Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Capitel.
Anhang.
Ueber den Gebrauch der Hypothesen in
der Biologie, und über die Schranken
der praktischen Heilkunde
.

Der Geist strebt nach Einheit im Mannichfaltigen,
und er verschafft sich diese durch Vermuthungen,
wo sie ihm die Erfahrung nicht liefern kann. Jede
empirische Wissenschaft ist aber noch sehr weit
von jener Stufe entfernt, wo das Feld der Erfah-
rungen nicht mehr unangebaute Stellen hat, und kei-
ne weiter als die Biologie. Erwägen wir die im
vorigen Capitel aufgezählten Hindernisse, die sich
jeder biologischen Erfahrung entgegenstellen, so-
ist es sogar unwahrscheinlich, dass diese Wissen-
schaft jene Stufe von Vollkommenheit jemals errei-
chen wird. Was ist hier also zu thun? Sollen wir
die Lücken, die uns in dem empirischen Theile
der Biologie fast bey jedem Schritte aufstossen,
durch Vermuthungen ausfüllen, oder sollen wir
sie unergänzt lassen?

Im Allgemeinen ist die Antwort auf diese Fra-
ge leicht zu finden. Ist Einheit im Mannichfaltigen
ein Bedürfniss des menschlichen Geistes, so macht

ent-
H 4

Fünftes Capitel.
Anhang.
Ueber den Gebrauch der Hypothesen in
der Biologie, und über die Schranken
der praktischen Heilkunde
.

Der Geist strebt nach Einheit im Mannichfaltigen,
und er verschafft sich diese durch Vermuthungen,
wo sie ihm die Erfahrung nicht liefern kann. Jede
empirische Wissenschaft ist aber noch sehr weit
von jener Stufe entfernt, wo das Feld der Erfah-
rungen nicht mehr unangebaute Stellen hat, und kei-
ne weiter als die Biologie. Erwägen wir die im
vorigen Capitel aufgezählten Hindernisse, die sich
jeder biologischen Erfahrung entgegenstellen, so-
ist es sogar unwahrscheinlich, daſs diese Wissen-
schaft jene Stufe von Vollkommenheit jemals errei-
chen wird. Was ist hier also zu thun? Sollen wir
die Lücken, die uns in dem empirischen Theile
der Biologie fast bey jedem Schritte aufstoſsen,
durch Vermuthungen ausfüllen, oder sollen wir
sie unergänzt lassen?

Im Allgemeinen ist die Antwort auf diese Fra-
ge leicht zu finden. Ist Einheit im Mannichfaltigen
ein Bedürfniſs des menschlichen Geistes, so macht

ent-
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0139" n="119"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Fünftes Capitel.<lb/><hi rendition="#g">Anhang.<lb/>
Ueber den Gebrauch der Hypothesen in<lb/>
der Biologie, und über die Schranken<lb/>
der praktischen Heilkunde</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>er Geist strebt nach Einheit im Mannichfaltigen,<lb/>
und er verschafft sich diese durch Vermuthungen,<lb/>
wo sie ihm die Erfahrung nicht liefern kann. Jede<lb/>
empirische Wissenschaft ist aber noch sehr weit<lb/>
von jener Stufe entfernt, wo das Feld der Erfah-<lb/>
rungen nicht mehr unangebaute Stellen hat, und kei-<lb/>
ne weiter als die Biologie. Erwägen wir die im<lb/>
vorigen Capitel aufgezählten Hindernisse, die sich<lb/>
jeder biologischen Erfahrung entgegenstellen, so-<lb/>
ist es sogar unwahrscheinlich, da&#x017F;s diese Wissen-<lb/>
schaft jene Stufe von Vollkommenheit jemals errei-<lb/>
chen wird. Was ist hier also zu thun? Sollen wir<lb/>
die Lücken, die uns in dem empirischen Theile<lb/>
der Biologie fast bey jedem Schritte aufsto&#x017F;sen,<lb/>
durch Vermuthungen ausfüllen, oder sollen wir<lb/>
sie unergänzt lassen?</p><lb/>
          <p>Im Allgemeinen ist die Antwort auf diese Fra-<lb/>
ge leicht zu finden. Ist Einheit im Mannichfaltigen<lb/>
ein Bedürfni&#x017F;s des menschlichen Geistes, so macht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ent-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0139] Fünftes Capitel. Anhang. Ueber den Gebrauch der Hypothesen in der Biologie, und über die Schranken der praktischen Heilkunde. Der Geist strebt nach Einheit im Mannichfaltigen, und er verschafft sich diese durch Vermuthungen, wo sie ihm die Erfahrung nicht liefern kann. Jede empirische Wissenschaft ist aber noch sehr weit von jener Stufe entfernt, wo das Feld der Erfah- rungen nicht mehr unangebaute Stellen hat, und kei- ne weiter als die Biologie. Erwägen wir die im vorigen Capitel aufgezählten Hindernisse, die sich jeder biologischen Erfahrung entgegenstellen, so- ist es sogar unwahrscheinlich, daſs diese Wissen- schaft jene Stufe von Vollkommenheit jemals errei- chen wird. Was ist hier also zu thun? Sollen wir die Lücken, die uns in dem empirischen Theile der Biologie fast bey jedem Schritte aufstoſsen, durch Vermuthungen ausfüllen, oder sollen wir sie unergänzt lassen? Im Allgemeinen ist die Antwort auf diese Fra- ge leicht zu finden. Ist Einheit im Mannichfaltigen ein Bedürfniſs des menschlichen Geistes, so macht ent- H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/139
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/139>, abgerufen am 23.11.2024.