5. Die Pflanze ist ganz abhängig, das Thier ganz unabhängig bey der Ernährung von dem Einfluss des Lichts. Woher diese Verschiedenheit bey Organismen, wobey es nicht einen völligen Gegensatz in der Ernährungsweise giebt, als da- her, dass der thierische Körper eine Kraft be- sitzt, die eben so den Ernährungsprocess bey ihm von innen regelt, wie er bey der Pflanze durch einen äussern Einfluss geleitet wird? Und wel- ches andere organische System kann bey jenem der Sitz dieser Kraft seyn, als das einzige, wel- ches das Thier vor der Pflanze voraus hat, das Nervensystem?
Bey allen diesen Gründen ist es zu erwar- ten, dass sich hier, wie in jedem Theil der Bio- logie, Umstände finden werden, die auf den er- sten Anblick mit Sätzen, welche von andern Sei- ten noch so fest begründet sind, unvereinbar zu seyn scheinen. In der That sind von Bichati) Gründe aufgestellt worden, aus welchen er schloss, dass die Nerven keine wesentliche Funktion bey der Haargefässcirculation, der Aushauchung und Einsaugung, der Absonderung, kurz bey den sämmtlichen Ernährungsprocessen haben. Alles, was er zum Beweise seiner Meinung vorgebracht hat, lässt sich indess auf folgende Sätze zurück-
füh-
i) A. a. O. Th. 1. Abth. 1. S. 253 fg. Th. 2. Abth. [1]. S. 134 fg.
5. Die Pflanze ist ganz abhängig, das Thier ganz unabhängig bey der Ernährung von dem Einfluſs des Lichts. Woher diese Verschiedenheit bey Organismen, wobey es nicht einen völligen Gegensatz in der Ernährungsweise giebt, als da- her, daſs der thierische Körper eine Kraft be- sitzt, die eben so den Ernährungsproceſs bey ihm von innen regelt, wie er bey der Pflanze durch einen äuſsern Einfluſs geleitet wird? Und wel- ches andere organische System kann bey jenem der Sitz dieser Kraft seyn, als das einzige, wel- ches das Thier vor der Pflanze voraus hat, das Nervensystem?
Bey allen diesen Gründen ist es zu erwar- ten, daſs sich hier, wie in jedem Theil der Bio- logie, Umstände finden werden, die auf den er- sten Anblick mit Sätzen, welche von andern Sei- ten noch so fest begründet sind, unvereinbar zu seyn scheinen. In der That sind von Bichati) Gründe aufgestellt worden, aus welchen er schloſs, daſs die Nerven keine wesentliche Funktion bey der Haargefäſscirculation, der Aushauchung und Einsaugung, der Absonderung, kurz bey den sämmtlichen Ernährungsprocessen haben. Alles, was er zum Beweise seiner Meinung vorgebracht hat, läſst sich indeſs auf folgende Sätze zurück-
füh-
i) A. a. O. Th. 1. Abth. 1. S. 253 fg. Th. 2. Abth. [1]. S. 134 fg.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0423"n="411"/><p>5. Die Pflanze ist ganz abhängig, das Thier<lb/>
ganz unabhängig bey der Ernährung von dem<lb/>
Einfluſs des Lichts. Woher diese Verschiedenheit<lb/>
bey Organismen, wobey es nicht einen völligen<lb/>
Gegensatz in der Ernährungsweise giebt, als da-<lb/>
her, daſs der thierische Körper eine Kraft be-<lb/>
sitzt, die eben so den Ernährungsproceſs bey ihm<lb/>
von innen regelt, wie er bey der Pflanze durch<lb/>
einen äuſsern Einfluſs geleitet wird? Und wel-<lb/>
ches andere organische System kann bey jenem<lb/>
der Sitz dieser Kraft seyn, als das einzige, wel-<lb/>
ches das Thier vor der Pflanze voraus hat, das<lb/>
Nervensystem?</p><lb/><p>Bey allen diesen Gründen ist es zu erwar-<lb/>
ten, daſs sich hier, wie in jedem Theil der Bio-<lb/>
logie, Umstände finden werden, die auf den er-<lb/>
sten Anblick mit Sätzen, welche von andern Sei-<lb/>
ten noch so fest begründet sind, unvereinbar zu<lb/>
seyn scheinen. In der That sind von <hirendition="#k">Bichat</hi><noteplace="foot"n="i)">A. a. O. Th. 1. Abth. 1. S. 253 fg. Th. 2. Abth. <supplied>1</supplied>.<lb/>
S. 134 fg.</note><lb/>
Gründe aufgestellt worden, aus welchen er schloſs,<lb/>
daſs die Nerven keine wesentliche Funktion bey<lb/>
der Haargefäſscirculation, der Aushauchung und<lb/>
Einsaugung, der Absonderung, kurz bey den<lb/>
sämmtlichen Ernährungsprocessen haben. Alles,<lb/>
was er zum Beweise seiner Meinung vorgebracht<lb/>
hat, läſst sich indeſs auf folgende Sätze zurück-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">füh-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[411/0423]
5. Die Pflanze ist ganz abhängig, das Thier
ganz unabhängig bey der Ernährung von dem
Einfluſs des Lichts. Woher diese Verschiedenheit
bey Organismen, wobey es nicht einen völligen
Gegensatz in der Ernährungsweise giebt, als da-
her, daſs der thierische Körper eine Kraft be-
sitzt, die eben so den Ernährungsproceſs bey ihm
von innen regelt, wie er bey der Pflanze durch
einen äuſsern Einfluſs geleitet wird? Und wel-
ches andere organische System kann bey jenem
der Sitz dieser Kraft seyn, als das einzige, wel-
ches das Thier vor der Pflanze voraus hat, das
Nervensystem?
Bey allen diesen Gründen ist es zu erwar-
ten, daſs sich hier, wie in jedem Theil der Bio-
logie, Umstände finden werden, die auf den er-
sten Anblick mit Sätzen, welche von andern Sei-
ten noch so fest begründet sind, unvereinbar zu
seyn scheinen. In der That sind von Bichat i)
Gründe aufgestellt worden, aus welchen er schloſs,
daſs die Nerven keine wesentliche Funktion bey
der Haargefäſscirculation, der Aushauchung und
Einsaugung, der Absonderung, kurz bey den
sämmtlichen Ernährungsprocessen haben. Alles,
was er zum Beweise seiner Meinung vorgebracht
hat, läſst sich indeſs auf folgende Sätze zurück-
füh-
i) A. a. O. Th. 1. Abth. 1. S. 253 fg. Th. 2. Abth. 1.
S. 134 fg.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/423>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.