Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Unter den Individuen des Menschengeschlechts
giebt es eine unendliche Mannichfaltigkeit in
Betreff der Qualität sowohl, als des Grades der
geistigen Kräfte. Bey den Thieren unterschei-
den sich nur die Arten in der verschiedenen
Qualität dieser Kräfte; die Individuen einer und
derselben Art weichen blos in der Verschiedenheit
des Grades derselben von einander ab. Jene
Qualität ist aber auch bey jeder einzelnen Thier-
art weit beschränkter als beym Menschen. Jede
zeichnet sich nur durch Eine der Eigenschaften
aus, deren viele dem Menschen angehören. Dies
war es ohne Zweifel, was Aristoteles k) meinte,
wenn er sagt: die Thiere, deren Sitten wir
näher kennten, schienen eine gewisse, den ein-
zelnen Fähigkeiten der Seele entsprechende Kraft
zu besitzen, wie Klugheit, Einfalt, Muth, Feig-
heit, Sanftmuth, Bosheit u. dergl. Und hierin
liegt der Grund, warum der Mensch einer viel-
seitigen Bildung, das Thier nur einer einseitigen
Abrichtung fähig ist.

Bey den Thieren lässt sich jedoch nicht im-
mer bestimmen, welche Handlungen durch ein
Princip hervorgebracht werden, das sich seiner
Thätigkeit bewusst ist, und welche von dem
blossen Instinkt herrühren. Es hält daher schwer,
sie unter sich und mit dem Menschen in Be-

treff
k) A. a. O. L. IX. c. 1.

Unter den Individuen des Menschengeschlechts
giebt es eine unendliche Mannichfaltigkeit in
Betreff der Qualität sowohl, als des Grades der
geistigen Kräfte. Bey den Thieren unterschei-
den sich nur die Arten in der verschiedenen
Qualität dieser Kräfte; die Individuen einer und
derselben Art weichen blos in der Verschiedenheit
des Grades derselben von einander ab. Jene
Qualität ist aber auch bey jeder einzelnen Thier-
art weit beschränkter als beym Menschen. Jede
zeichnet sich nur durch Eine der Eigenschaften
aus, deren viele dem Menschen angehören. Dies
war es ohne Zweifel, was Aristoteles k) meinte,
wenn er sagt: die Thiere, deren Sitten wir
näher kennten, schienen eine gewisse, den ein-
zelnen Fähigkeiten der Seele entsprechende Kraft
zu besitzen, wie Klugheit, Einfalt, Muth, Feig-
heit, Sanftmuth, Bosheit u. dergl. Und hierin
liegt der Grund, warum der Mensch einer viel-
seitigen Bildung, das Thier nur einer einseitigen
Abrichtung fähig ist.

Bey den Thieren läſst sich jedoch nicht im-
mer bestimmen, welche Handlungen durch ein
Princip hervorgebracht werden, das sich seiner
Thätigkeit bewuſst ist, und welche von dem
bloſsen Instinkt herrühren. Es hält daher schwer,
sie unter sich und mit dem Menschen in Be-

treff
k) A. a. O. L. IX. c. 1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0024" n="12"/>
            <p>Unter den Individuen des Menschengeschlechts<lb/>
giebt es eine unendliche Mannichfaltigkeit in<lb/>
Betreff der Qualität sowohl, als des Grades der<lb/>
geistigen Kräfte. Bey den Thieren unterschei-<lb/>
den sich nur die Arten in der verschiedenen<lb/>
Qualität dieser Kräfte; die Individuen einer und<lb/>
derselben Art weichen blos in der Verschiedenheit<lb/>
des Grades derselben von einander ab. Jene<lb/>
Qualität ist aber auch bey jeder einzelnen Thier-<lb/>
art weit beschränkter als beym Menschen. Jede<lb/>
zeichnet sich nur durch Eine der Eigenschaften<lb/>
aus, deren viele dem Menschen angehören. Dies<lb/>
war es ohne Zweifel, was <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> <note place="foot" n="k)">A. a. O. L. IX. c. 1.</note> meinte,<lb/>
wenn er sagt: die Thiere, deren Sitten wir<lb/>
näher kennten, schienen eine gewisse, den ein-<lb/>
zelnen Fähigkeiten der Seele entsprechende Kraft<lb/>
zu besitzen, wie Klugheit, Einfalt, Muth, Feig-<lb/>
heit, Sanftmuth, Bosheit u. dergl. Und hierin<lb/>
liegt der Grund, warum der Mensch einer viel-<lb/>
seitigen Bildung, das Thier nur einer einseitigen<lb/>
Abrichtung fähig ist.</p><lb/>
            <p>Bey den Thieren lä&#x017F;st sich jedoch nicht im-<lb/>
mer bestimmen, welche Handlungen durch ein<lb/>
Princip hervorgebracht werden, das sich seiner<lb/>
Thätigkeit bewu&#x017F;st ist, und welche von dem<lb/>
blo&#x017F;sen Instinkt herrühren. Es hält daher schwer,<lb/>
sie unter sich und mit dem Menschen in Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">treff</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0024] Unter den Individuen des Menschengeschlechts giebt es eine unendliche Mannichfaltigkeit in Betreff der Qualität sowohl, als des Grades der geistigen Kräfte. Bey den Thieren unterschei- den sich nur die Arten in der verschiedenen Qualität dieser Kräfte; die Individuen einer und derselben Art weichen blos in der Verschiedenheit des Grades derselben von einander ab. Jene Qualität ist aber auch bey jeder einzelnen Thier- art weit beschränkter als beym Menschen. Jede zeichnet sich nur durch Eine der Eigenschaften aus, deren viele dem Menschen angehören. Dies war es ohne Zweifel, was Aristoteles k) meinte, wenn er sagt: die Thiere, deren Sitten wir näher kennten, schienen eine gewisse, den ein- zelnen Fähigkeiten der Seele entsprechende Kraft zu besitzen, wie Klugheit, Einfalt, Muth, Feig- heit, Sanftmuth, Bosheit u. dergl. Und hierin liegt der Grund, warum der Mensch einer viel- seitigen Bildung, das Thier nur einer einseitigen Abrichtung fähig ist. Bey den Thieren läſst sich jedoch nicht im- mer bestimmen, welche Handlungen durch ein Princip hervorgebracht werden, das sich seiner Thätigkeit bewuſst ist, und welche von dem bloſsen Instinkt herrühren. Es hält daher schwer, sie unter sich und mit dem Menschen in Be- treff k) A. a. O. L. IX. c. 1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/24
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/24>, abgerufen am 24.11.2024.