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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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wir aufstellen werden, auf die praktische Medicin
haben könnten, werden wir nur danach fragen, ob
sie mit den Regeln der Interpretation der Natur
übereinstimmen. Diese Vorschriften hinterliess uns
Baco, und nur diese lasst uns stets vor Augen ha-
ben. Vor allen andern aber lasst uns folgende zwey
beherzigen, denn in ihrer Vernachlässigung liegt
vorzüglich der Keim zu den vielen Irrthümern,
welche die Geschichte der Biologie aufzuweisen hat.

Fast jeder Mensch hat gewisse Ideen, oder ir-
gend eine Wissenschaft, die er vorzüglich liebt,
entweder weil er sich für den Erfinder derselben
hält, oder weil er durch ein langes Studium sehr
vertraut mit ihnen geworden ist. Aber so wie der
Liebende allenthalben seine Geliebte sieht, so ge-
wöhnt sich der, in dessen Seele irgend eine Lieb-
lingsidee oder Lieblingswissenschaft einmal herr-
schend geworden ist, alles nur in Beziehung auf
diese zu betrachten. Sie wird ihm endlich ein ge-
färbtes Glas, wodurch ihm alles in einem ganz an-
dern Lichte erscheint, wie jedem andern Menschen,
wodurch er Analogien entdeckt, die ausser ihm
kein Vernünftiger sieht. So bezieht der Philosoph
alles auf sein philosophisches System, der Mathe-
matiker auf seine Grössenlehre, und der Scheide-
künstler auf seine Chemie. So erklärte Xenopha-
nes, verblendet durch die mystischen Lehren des
Pythagoras und Plato von der Kraft der Zahlen in

der

wir aufstellen werden, auf die praktische Medicin
haben könnten, werden wir nur danach fragen, ob
sie mit den Regeln der Interpretation der Natur
übereinstimmen. Diese Vorschriften hinterlieſs uns
Baco, und nur diese laſst uns stets vor Augen ha-
ben. Vor allen andern aber laſst uns folgende zwey
beherzigen, denn in ihrer Vernachlässigung liegt
vorzüglich der Keim zu den vielen Irrthümern,
welche die Geschichte der Biologie aufzuweisen hat.

Fast jeder Mensch hat gewisse Ideen, oder ir-
gend eine Wissenschaft, die er vorzüglich liebt,
entweder weil er sich für den Erfinder derselben
hält, oder weil er durch ein langes Studium sehr
vertraut mit ihnen geworden ist. Aber so wie der
Liebende allenthalben seine Geliebte sieht, so ge-
wöhnt sich der, in dessen Seele irgend eine Lieb-
lingsidee oder Lieblingswissenschaft einmal herr-
schend geworden ist, alles nur in Beziehung auf
diese zu betrachten. Sie wird ihm endlich ein ge-
färbtes Glas, wodurch ihm alles in einem ganz an-
dern Lichte erscheint, wie jedem andern Menschen,
wodurch er Analogien entdeckt, die ausser ihm
kein Vernünftiger sieht. So bezieht der Philosoph
alles auf sein philosophisches System, der Mathe-
matiker auf seine Gröſsenlehre, und der Scheide-
künstler auf seine Chemie. So erklärte Xenopha-
nes, verblendet durch die mystischen Lehren des
Pythagoras und Plato von der Kraft der Zahlen in

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[146/0166] wir aufstellen werden, auf die praktische Medicin haben könnten, werden wir nur danach fragen, ob sie mit den Regeln der Interpretation der Natur übereinstimmen. Diese Vorschriften hinterlieſs uns Baco, und nur diese laſst uns stets vor Augen ha- ben. Vor allen andern aber laſst uns folgende zwey beherzigen, denn in ihrer Vernachlässigung liegt vorzüglich der Keim zu den vielen Irrthümern, welche die Geschichte der Biologie aufzuweisen hat. Fast jeder Mensch hat gewisse Ideen, oder ir- gend eine Wissenschaft, die er vorzüglich liebt, entweder weil er sich für den Erfinder derselben hält, oder weil er durch ein langes Studium sehr vertraut mit ihnen geworden ist. Aber so wie der Liebende allenthalben seine Geliebte sieht, so ge- wöhnt sich der, in dessen Seele irgend eine Lieb- lingsidee oder Lieblingswissenschaft einmal herr- schend geworden ist, alles nur in Beziehung auf diese zu betrachten. Sie wird ihm endlich ein ge- färbtes Glas, wodurch ihm alles in einem ganz an- dern Lichte erscheint, wie jedem andern Menschen, wodurch er Analogien entdeckt, die ausser ihm kein Vernünftiger sieht. So bezieht der Philosoph alles auf sein philosophisches System, der Mathe- matiker auf seine Gröſsenlehre, und der Scheide- künstler auf seine Chemie. So erklärte Xenopha- nes, verblendet durch die mystischen Lehren des Pythagoras und Plato von der Kraft der Zahlen in der

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/166>, abgerufen am 04.12.2024.