mehr ist dies der Fall bey den Mollusken. Eine an- dere lebende Welt eröffnet sich für uns, sobald wir die äussere Form dieser Thiere mit der unsrigen vergleichen, ohne auf ihre innere Organisation und auf die Zwischenglieder, wodurch sie in der Kette der Natur an uns geknüpft sind, Rücksicht zu neh- men. Jener Unterschied von Kopf, Brust und Un- terleib, wovon wir bey den Amphibien und Fischen doch noch einige, wenn auch nur schwache Spuren finden, verschwindet hier ganz. Der Kopf lässt sich bey manchen nur aus der Gegenwart des Mundes noch erkennen, und selbst dieser ist zuweilen sehr verborgen. Nur wenige haben an demselben Au- gen, und noch wenigere Ohren. Keines hat ein Organ, das sich seiner Struktur nach mit der Nase der höhern Thierclassen vergleichen liesse. Statt des fehlenden Geruchswerkzeugs sind indess jene Theile, die wir bey den Fischen Bartfasern (cirri) nannten, hier als sogenannte Fühlfäden (tenta- cula) desto mehr ausgebildet und zu desto mannich- faltigern Zwecken eingerichtet. Sie sitzen auch hier, wie bey den Fischen, in der Nähe des Mun- des. Bey mehrern Mollusken aber vertreten sie die Stelle der äussern Bewegungsorgane, und bey die- sen sind sie zugleich mit Säugdrüsen zum Festhal- ten versehen; bey andern tragen sie an ihren Enden augenähnliche Organe. Nur wenige haben ausser diesen Fühlfäden auch Flossen, wie die Fische. Den meisten fehlen alle äussere Gliedmaassen, und
sie
I. Bd. U
mehr ist dies der Fall bey den Mollusken. Eine an- dere lebende Welt eröffnet sich für uns, sobald wir die äussere Form dieser Thiere mit der unsrigen vergleichen, ohne auf ihre innere Organisation und auf die Zwischenglieder, wodurch sie in der Kette der Natur an uns geknüpft sind, Rücksicht zu neh- men. Jener Unterschied von Kopf, Brust und Un- terleib, wovon wir bey den Amphibien und Fischen doch noch einige, wenn auch nur schwache Spuren finden, verschwindet hier ganz. Der Kopf läſst sich bey manchen nur aus der Gegenwart des Mundes noch erkennen, und selbst dieser ist zuweilen sehr verborgen. Nur wenige haben an demselben Au- gen, und noch wenigere Ohren. Keines hat ein Organ, das sich seiner Struktur nach mit der Nase der höhern Thierclassen vergleichen liesse. Statt des fehlenden Geruchswerkzeugs sind indeſs jene Theile, die wir bey den Fischen Bartfasern (cirri) nannten, hier als sogenannte Fühlfäden (tenta- cula) desto mehr ausgebildet und zu desto mannich- faltigern Zwecken eingerichtet. Sie sitzen auch hier, wie bey den Fischen, in der Nähe des Mun- des. Bey mehrern Mollusken aber vertreten sie die Stelle der äussern Bewegungsorgane, und bey die- sen sind sie zugleich mit Säugdrüsen zum Festhal- ten versehen; bey andern tragen sie an ihren Enden augenähnliche Organe. Nur wenige haben ausser diesen Fühlfäden auch Flossen, wie die Fische. Den meisten fehlen alle äussere Gliedmaaſsen, und
sie
I. Bd. U
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0325"n="305"/>
mehr ist dies der Fall bey den Mollusken. Eine an-<lb/>
dere lebende Welt eröffnet sich für uns, sobald wir<lb/>
die äussere Form dieser Thiere mit der unsrigen<lb/>
vergleichen, ohne auf ihre innere Organisation und<lb/>
auf die Zwischenglieder, wodurch sie in der Kette<lb/>
der Natur an uns geknüpft sind, Rücksicht zu neh-<lb/>
men. Jener Unterschied von Kopf, Brust und Un-<lb/>
terleib, wovon wir bey den Amphibien und Fischen<lb/>
doch noch einige, wenn auch nur schwache Spuren<lb/>
finden, verschwindet hier ganz. Der Kopf läſst sich<lb/>
bey manchen nur aus der Gegenwart des Mundes<lb/>
noch erkennen, und selbst dieser ist zuweilen sehr<lb/>
verborgen. Nur wenige haben an demselben Au-<lb/>
gen, und noch wenigere Ohren. Keines hat ein<lb/>
Organ, das sich seiner Struktur nach mit der Nase<lb/>
der höhern Thierclassen vergleichen liesse. Statt<lb/>
des fehlenden Geruchswerkzeugs sind indeſs jene<lb/>
Theile, die wir bey den Fischen Bartfasern (cirri)<lb/>
nannten, hier als sogenannte <hirendition="#g">Fühlfäden</hi> (tenta-<lb/>
cula) desto mehr ausgebildet und zu desto mannich-<lb/>
faltigern Zwecken eingerichtet. Sie sitzen auch<lb/>
hier, wie bey den Fischen, in der Nähe des Mun-<lb/>
des. Bey mehrern Mollusken aber vertreten sie die<lb/>
Stelle der äussern Bewegungsorgane, und bey die-<lb/>
sen sind sie zugleich mit Säugdrüsen zum Festhal-<lb/>
ten versehen; bey andern tragen sie an ihren Enden<lb/>
augenähnliche Organe. Nur wenige haben ausser<lb/>
diesen Fühlfäden auch Flossen, wie die Fische.<lb/>
Den meisten fehlen alle äussere Gliedmaaſsen, und<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">I. Bd.</hi> U</fw><fwplace="bottom"type="catch">sie</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[305/0325]
mehr ist dies der Fall bey den Mollusken. Eine an-
dere lebende Welt eröffnet sich für uns, sobald wir
die äussere Form dieser Thiere mit der unsrigen
vergleichen, ohne auf ihre innere Organisation und
auf die Zwischenglieder, wodurch sie in der Kette
der Natur an uns geknüpft sind, Rücksicht zu neh-
men. Jener Unterschied von Kopf, Brust und Un-
terleib, wovon wir bey den Amphibien und Fischen
doch noch einige, wenn auch nur schwache Spuren
finden, verschwindet hier ganz. Der Kopf läſst sich
bey manchen nur aus der Gegenwart des Mundes
noch erkennen, und selbst dieser ist zuweilen sehr
verborgen. Nur wenige haben an demselben Au-
gen, und noch wenigere Ohren. Keines hat ein
Organ, das sich seiner Struktur nach mit der Nase
der höhern Thierclassen vergleichen liesse. Statt
des fehlenden Geruchswerkzeugs sind indeſs jene
Theile, die wir bey den Fischen Bartfasern (cirri)
nannten, hier als sogenannte Fühlfäden (tenta-
cula) desto mehr ausgebildet und zu desto mannich-
faltigern Zwecken eingerichtet. Sie sitzen auch
hier, wie bey den Fischen, in der Nähe des Mun-
des. Bey mehrern Mollusken aber vertreten sie die
Stelle der äussern Bewegungsorgane, und bey die-
sen sind sie zugleich mit Säugdrüsen zum Festhal-
ten versehen; bey andern tragen sie an ihren Enden
augenähnliche Organe. Nur wenige haben ausser
diesen Fühlfäden auch Flossen, wie die Fische.
Den meisten fehlen alle äussere Gliedmaaſsen, und
sie
I. Bd. U
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/325>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.