bare Blüthen. Lässt sich nach diesen Erfahrun- gen nicht vermuthen, dass es Organismen giebt, denen auch die scheinbaren Geschlechtsorgane feh- len, und welche blos durch Knospen und Spros- sen ihr Geschlecht erhalten? Und ist es nicht glaublich, dass sich diese Organismen auf den untersten Stufen der thierischen und vegetabili- schen Organisation und in der Classe der Zoo- phyten finden müssen?
Wer die bisherigen Gründe und Gegengründe unbefangen gegen einander abwägt, wird gewiss eingestehen, dass das Uebergewicht auf Seiten de- rer ist, die bey den einfachern Organismen der lebenden Natur eine Fortpflanzung ohne Begat- tung annehmen. Ehe wir indess ein entscheiden- des Urtheil zu fällen wagen, müssen wir eine Thatsache in Erwägung ziehen, welche die Ver- mehrung der Conferven betrifft.
Wir haben gesehen, dass bey mehrern ge- gliederten Conferven im Frühlinge und im An- fange des Sommers die grünen Massen, womit das Innere derselben angefüllt ist, verschwinden, dass sich dagegen in ihnen grössere eyer- oder bee- renartige Körper bilden, die mit dem innern Schlau- che jener Wasserfäden einen gleichen Durchmesser und eine bräunliche Farbe haben, und dass aus diesen im folgenden Herbste oder Frühlinge Con-
fer-
bare Blüthen. Läſst sich nach diesen Erfahrun- gen nicht vermuthen, daſs es Organismen giebt, denen auch die scheinbaren Geschlechtsorgane feh- len, und welche blos durch Knospen und Spros- sen ihr Geschlecht erhalten? Und ist es nicht glaublich, daſs sich diese Organismen auf den untersten Stufen der thierischen und vegetabili- schen Organisation und in der Classe der Zoo- phyten finden müssen?
Wer die bisherigen Gründe und Gegengründe unbefangen gegen einander abwägt, wird gewiſs eingestehen, daſs das Uebergewicht auf Seiten de- rer ist, die bey den einfachern Organismen der lebenden Natur eine Fortpflanzung ohne Begat- tung annehmen. Ehe wir indeſs ein entscheiden- des Urtheil zu fällen wagen, müssen wir eine Thatsache in Erwägung ziehen, welche die Ver- mehrung der Conferven betrifft.
Wir haben gesehen, daſs bey mehrern ge- gliederten Conferven im Frühlinge und im An- fange des Sommers die grünen Massen, womit das Innere derselben angefüllt ist, verschwinden, daſs sich dagegen in ihnen gröſsere eyer- oder bee- renartige Körper bilden, die mit dem innern Schlau- che jener Wasserfäden einen gleichen Durchmesser und eine bräunliche Farbe haben, und daſs aus diesen im folgenden Herbste oder Frühlinge Con-
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bare Blüthen. Läſst sich nach diesen Erfahrun-
gen nicht vermuthen, daſs es Organismen giebt,
denen auch die scheinbaren Geschlechtsorgane feh-
len, und welche blos durch Knospen und Spros-
sen ihr Geschlecht erhalten? Und ist es nicht
glaublich, daſs sich diese Organismen auf den
untersten Stufen der thierischen und vegetabili-
schen Organisation und in der Classe der Zoo-
phyten finden müssen?
Wer die bisherigen Gründe und Gegengründe
unbefangen gegen einander abwägt, wird gewiſs
eingestehen, daſs das Uebergewicht auf Seiten de-
rer ist, die bey den einfachern Organismen der
lebenden Natur eine Fortpflanzung ohne Begat-
tung annehmen. Ehe wir indeſs ein entscheiden-
des Urtheil zu fällen wagen, müssen wir eine
Thatsache in Erwägung ziehen, welche die Ver-
mehrung der Conferven betrifft.
Wir haben gesehen, daſs bey mehrern ge-
gliederten Conferven im Frühlinge und im An-
fange des Sommers die grünen Massen, womit
das Innere derselben angefüllt ist, verschwinden,
daſs sich dagegen in ihnen gröſsere eyer- oder bee-
renartige Körper bilden, die mit dem innern Schlau-
che jener Wasserfäden einen gleichen Durchmesser
und eine bräunliche Farbe haben, und daſs aus
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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