Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.wig's Hypothese streiten diese Thatsachen mit aller Analogie des Pflanzenreichs. Das Haarmoos gehört zu denjenigen Laubmoo- sen, deren weibliche und männliche Blü- then auf verschiedenen Individuen vertheilt sind. Nie aber sahe man eine männliche Pflanze aus der Linneischen Classe der Dioecie weibliche Knospen treiben, und noch viel weniger solche Knospen mitten aus den männlichen Blumen entstehen. 6) Meese bedeckte die abgeschnittenen männ- lichen Blumen eines Haarmooses mit Erde, und sahe sie, gleich Saamenkörnern, zu Moosen heranwachsen (n). Es ist ein schlech- ter Nothbehelf, die Beweiskraft dieses Ver- suchs durch den Einwurf schwächen zu wol- len, dass wohl Saamenkörner aus den Kap- seln in jene Blumen gefallen seyn könn- ten (o). Aus demselben Grunde liesse sich den Pflanzen das Vermögen absprechen, sich durch lebendiggebährende Knospen (gemmae vivi- fruchtung aber über diese hervorgewachsen, und darauf von Meese für Sprossen der männlichen Blüthen angesehen. Allein es ist kein Grund vor- handen, einen so scharfsichtigen Beobachter, wie Meese war, einer so groben Täuschung zu be- schuldigen. (n) Meese a. a. O. (o) Bridel l. c. p. 111.
wig’s Hypothese streiten diese Thatsachen mit aller Analogie des Pflanzenreichs. Das Haarmoos gehört zu denjenigen Laubmoo- sen, deren weibliche und männliche Blü- then auf verschiedenen Individuen vertheilt sind. Nie aber sahe man eine männliche Pflanze aus der Linneischen Classe der Dioecie weibliche Knospen treiben, und noch viel weniger solche Knospen mitten aus den männlichen Blumen entstehen. 6) Meese bedeckte die abgeschnittenen männ- lichen Blumen eines Haarmooses mit Erde, und sahe sie, gleich Saamenkörnern, zu Moosen heranwachsen (n). Es ist ein schlech- ter Nothbehelf, die Beweiskraft dieses Ver- suchs durch den Einwurf schwächen zu wol- len, daſs wohl Saamenkörner aus den Kap- seln in jene Blumen gefallen seyn könn- ten (o). Aus demselben Grunde liesse sich den Pflanzen das Vermögen absprechen, sich durch lebendiggebährende Knospen (gemmae vivi- fruchtung aber über diese hervorgewachsen, und darauf von Meese für Sprossen der männlichen Blüthen angesehen. Allein es ist kein Grund vor- handen, einen so scharfsichtigen Beobachter, wie Meese war, einer so groben Täuschung zu be- schuldigen. (n) Meese a. a. O. (o) Bridel l. c. p. 111.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0343" n="333"/><hi rendition="#k">wig</hi>’s Hypothese streiten diese Thatsachen<lb/> mit aller Analogie des Pflanzenreichs. Das<lb/> Haarmoos gehört zu denjenigen Laubmoo-<lb/> sen, deren weibliche und männliche Blü-<lb/> then auf verschiedenen Individuen vertheilt<lb/> sind. Nie aber sahe man eine männliche<lb/> Pflanze aus der <hi rendition="#k">Linne</hi>ischen Classe der<lb/> Dioecie weibliche Knospen treiben, und noch<lb/> viel weniger solche Knospen mitten aus den<lb/> männlichen Blumen entstehen.</item><lb/> <item>6) <hi rendition="#k">Meese</hi> bedeckte die abgeschnittenen männ-<lb/> lichen Blumen eines Haarmooses mit Erde,<lb/> und sahe sie, gleich Saamenkörnern, zu<lb/> Moosen heranwachsen <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#k">Meese</hi> a. a. O.</note>. Es ist ein schlech-<lb/> ter Nothbehelf, die Beweiskraft dieses Ver-<lb/> suchs durch den Einwurf schwächen zu wol-<lb/> len, daſs wohl Saamenkörner aus den Kap-<lb/> seln in jene Blumen gefallen seyn könn-<lb/> ten <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#k">Bridel</hi> l. c. p. 111.</note>. Aus demselben Grunde liesse sich<lb/> den Pflanzen das Vermögen absprechen, sich<lb/> durch lebendiggebährende Knospen (gemmae<lb/> <fw place="bottom" type="catch">vivi-</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_11_2" prev="#seg2pn_11_1" place="foot" n="(m)">fruchtung aber über diese hervorgewachsen, und<lb/> darauf von <hi rendition="#k">Meese</hi> für Sprossen der männlichen<lb/> Blüthen angesehen. Allein es ist kein Grund vor-<lb/> handen, einen so scharfsichtigen Beobachter, wie<lb/><hi rendition="#k">Meese</hi> war, einer so groben Täuschung zu be-<lb/> schuldigen.</note><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [333/0343]
wig’s Hypothese streiten diese Thatsachen
mit aller Analogie des Pflanzenreichs. Das
Haarmoos gehört zu denjenigen Laubmoo-
sen, deren weibliche und männliche Blü-
then auf verschiedenen Individuen vertheilt
sind. Nie aber sahe man eine männliche
Pflanze aus der Linneischen Classe der
Dioecie weibliche Knospen treiben, und noch
viel weniger solche Knospen mitten aus den
männlichen Blumen entstehen.
6) Meese bedeckte die abgeschnittenen männ-
lichen Blumen eines Haarmooses mit Erde,
und sahe sie, gleich Saamenkörnern, zu
Moosen heranwachsen (n). Es ist ein schlech-
ter Nothbehelf, die Beweiskraft dieses Ver-
suchs durch den Einwurf schwächen zu wol-
len, daſs wohl Saamenkörner aus den Kap-
seln in jene Blumen gefallen seyn könn-
ten (o). Aus demselben Grunde liesse sich
den Pflanzen das Vermögen absprechen, sich
durch lebendiggebährende Knospen (gemmae
vivi-
(m)
(n) Meese a. a. O.
(o) Bridel l. c. p. 111.
(m) fruchtung aber über diese hervorgewachsen, und
darauf von Meese für Sprossen der männlichen
Blüthen angesehen. Allein es ist kein Grund vor-
handen, einen so scharfsichtigen Beobachter, wie
Meese war, einer so groben Täuschung zu be-
schuldigen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |