nun jene keinen Blumenstaub mehr erhalten, weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo sich anfangs die reifen Antheren befanden, und nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber in jeder Blume so gewählt, dass das Insekt, für welches die Blume bestimmt ist, nicht anders zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu- gleich mit einem Theile seines Körpers in der jüngern Blume die Antheren, und in der ältern die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die- ses überträgt, und auf solche Art die ältere Blu- me durch den Staub der jüngern befruchtet (a).
Zur Dichogamia gynandra gehört z. B. die Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die- ser Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig- mate aus derselben hervorkommen, gerade in die Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini- gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor, verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als- dann erst kommen die Staubgefässe eines nach dem andern aus der Blume zum Vorscheine, und die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein, welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek- ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen also nothwendig den Staub der Antheren abstrei-
fen,
(a)Sprengel a. a. O. S. 17. 18.
nun jene keinen Blumenstaub mehr erhalten, weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo sich anfangs die reifen Antheren befanden, und nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber in jeder Blume so gewählt, daſs das Insekt, für welches die Blume bestimmt ist, nicht anders zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu- gleich mit einem Theile seines Körpers in der jüngern Blume die Antheren, und in der ältern die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die- ses überträgt, und auf solche Art die ältere Blu- me durch den Staub der jüngern befruchtet (a).
Zur Dichogamia gynandra gehört z. B. die Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die- ser Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig- mate aus derselben hervorkommen, gerade in die Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini- gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor, verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als- dann erst kommen die Staubgefäſse eines nach dem andern aus der Blume zum Vorscheine, und die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein, welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek- ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen also nothwendig den Staub der Antheren abstrei-
fen,
(a)Sprengel a. a. O. S. 17. 18.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0362"n="352"/>
nun jene keinen Blumenstaub mehr erhalten,<lb/>
weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo<lb/>
sich anfangs die reifen Antheren befanden, und<lb/>
nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber<lb/>
in jeder Blume so gewählt, daſs das Insekt, für<lb/>
welches die Blume bestimmt ist, nicht anders<lb/>
zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu-<lb/>
gleich mit einem Theile seines Körpers in der<lb/>
jüngern Blume die Antheren, und in der ältern<lb/>
die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die-<lb/>
ses überträgt, und auf solche Art die ältere Blu-<lb/>
me durch den Staub der jüngern befruchtet <noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#k">Sprengel</hi> a. a. O. S. 17. 18.</note>.</p><lb/><p>Zur Dichogamia gynandra gehört z. B. die<lb/>
Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die-<lb/>
ser Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig-<lb/>
mate aus derselben hervorkommen, gerade in die<lb/>
Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini-<lb/>
gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf<lb/>
einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor,<lb/>
verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und<lb/>
kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als-<lb/>
dann erst kommen die Staubgefäſse eines nach<lb/>
dem andern aus der Blume zum Vorscheine, und<lb/>
die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein,<lb/>
welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek-<lb/>
ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen<lb/>
also nothwendig den Staub der Antheren abstrei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">fen,</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[352/0362]
nun jene keinen Blumenstaub mehr erhalten,
weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo
sich anfangs die reifen Antheren befanden, und
nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber
in jeder Blume so gewählt, daſs das Insekt, für
welches die Blume bestimmt ist, nicht anders
zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu-
gleich mit einem Theile seines Körpers in der
jüngern Blume die Antheren, und in der ältern
die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die-
ses überträgt, und auf solche Art die ältere Blu-
me durch den Staub der jüngern befruchtet (a).
Zur Dichogamia gynandra gehört z. B. die
Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die-
ser Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig-
mate aus derselben hervorkommen, gerade in die
Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini-
gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf
einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor,
verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und
kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als-
dann erst kommen die Staubgefäſse eines nach
dem andern aus der Blume zum Vorscheine, und
die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein,
welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek-
ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen
also nothwendig den Staub der Antheren abstrei-
fen,
(a) Sprengel a. a. O. S. 17. 18.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/362>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.