Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

"nicht vorhergesehene Erscheinung, z. B. durch
"einen abspringenden Feuerfunken, in Ohnmach-
"ten oder Zuckungen versetzt werden." Boer-
haave g) führt das Beyspiel eines Mannes an,
der zwar klein und mager, sonst aber gesund,
von Kindheit an der sympathetischen Reitzbarkeit
so sehr unterworfen war, dass er alle Bewegun-
gen Anderer wider seinen Willen nachahmte h).

Hierbey erstreckt sich zwar jene Sympathie
blos auf willkührliche Bewegungen, und darum
scheinen auf den ersten Anblick die Aeusserungen
derselben psychischen Ursprungs zu seyn. Allein
mit ihnen hat offenbar der Uebergang unwillkühr-
licher und mit Verlust des Bewusstseyns verbun-
dener Bewegungen auf Andere beym Anblick epi-
leptischer, cataleptischer und ähnlicher Zufälle
einerley Grund i). Die blosse Gesichtsempfindung
und der Schreck über das Uebel kann nicht den
Grund des Ausbruchs der nehmlichen Krankheit
bey dem sich Entsetzenden enthalten. Die Form

der
g) De morbis nervorum. p. 421 sq.
h) M. vergl. Tissot's Traite des nerfs. T. III. p. 303.
i) Das neueste Beyspiel ist das von Fritze in Hufe-
land's Journal der praktischen Heilk. (B. 12. St. 1.)
erzählte. Ein junges Mädchen wurde in der Berliner
Charite von Zuckungen befallen. Vierzehn anwe-
sende weibliche Personen, auf welche der Schreck
von diesem Anblick wirkte, bekamen ähnliche Zu-
fälle.

„nicht vorhergesehene Erscheinung, z. B. durch
„einen abspringenden Feuerfunken, in Ohnmach-
„ten oder Zuckungen versetzt werden.” Boer-
haave g) führt das Beyspiel eines Mannes an,
der zwar klein und mager, sonst aber gesund,
von Kindheit an der sympathetischen Reitzbarkeit
so sehr unterworfen war, daſs er alle Bewegun-
gen Anderer wider seinen Willen nachahmte h).

Hierbey erstreckt sich zwar jene Sympathie
blos auf willkührliche Bewegungen, und darum
scheinen auf den ersten Anblick die Aeuſserungen
derselben psychischen Ursprungs zu seyn. Allein
mit ihnen hat offenbar der Uebergang unwillkühr-
licher und mit Verlust des Bewuſstseyns verbun-
dener Bewegungen auf Andere beym Anblick epi-
leptischer, cataleptischer und ähnlicher Zufälle
einerley Grund i). Die bloſse Gesichtsempfindung
und der Schreck über das Uebel kann nicht den
Grund des Ausbruchs der nehmlichen Krankheit
bey dem sich Entsetzenden enthalten. Die Form

der
g) De morbis nervorum. p. 421 sq.
h) M. vergl. Tissot’s Traité des nerfs. T. III. p. 303.
i) Das neueste Beyspiel ist das von Fritze in Hufe-
land’s Journal der praktischen Heilk. (B. 12. St. 1.)
erzählte. Ein junges Mädchen wurde in der Berliner
Charité von Zuckungen befallen. Vierzehn anwe-
sende weibliche Personen, auf welche der Schreck
von diesem Anblick wirkte, bekamen ähnliche Zu-
fälle.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0470" n="458"/>
&#x201E;nicht vorhergesehene Erscheinung, z. B. durch<lb/>
&#x201E;einen abspringenden Feuerfunken, in Ohnmach-<lb/>
&#x201E;ten oder Zuckungen versetzt werden.&#x201D; <hi rendition="#k">Boer-<lb/>
haave</hi> <note place="foot" n="g)">De morbis nervorum. p. 421 sq.</note> führt das Beyspiel eines Mannes an,<lb/>
der zwar klein und mager, sonst aber gesund,<lb/>
von Kindheit an der sympathetischen Reitzbarkeit<lb/>
so sehr unterworfen war, da&#x017F;s er alle Bewegun-<lb/>
gen Anderer wider seinen Willen nachahmte <note place="foot" n="h)">M. vergl. <hi rendition="#k">Tissot</hi>&#x2019;s Traité des nerfs. T. III. p. 303.</note>.</p><lb/>
              <p>Hierbey erstreckt sich zwar jene Sympathie<lb/>
blos auf willkührliche Bewegungen, und darum<lb/>
scheinen auf den ersten Anblick die Aeu&#x017F;serungen<lb/>
derselben psychischen Ursprungs zu seyn. Allein<lb/>
mit ihnen hat offenbar der Uebergang unwillkühr-<lb/>
licher und mit Verlust des Bewu&#x017F;stseyns verbun-<lb/>
dener Bewegungen auf Andere beym Anblick epi-<lb/>
leptischer, cataleptischer und ähnlicher Zufälle<lb/>
einerley Grund <note place="foot" n="i)">Das neueste Beyspiel ist das von <hi rendition="#k">Fritze</hi> in <hi rendition="#k">Hufe-<lb/>
land</hi>&#x2019;s Journal der praktischen Heilk. (B. 12. St. 1.)<lb/>
erzählte. Ein junges Mädchen wurde in der Berliner<lb/>
Charité von Zuckungen befallen. Vierzehn anwe-<lb/>
sende weibliche Personen, auf welche der Schreck<lb/>
von diesem Anblick wirkte, bekamen ähnliche Zu-<lb/>
fälle.</note>. Die blo&#x017F;se Gesichtsempfindung<lb/>
und der Schreck über das Uebel kann nicht den<lb/>
Grund des Ausbruchs der nehmlichen Krankheit<lb/>
bey dem sich Entsetzenden enthalten. Die Form<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0470] „nicht vorhergesehene Erscheinung, z. B. durch „einen abspringenden Feuerfunken, in Ohnmach- „ten oder Zuckungen versetzt werden.” Boer- haave g) führt das Beyspiel eines Mannes an, der zwar klein und mager, sonst aber gesund, von Kindheit an der sympathetischen Reitzbarkeit so sehr unterworfen war, daſs er alle Bewegun- gen Anderer wider seinen Willen nachahmte h). Hierbey erstreckt sich zwar jene Sympathie blos auf willkührliche Bewegungen, und darum scheinen auf den ersten Anblick die Aeuſserungen derselben psychischen Ursprungs zu seyn. Allein mit ihnen hat offenbar der Uebergang unwillkühr- licher und mit Verlust des Bewuſstseyns verbun- dener Bewegungen auf Andere beym Anblick epi- leptischer, cataleptischer und ähnlicher Zufälle einerley Grund i). Die bloſse Gesichtsempfindung und der Schreck über das Uebel kann nicht den Grund des Ausbruchs der nehmlichen Krankheit bey dem sich Entsetzenden enthalten. Die Form der g) De morbis nervorum. p. 421 sq. h) M. vergl. Tissot’s Traité des nerfs. T. III. p. 303. i) Das neueste Beyspiel ist das von Fritze in Hufe- land’s Journal der praktischen Heilk. (B. 12. St. 1.) erzählte. Ein junges Mädchen wurde in der Berliner Charité von Zuckungen befallen. Vierzehn anwe- sende weibliche Personen, auf welche der Schreck von diesem Anblick wirkte, bekamen ähnliche Zu- fälle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/470
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/470>, abgerufen am 27.11.2024.