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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

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einige mehr auf das Gehirn, andere mehr auf
das Rückenmark oder den Intercostalnerven. Jene
heben zuerst die Lungenthätigkeit, diese die Be-
wegung des Bluts auf. Ohne Zweifel hat jede
kräftige Arzney eine specifische Nebenwirkung.
Viele sind darum wohlthätig in gewissen Krank-
heiten, weil sie diesen ähnliche, specifische Zu-
fälle verursachen. Aber wo sie auf solche Art
heilbringend sind, betrifft die Aehnlichkeit ihrer
Wirkungen mit den Symptomen gewisser Krank-
heiten nur die Form; dem Wesen nach stehen
sie den letztern gerade entgegen. Jene Analogie,
die Hahnemann zur Grundlage der Heilkunst
machen wollte, kann daher den Arzt nicht lei-
ten, so lange er die Krankheiten und die Wir-
kungen der Arzneyen blos der Form und nicht
dem Wesen nach kennt.

6. Es giebt für jeden thierischen Organismus
einen bestimmten Grad der Nerventhätigkeit, wel-
cher nicht fortdauern kann, ohne von Zwischen-
räumen der Ruhe unterbrochen zu werden. Die
vornehmste dieser Intermissionen ist der Schlaf.
Es findet aber in demselben nicht gänzliches Auf-
hören aller Nervenwirkungen, sondern blos Ruhe
des Empfindungs- und Bewegungsvermögens statt.
Diejenige Thätigkeit der Nerven, welche der Er-
nährung und den von der Ernährung abhängen-
den Processen vorsteht, ist, wie wir in der

Fol-

einige mehr auf das Gehirn, andere mehr auf
das Rückenmark oder den Intercostalnerven. Jene
heben zuerst die Lungenthätigkeit, diese die Be-
wegung des Bluts auf. Ohne Zweifel hat jede
kräftige Arzney eine specifische Nebenwirkung.
Viele sind darum wohlthätig in gewissen Krank-
heiten, weil sie diesen ähnliche, specifische Zu-
fälle verursachen. Aber wo sie auf solche Art
heilbringend sind, betrifft die Aehnlichkeit ihrer
Wirkungen mit den Symptomen gewisser Krank-
heiten nur die Form; dem Wesen nach stehen
sie den letztern gerade entgegen. Jene Analogie,
die Hahnemann zur Grundlage der Heilkunst
machen wollte, kann daher den Arzt nicht lei-
ten, so lange er die Krankheiten und die Wir-
kungen der Arzneyen blos der Form und nicht
dem Wesen nach kennt.

6. Es giebt für jeden thierischen Organismus
einen bestimmten Grad der Nerventhätigkeit, wel-
cher nicht fortdauern kann, ohne von Zwischen-
räumen der Ruhe unterbrochen zu werden. Die
vornehmste dieser Intermissionen ist der Schlaf.
Es findet aber in demselben nicht gänzliches Auf-
hören aller Nervenwirkungen, sondern blos Ruhe
des Empfindungs- und Bewegungsvermögens statt.
Diejenige Thätigkeit der Nerven, welche der Er-
nährung und den von der Ernährung abhängen-
den Processen vorsteht, ist, wie wir in der

Fol-
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[400/0412] einige mehr auf das Gehirn, andere mehr auf das Rückenmark oder den Intercostalnerven. Jene heben zuerst die Lungenthätigkeit, diese die Be- wegung des Bluts auf. Ohne Zweifel hat jede kräftige Arzney eine specifische Nebenwirkung. Viele sind darum wohlthätig in gewissen Krank- heiten, weil sie diesen ähnliche, specifische Zu- fälle verursachen. Aber wo sie auf solche Art heilbringend sind, betrifft die Aehnlichkeit ihrer Wirkungen mit den Symptomen gewisser Krank- heiten nur die Form; dem Wesen nach stehen sie den letztern gerade entgegen. Jene Analogie, die Hahnemann zur Grundlage der Heilkunst machen wollte, kann daher den Arzt nicht lei- ten, so lange er die Krankheiten und die Wir- kungen der Arzneyen blos der Form und nicht dem Wesen nach kennt. 6. Es giebt für jeden thierischen Organismus einen bestimmten Grad der Nerventhätigkeit, wel- cher nicht fortdauern kann, ohne von Zwischen- räumen der Ruhe unterbrochen zu werden. Die vornehmste dieser Intermissionen ist der Schlaf. Es findet aber in demselben nicht gänzliches Auf- hören aller Nervenwirkungen, sondern blos Ruhe des Empfindungs- und Bewegungsvermögens statt. Diejenige Thätigkeit der Nerven, welche der Er- nährung und den von der Ernährung abhängen- den Processen vorsteht, ist, wie wir in der Fol-

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/412>, abgerufen am 24.11.2024.