Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

so kraftvoll wie vorher herum. Am folgenden
Tage waren keine Zeichen von Uebelbefinden,
und noch weniger von Lähmung an ihr zu be-
merken. Ich wiederholte jetzt den Versuch; aber
der Erfolg blieb derselbe. Endlich bestrich ich
alle Stigmate mit Oel. In der ersten halben Stun-
de schien die Raupe nicht zu leiden; nach an-
derthalb Stunden aber war sie ohne Zeichen von
Leben. -- Eben so wenig zeigten sich an einem
Gryllus viridissimus, dem ich die Bruststigmate
mit Oel bestrichen hatte, Spuren von Lähmung
der vordern Extremitäten. Das Thier schien über-
haupt in der ersten Stunde wenig von dem Be-
streichen zu leiden. Das Oel floss aber nach und
nach am Hinterleibe herab, und bedeckte die
Bauchstigmate. Jetzt trat freylich Schwäche und
endlich der Tod ein, doch weit langsamer, als
ich bey diesem Insekt, das unter Wasser sehr
bald stirbt, erwartet hätte. -- Ich vermuthe, dass
man für Lähmung ansah, was blos Folge des
Anklebens der mit dem abgeflossenen Oel bedeck-
ten Gliedmassen war. -- Wie ist es auch zu
glauben, dass bey den Insekten der gehemmte
Zugang des atmosphärischen Sauerstoffs zu ein-
zelnen Theilen so leicht Lähmung in diesen be-
wirken sollte, da schon bey den Amphibien Un-
terbindung der Arterien eines Gliedes nicht, wie
bey den Säugthieren, das Bewegungsvermögen
desselben aufhebt?

Die

so kraftvoll wie vorher herum. Am folgenden
Tage waren keine Zeichen von Uebelbefinden,
und noch weniger von Lähmung an ihr zu be-
merken. Ich wiederholte jetzt den Versuch; aber
der Erfolg blieb derselbe. Endlich bestrich ich
alle Stigmate mit Oel. In der ersten halben Stun-
de schien die Raupe nicht zu leiden; nach an-
derthalb Stunden aber war sie ohne Zeichen von
Leben. — Eben so wenig zeigten sich an einem
Gryllus viridissimus, dem ich die Bruststigmate
mit Oel bestrichen hatte, Spuren von Lähmung
der vordern Extremitäten. Das Thier schien über-
haupt in der ersten Stunde wenig von dem Be-
streichen zu leiden. Das Oel floſs aber nach und
nach am Hinterleibe herab, und bedeckte die
Bauchstigmate. Jetzt trat freylich Schwäche und
endlich der Tod ein, doch weit langsamer, als
ich bey diesem Insekt, das unter Wasser sehr
bald stirbt, erwartet hätte. — Ich vermuthe, daſs
man für Lähmung ansah, was blos Folge des
Anklebens der mit dem abgeflossenen Oel bedeck-
ten Gliedmaſsen war. — Wie ist es auch zu
glauben, daſs bey den Insekten der gehemmte
Zugang des atmosphärischen Sauerstoffs zu ein-
zelnen Theilen so leicht Lähmung in diesen be-
wirken sollte, da schon bey den Amphibien Un-
terbindung der Arterien eines Gliedes nicht, wie
bey den Säugthieren, das Bewegungsvermögen
desselben aufhebt?

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0171" n="155"/>
so kraftvoll wie vorher herum. Am folgenden<lb/>
Tage waren keine Zeichen von Uebelbefinden,<lb/>
und noch weniger von Lähmung an ihr zu be-<lb/>
merken. Ich wiederholte jetzt den Versuch; aber<lb/>
der Erfolg blieb derselbe. Endlich bestrich ich<lb/>
alle Stigmate mit Oel. In der ersten halben Stun-<lb/>
de schien die Raupe nicht zu leiden; nach an-<lb/>
derthalb Stunden aber war sie ohne Zeichen von<lb/>
Leben. &#x2014; Eben so wenig zeigten sich an einem<lb/>
Gryllus viridissimus, dem ich die Bruststigmate<lb/>
mit Oel bestrichen hatte, Spuren von Lähmung<lb/>
der vordern Extremitäten. Das Thier schien über-<lb/>
haupt in der ersten Stunde wenig von dem Be-<lb/>
streichen zu leiden. Das Oel flo&#x017F;s aber nach und<lb/>
nach am Hinterleibe herab, und bedeckte die<lb/>
Bauchstigmate. Jetzt trat freylich Schwäche und<lb/>
endlich der Tod ein, doch weit langsamer, als<lb/>
ich bey diesem Insekt, das unter Wasser sehr<lb/>
bald stirbt, erwartet hätte. &#x2014; Ich vermuthe, da&#x017F;s<lb/>
man für Lähmung ansah, was blos Folge des<lb/>
Anklebens der mit dem abgeflossenen Oel bedeck-<lb/>
ten Gliedma&#x017F;sen war. &#x2014; Wie ist es auch zu<lb/>
glauben, da&#x017F;s bey den Insekten der gehemmte<lb/>
Zugang des atmosphärischen Sauerstoffs zu ein-<lb/>
zelnen Theilen so leicht Lähmung in diesen be-<lb/>
wirken sollte, da schon bey den Amphibien Un-<lb/>
terbindung der Arterien eines Gliedes nicht, wie<lb/>
bey den Säugthieren, das Bewegungsvermögen<lb/>
desselben aufhebt?</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0171] so kraftvoll wie vorher herum. Am folgenden Tage waren keine Zeichen von Uebelbefinden, und noch weniger von Lähmung an ihr zu be- merken. Ich wiederholte jetzt den Versuch; aber der Erfolg blieb derselbe. Endlich bestrich ich alle Stigmate mit Oel. In der ersten halben Stun- de schien die Raupe nicht zu leiden; nach an- derthalb Stunden aber war sie ohne Zeichen von Leben. — Eben so wenig zeigten sich an einem Gryllus viridissimus, dem ich die Bruststigmate mit Oel bestrichen hatte, Spuren von Lähmung der vordern Extremitäten. Das Thier schien über- haupt in der ersten Stunde wenig von dem Be- streichen zu leiden. Das Oel floſs aber nach und nach am Hinterleibe herab, und bedeckte die Bauchstigmate. Jetzt trat freylich Schwäche und endlich der Tod ein, doch weit langsamer, als ich bey diesem Insekt, das unter Wasser sehr bald stirbt, erwartet hätte. — Ich vermuthe, daſs man für Lähmung ansah, was blos Folge des Anklebens der mit dem abgeflossenen Oel bedeck- ten Gliedmaſsen war. — Wie ist es auch zu glauben, daſs bey den Insekten der gehemmte Zugang des atmosphärischen Sauerstoffs zu ein- zelnen Theilen so leicht Lähmung in diesen be- wirken sollte, da schon bey den Amphibien Un- terbindung der Arterien eines Gliedes nicht, wie bey den Säugthieren, das Bewegungsvermögen desselben aufhebt? Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/171
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/171>, abgerufen am 28.11.2024.