Für die Hypothese von dem Abfliessen des Safts durch die Rinde giebt es aber keinen erheb- lichen Grund, als die Erfahrung, dass wenn rings um den Stamm oder den Ast eines Baums ein Streifen Rinde weggenommen ist, sich mehr Saft aus dem obern, als aus dem untern Rande der Wunde ergiesst, und der Baum über dem Schnitt anschwillt, unter demselben aber nicht zunimmt c). Gegen diesen Beweis gilt, was schon oben gegen die Meinung von der Bewegung des Safts durch die Rinde im Allgemeinen erin- nert ist. Nach meinen Erfahrungen findet aber auch jener Erfolg keinesweges in allen Fällen statt, wenn man, statt die Rinde auszuschneiden, sie unterbindet. Ich liess vor einigen Jahren um neu gepflanzte Obstbäume meines Gartens Eisen- dräthe, woran Bleche mit den Namen der Bäume hingen, theils unter dem Anfang der Krone, theils an dem untern Ende eines Hauptasts legen. An sieben Stämmen, die aus Pflaumen, Kirschen, Aepfeln und Birnen bestanden, wurden die Drä- the beym Wachsen der Bäume nicht genug er- weitert. Im folgenden Jahr waren sie schon so
weit
c)Cotta's Naturbeobachtungen über die Bewegung u. Funktion des Safts in den Pflanzen. Weimar 1806. S. 14. -- Link's Grundlehren der Anat. u. Physiol. der Pfl. S. 85. -- Dessen Nachträge zu den Grund- lehren. H. 1. S. 21.
IV. Bd. E
Für die Hypothese von dem Abflieſsen des Safts durch die Rinde giebt es aber keinen erheb- lichen Grund, als die Erfahrung, daſs wenn rings um den Stamm oder den Ast eines Baums ein Streifen Rinde weggenommen ist, sich mehr Saft aus dem obern, als aus dem untern Rande der Wunde ergieſst, und der Baum über dem Schnitt anschwillt, unter demselben aber nicht zunimmt c). Gegen diesen Beweis gilt, was schon oben gegen die Meinung von der Bewegung des Safts durch die Rinde im Allgemeinen erin- nert ist. Nach meinen Erfahrungen findet aber auch jener Erfolg keinesweges in allen Fällen statt, wenn man, statt die Rinde auszuschneiden, sie unterbindet. Ich lieſs vor einigen Jahren um neu gepflanzte Obstbäume meines Gartens Eisen- dräthe, woran Bleche mit den Namen der Bäume hingen, theils unter dem Anfang der Krone, theils an dem untern Ende eines Hauptasts legen. An sieben Stämmen, die aus Pflaumen, Kirschen, Aepfeln und Birnen bestanden, wurden die Drä- the beym Wachsen der Bäume nicht genug er- weitert. Im folgenden Jahr waren sie schon so
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c)Cotta’s Naturbeobachtungen über die Bewegung u. Funktion des Safts in den Pflanzen. Weimar 1806. S. 14. — Link’s Grundlehren der Anat. u. Physiol. der Pfl. S. 85. — Dessen Nachträge zu den Grund- lehren. H. 1. S. 21.
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Für die Hypothese von dem Abflieſsen des
Safts durch die Rinde giebt es aber keinen erheb-
lichen Grund, als die Erfahrung, daſs wenn rings
um den Stamm oder den Ast eines Baums ein
Streifen Rinde weggenommen ist, sich mehr
Saft aus dem obern, als aus dem untern Rande
der Wunde ergieſst, und der Baum über dem
Schnitt anschwillt, unter demselben aber nicht
zunimmt c). Gegen diesen Beweis gilt, was
schon oben gegen die Meinung von der Bewegung
des Safts durch die Rinde im Allgemeinen erin-
nert ist. Nach meinen Erfahrungen findet aber
auch jener Erfolg keinesweges in allen Fällen
statt, wenn man, statt die Rinde auszuschneiden,
sie unterbindet. Ich lieſs vor einigen Jahren um
neu gepflanzte Obstbäume meines Gartens Eisen-
dräthe, woran Bleche mit den Namen der Bäume
hingen, theils unter dem Anfang der Krone, theils
an dem untern Ende eines Hauptasts legen. An
sieben Stämmen, die aus Pflaumen, Kirschen,
Aepfeln und Birnen bestanden, wurden die Drä-
the beym Wachsen der Bäume nicht genug er-
weitert. Im folgenden Jahr waren sie schon so
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c) Cotta’s Naturbeobachtungen über die Bewegung
u. Funktion des Safts in den Pflanzen. Weimar 1806.
S. 14. — Link’s Grundlehren der Anat. u. Physiol.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/81>, abgerufen am 22.11.2024.
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