lich ist, wird jeder eingestehen müssen, der er- wägt, dass der weibliche Zeugungsstoff derjeni- gen Thiere, bey welchen die Befruchtung aus- serhalb dem Körper der Mutter geschieht, schon vor der Begattung in der Gestalt von Eyern vor- handen, hingegen bey den Säugthieren vor der Empfängniss eine blosse Flüssigkeit ist. Dort besitzt also jener Stoff das Vermögen, sich ohne Hülfe der Begattung bis auf einen gewissen Grad zu organisiren, hier aber bleibt derselbe ohne den Einfluss des männlichen Zeugungsstoffs eine ganz unorganische Masse. Und woher diese Ver- schiedenheit? Ohne Zweifel rührt sie von der- selben Ursache her, vermöge welcher die Thiere der niedern Classen im Stande, die Säugthiere aber ausser Stande sind, durch eine einzige Paa- rung auf mehr als Eine Geburt fruchtbar zu wer- den. Möglich ist es, dass bey den niedern Thierclassen die Befruchtung nicht sowohl zur Belebung der schon vorhandenen Eyer, die sich vielleicht auch ohnehin entwickeln würden, als vielmehr dazu dienet, um diejenigen dieser Eyer, welche weiblichen Geschlechts sind, tüchtig zu machen, in der Folge selber wieder fruchtbare Eyer zu erzeugen. Aus diesem Gesichtspunkte wäre dann auch die Hypothese, dass bey den Blattläusen und andern Insekten die befruchten- de Wirkung einer einzigen Begattung sich bis auf Enkelinnen, Urenkelinnen und noch spätere Gene-
ratio-
lich ist, wird jeder eingestehen müssen, der er- wägt, daſs der weibliche Zeugungsstoff derjeni- gen Thiere, bey welchen die Befruchtung aus- serhalb dem Körper der Mutter geschieht, schon vor der Begattung in der Gestalt von Eyern vor- handen, hingegen bey den Säugthieren vor der Empfängniſs eine bloſse Flüssigkeit ist. Dort besitzt also jener Stoff das Vermögen, sich ohne Hülfe der Begattung bis auf einen gewissen Grad zu organisiren, hier aber bleibt derselbe ohne den Einfluſs des männlichen Zeugungsstoffs eine ganz unorganische Masse. Und woher diese Ver- schiedenheit? Ohne Zweifel rührt sie von der- selben Ursache her, vermöge welcher die Thiere der niedern Classen im Stande, die Säugthiere aber ausser Stande sind, durch eine einzige Paa- rung auf mehr als Eine Geburt fruchtbar zu wer- den. Möglich ist es, daſs bey den niedern Thierclassen die Befruchtung nicht sowohl zur Belebung der schon vorhandenen Eyer, die sich vielleicht auch ohnehin entwickeln würden, als vielmehr dazu dienet, um diejenigen dieser Eyer, welche weiblichen Geschlechts sind, tüchtig zu machen, in der Folge selber wieder fruchtbare Eyer zu erzeugen. Aus diesem Gesichtspunkte wäre dann auch die Hypothese, daſs bey den Blattläusen und andern Insekten die befruchten- de Wirkung einer einzigen Begattung sich bis auf Enkelinnen, Urenkelinnen und noch spätere Gene-
ratio-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0420"n="410"/>
lich ist, wird jeder eingestehen müssen, der er-<lb/>
wägt, daſs der weibliche Zeugungsstoff derjeni-<lb/>
gen Thiere, bey welchen die Befruchtung aus-<lb/>
serhalb dem Körper der Mutter geschieht, schon<lb/>
vor der Begattung in der Gestalt von Eyern vor-<lb/>
handen, hingegen bey den Säugthieren vor der<lb/>
Empfängniſs eine bloſse Flüssigkeit ist. Dort<lb/>
besitzt also jener Stoff das Vermögen, sich ohne<lb/>
Hülfe der Begattung bis auf einen gewissen Grad<lb/>
zu organisiren, hier aber bleibt derselbe ohne<lb/>
den Einfluſs des männlichen Zeugungsstoffs eine<lb/>
ganz unorganische Masse. Und woher diese Ver-<lb/>
schiedenheit? Ohne Zweifel rührt sie von der-<lb/>
selben Ursache her, vermöge welcher die Thiere<lb/>
der niedern Classen im Stande, die Säugthiere<lb/>
aber ausser Stande sind, durch eine einzige Paa-<lb/>
rung auf mehr als Eine Geburt fruchtbar zu wer-<lb/>
den. Möglich ist es, daſs bey den niedern<lb/>
Thierclassen die Befruchtung nicht sowohl zur<lb/>
Belebung der schon vorhandenen Eyer, die sich<lb/>
vielleicht auch ohnehin entwickeln würden, als<lb/>
vielmehr dazu dienet, um diejenigen dieser Eyer,<lb/>
welche weiblichen Geschlechts sind, tüchtig zu<lb/>
machen, in der Folge selber wieder fruchtbare<lb/>
Eyer zu erzeugen. Aus diesem Gesichtspunkte<lb/>
wäre dann auch die Hypothese, daſs bey den<lb/>
Blattläusen und andern Insekten die befruchten-<lb/>
de Wirkung einer einzigen Begattung sich bis auf<lb/>
Enkelinnen, Urenkelinnen und noch spätere Gene-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ratio-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[410/0420]
lich ist, wird jeder eingestehen müssen, der er-
wägt, daſs der weibliche Zeugungsstoff derjeni-
gen Thiere, bey welchen die Befruchtung aus-
serhalb dem Körper der Mutter geschieht, schon
vor der Begattung in der Gestalt von Eyern vor-
handen, hingegen bey den Säugthieren vor der
Empfängniſs eine bloſse Flüssigkeit ist. Dort
besitzt also jener Stoff das Vermögen, sich ohne
Hülfe der Begattung bis auf einen gewissen Grad
zu organisiren, hier aber bleibt derselbe ohne
den Einfluſs des männlichen Zeugungsstoffs eine
ganz unorganische Masse. Und woher diese Ver-
schiedenheit? Ohne Zweifel rührt sie von der-
selben Ursache her, vermöge welcher die Thiere
der niedern Classen im Stande, die Säugthiere
aber ausser Stande sind, durch eine einzige Paa-
rung auf mehr als Eine Geburt fruchtbar zu wer-
den. Möglich ist es, daſs bey den niedern
Thierclassen die Befruchtung nicht sowohl zur
Belebung der schon vorhandenen Eyer, die sich
vielleicht auch ohnehin entwickeln würden, als
vielmehr dazu dienet, um diejenigen dieser Eyer,
welche weiblichen Geschlechts sind, tüchtig zu
machen, in der Folge selber wieder fruchtbare
Eyer zu erzeugen. Aus diesem Gesichtspunkte
wäre dann auch die Hypothese, daſs bey den
Blattläusen und andern Insekten die befruchten-
de Wirkung einer einzigen Begattung sich bis auf
Enkelinnen, Urenkelinnen und noch spätere Gene-
ratio-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/420>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.