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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814.

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den, in dem Darmcanal aber schon aufgelöst und
dem thierischen Körper verähnlicht seyn müssen,
wenn jene Thiere sich blos von demselben nährten.

Bey allem dem ist es sehr wohl möglich,
dass eine gewisse Quantität mineralischer Mate-
rie dem thierischen Körper zur Nahrung dienen
kann. Wenigstens aufzulösen vermag dieser selbst
die härtesten Steine. Nach einer von Blumen-
bach
z) angeführten Beobachtung F. Plater's
war ein Onyx, den eine Henne verschluckt hatte,
nach vier Tagen um den vierten Theil kleiner ge-
worden. Dass einige Völker ihren Hunger mit Mi-
neralien stillen, lässt sich auch nicht wohl erklä-
ren, wenn man nicht etwas Nährendes in diesen
Substanzen annimmt. La Billardiere's und
Vauquelin's Behauptung, jene Steinarten dienten
blos, um das Gefühl des Hungers durch Füllung
des Magens abzustumpfen, ist deswegen nicht
wahrscheinlich, weil blosse Ausdehnung des Ma-
gens den Hunger nicht zu betäuben vermag.
Dieser ist nicht blosse Empfindung von Leerheit
des Magens, sondern ein Gefühl des Bedürfnisses
zum Ersatz der Kräfte. Nur excitirende und nar-
kotische Mittel können dieses Gefühl auf einige
Zeit unterdrücken, nicht aber Dinge, die den
Magen blos auf eine mechanische Art anfüllen.

§. 3.
z) Handb. der vergl. Anat. S. 149.

den, in dem Darmcanal aber schon aufgelöst und
dem thierischen Körper verähnlicht seyn müssen,
wenn jene Thiere sich blos von demselben nährten.

Bey allem dem ist es sehr wohl möglich,
daſs eine gewisse Quantität mineralischer Mate-
rie dem thierischen Körper zur Nahrung dienen
kann. Wenigstens aufzulösen vermag dieser selbst
die härtesten Steine. Nach einer von Blumen-
bach
z) angeführten Beobachtung F. Plater’s
war ein Onyx, den eine Henne verschluckt hatte,
nach vier Tagen um den vierten Theil kleiner ge-
worden. Daſs einige Völker ihren Hunger mit Mi-
neralien stillen, läſst sich auch nicht wohl erklä-
ren, wenn man nicht etwas Nährendes in diesen
Substanzen annimmt. La Billardiere’s und
Vauquelin’s Behauptung, jene Steinarten dienten
blos, um das Gefühl des Hungers durch Füllung
des Magens abzustumpfen, ist deswegen nicht
wahrscheinlich, weil bloſse Ausdehnung des Ma-
gens den Hunger nicht zu betäuben vermag.
Dieser ist nicht bloſse Empfindung von Leerheit
des Magens, sondern ein Gefühl des Bedürfnisses
zum Ersatz der Kräfte. Nur excitirende und nar-
kotische Mittel können dieses Gefühl auf einige
Zeit unterdrücken, nicht aber Dinge, die den
Magen blos auf eine mechanische Art anfüllen.

§. 3.
z) Handb. der vergl. Anat. S. 149.
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[287/0303] den, in dem Darmcanal aber schon aufgelöst und dem thierischen Körper verähnlicht seyn müssen, wenn jene Thiere sich blos von demselben nährten. Bey allem dem ist es sehr wohl möglich, daſs eine gewisse Quantität mineralischer Mate- rie dem thierischen Körper zur Nahrung dienen kann. Wenigstens aufzulösen vermag dieser selbst die härtesten Steine. Nach einer von Blumen- bach z) angeführten Beobachtung F. Plater’s war ein Onyx, den eine Henne verschluckt hatte, nach vier Tagen um den vierten Theil kleiner ge- worden. Daſs einige Völker ihren Hunger mit Mi- neralien stillen, läſst sich auch nicht wohl erklä- ren, wenn man nicht etwas Nährendes in diesen Substanzen annimmt. La Billardiere’s und Vauquelin’s Behauptung, jene Steinarten dienten blos, um das Gefühl des Hungers durch Füllung des Magens abzustumpfen, ist deswegen nicht wahrscheinlich, weil bloſse Ausdehnung des Ma- gens den Hunger nicht zu betäuben vermag. Dieser ist nicht bloſse Empfindung von Leerheit des Magens, sondern ein Gefühl des Bedürfnisses zum Ersatz der Kräfte. Nur excitirende und nar- kotische Mittel können dieses Gefühl auf einige Zeit unterdrücken, nicht aber Dinge, die den Magen blos auf eine mechanische Art anfüllen. §. 3. z) Handb. der vergl. Anat. S. 149.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/303>, abgerufen am 27.07.2024.