Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

von denen, die wir in der leblosen Natur finden,
als blos darin, dass die äussern Anlässe, denen sie
ihr Entstehen verdanken, nicht unmittelbar, son-
dern durch die Lebenskraft modifizirt, auf die
Materie des lebenden Körpers einwirken. Geht
z. B. der Sauerstoff, wie man sagt, in dem thie-
rischen Organismus mit dem Kohlenstoff wirklich
eine Verbindung ein, so geschieht dieser Process
hier bey einer Temperatur, wobey sich derselbe
nie in der leblosen Natur ereignet (v). Aber nichts
desto weniger ist jene Verbindung im thierischen
Körper so gut ein chemischer Process, wie in der
leblosen Natur; nur ist das, was sich in jenem
mit dem Kohlenstoff zur Kohlensäure vereinigt,
nicht mehr Sauerstoff, sondern ein Drittes, welches
blos in der lebenden Natur existirt.

Da also die Materie des lebenden Körpers den-
selben Gesetzen folgt, denen die leblose Natur un-
terworfen ist, so muss

1) jeder Theil desselben Mittel und zugleich
Zweck für das Ganze seyn.
2) Da aber die Lebenskraft zwischen dem leben-
den Körper und der übrigen Natur eine Schei-
dewand zieht, die wir bey keinem leblosen
Körper finden, so muss jener den Charakter
der Organisation weit deutlicher als dieser an
sich tragen. In der leblosen Natur macht jede
belie-
(v) Brandis über die Lebenskraft. S. 72. ff.

von denen, die wir in der leblosen Natur finden,
als blos darin, daſs die äussern Anläſse, denen sie
ihr Entstehen verdanken, nicht unmittelbar, son-
dern durch die Lebenskraft modifizirt, auf die
Materie des lebenden Körpers einwirken. Geht
z. B. der Sauerstoff, wie man sagt, in dem thie-
rischen Organismus mit dem Kohlenstoff wirklich
eine Verbindung ein, so geschieht dieser Proceſs
hier bey einer Temperatur, wobey sich derselbe
nie in der leblosen Natur ereignet (v). Aber nichts
desto weniger ist jene Verbindung im thierischen
Körper so gut ein chemischer Proceſs, wie in der
leblosen Natur; nur ist das, was sich in jenem
mit dem Kohlenstoff zur Kohlensäure vereinigt,
nicht mehr Sauerstoff, sondern ein Drittes, welches
blos in der lebenden Natur existirt.

Da also die Materie des lebenden Körpers den-
selben Gesetzen folgt, denen die leblose Natur un-
terworfen ist, so muſs

1) jeder Theil desselben Mittel und zugleich
Zweck für das Ganze seyn.
2) Da aber die Lebenskraft zwischen dem leben-
den Körper und der übrigen Natur eine Schei-
dewand zieht, die wir bey keinem leblosen
Körper finden, so muſs jener den Charakter
der Organisation weit deutlicher als dieser an
sich tragen. In der leblosen Natur macht jede
belie-
(v) Brandis über die Lebenskraft. S. 72. ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="58"/>
von denen, die wir in der leblosen Natur finden,<lb/>
als blos darin, da&#x017F;s die äussern Anlä&#x017F;se, denen sie<lb/>
ihr Entstehen verdanken, nicht unmittelbar, son-<lb/>
dern durch die Lebenskraft modifizirt, auf die<lb/>
Materie des lebenden Körpers einwirken. Geht<lb/>
z. B. der Sauerstoff, wie man sagt, in dem thie-<lb/>
rischen Organismus mit dem Kohlenstoff wirklich<lb/>
eine Verbindung ein, so geschieht dieser Proce&#x017F;s<lb/>
hier bey einer Temperatur, wobey sich derselbe<lb/>
nie in der leblosen Natur ereignet <note place="foot" n="(v)"><hi rendition="#k">Brandis</hi> über die Lebenskraft. S. 72. ff.</note>. Aber nichts<lb/>
desto weniger ist jene Verbindung im thierischen<lb/>
Körper so gut ein chemischer Proce&#x017F;s, wie in der<lb/>
leblosen Natur; nur ist das, was sich in jenem<lb/>
mit dem Kohlenstoff zur Kohlensäure vereinigt,<lb/>
nicht mehr Sauerstoff, sondern ein Drittes, welches<lb/>
blos in der lebenden Natur existirt.</p><lb/>
          <p>Da also die Materie des lebenden Körpers den-<lb/>
selben Gesetzen folgt, denen die leblose Natur un-<lb/>
terworfen ist, so mu&#x017F;s</p><lb/>
          <list>
            <item>1) jeder Theil desselben Mittel und zugleich<lb/>
Zweck für das Ganze seyn.</item><lb/>
            <item>2) Da aber die Lebenskraft zwischen dem leben-<lb/>
den Körper und der übrigen Natur eine Schei-<lb/>
dewand zieht, die wir bey keinem leblosen<lb/>
Körper finden, so mu&#x017F;s jener den Charakter<lb/>
der Organisation weit deutlicher als dieser an<lb/>
sich tragen. In der leblosen Natur macht jede<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">belie-</fw><lb/></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0078] von denen, die wir in der leblosen Natur finden, als blos darin, daſs die äussern Anläſse, denen sie ihr Entstehen verdanken, nicht unmittelbar, son- dern durch die Lebenskraft modifizirt, auf die Materie des lebenden Körpers einwirken. Geht z. B. der Sauerstoff, wie man sagt, in dem thie- rischen Organismus mit dem Kohlenstoff wirklich eine Verbindung ein, so geschieht dieser Proceſs hier bey einer Temperatur, wobey sich derselbe nie in der leblosen Natur ereignet (v). Aber nichts desto weniger ist jene Verbindung im thierischen Körper so gut ein chemischer Proceſs, wie in der leblosen Natur; nur ist das, was sich in jenem mit dem Kohlenstoff zur Kohlensäure vereinigt, nicht mehr Sauerstoff, sondern ein Drittes, welches blos in der lebenden Natur existirt. Da also die Materie des lebenden Körpers den- selben Gesetzen folgt, denen die leblose Natur un- terworfen ist, so muſs 1) jeder Theil desselben Mittel und zugleich Zweck für das Ganze seyn. 2) Da aber die Lebenskraft zwischen dem leben- den Körper und der übrigen Natur eine Schei- dewand zieht, die wir bey keinem leblosen Körper finden, so muſs jener den Charakter der Organisation weit deutlicher als dieser an sich tragen. In der leblosen Natur macht jede belie- (v) Brandis über die Lebenskraft. S. 72. ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/78
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/78>, abgerufen am 12.12.2024.