbe Weise, der den vorigen
Ausspruch that y), und er übersah, dass er

hiermit
x) Jacobi von den göttlichen Dingen und ihrer Of-
fenbarung. S. 163.
y) Ebendas. S. 18.

Mährchen! Unter den Raubthieren der beyden
höhern Thierclassen sind zwar manche durch
List und Schlauheit bekannt. Aber blos diese
Eigenschaften können nur Dem Kennzeichen ei-
ner höhern Intelligenz seyn, welchem Lebens-
klugheit das Höchste in der moralischen Welt
ist. Hingegen gehören in allen Thierclassen die-
jenigen Arten, die sich durch die kunstreich-
sten Werke auszeichnen, meist zu den Herbi-
voren. Ein System der Thiere nach ihren gei-
stigen Kräften ist also sehr verschieden von ei-
nem natürlichen, auf ihrem Körperbau begrün-
deten System. Daher ist es nicht ganz wahr,
was man gesagt hat, das Thier sey durchaus
mit seinem Leibe Eines und Dasselbe, so daſs
Seyn und Bewuſstseyn in ihm auf das voll-
kommenste in einander fallen, und man eher
von ihm sagen dürfe, sein Leib regiere die
Seele, als seine Seele den Leib x). Auch das
Thier besitzt gleich dem Menschen eine Kraft,
die selbstthätig und nicht durchaus abhängig
von der Organisation ist. “Auch im Thiere ist
Weissagung und nur eine höhere im Menschen”.
So schrieb derselbe Weise, der den vorigen
Ausspruch that y), und er übersah, daſs er

hiermit
x) Jacobi von den göttlichen Dingen und ihrer Of-
fenbarung. S. 163.
y) Ebendas. S. 18.
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[26/0038] Mährchen! Unter den Raubthieren der beyden höhern Thierclassen sind zwar manche durch List und Schlauheit bekannt. Aber blos diese Eigenschaften können nur Dem Kennzeichen ei- ner höhern Intelligenz seyn, welchem Lebens- klugheit das Höchste in der moralischen Welt ist. Hingegen gehören in allen Thierclassen die- jenigen Arten, die sich durch die kunstreich- sten Werke auszeichnen, meist zu den Herbi- voren. Ein System der Thiere nach ihren gei- stigen Kräften ist also sehr verschieden von ei- nem natürlichen, auf ihrem Körperbau begrün- deten System. Daher ist es nicht ganz wahr, was man gesagt hat, das Thier sey durchaus mit seinem Leibe Eines und Dasselbe, so daſs Seyn und Bewuſstseyn in ihm auf das voll- kommenste in einander fallen, und man eher von ihm sagen dürfe, sein Leib regiere die Seele, als seine Seele den Leib x). Auch das Thier besitzt gleich dem Menschen eine Kraft, die selbstthätig und nicht durchaus abhängig von der Organisation ist. “Auch im Thiere ist Weissagung und nur eine höhere im Menschen”. So schrieb derselbe Weise, der den vorigen Ausspruch that y), und er übersah, daſs er hiermit x) Jacobi von den göttlichen Dingen und ihrer Of- fenbarung. S. 163. y) Ebendas. S. 18.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/38>, abgerufen am 24.11.2024.