veränderliche Einwirkungen veranlasst sind, solan- ge nur diese Veränderlichkeit eine gewisse Gränze nicht überschreitet. Die Kraft, wodurch jene Gleichförmigkeit bewirkt wird, haben wir Lebens- kraft genannt. Folglich ist nur das Lebenserschei- nung, wobey Lebenskraft mit im Spiele ist.
So leicht nun aber auch die Bestimmung des Charakters der Lebenserscheinungen vermittelst un- serer Erklärung des Lebens im Allgemeinen ist, so wird doch die Anwendung hiervon auf einzelne Fälle immer noch äusserst schwürig bleiben. Ein Beyspiel giebt das Zellgewebe. An diesem und an den grösstentheils aus ihm allein gebildeten Orga- nen, z. B. der Bauchhaut, dem Hodensacke u. s. w. bemerkt man zuweilen Contraktionen. Haller sa- he einen Kranken, dessen Unterleib und Oberschen- kel ganz steif waren, und wobey diese Steifheit endlich in eine Beugung desselben überging, ohne dass sich eine andere Ursache, als eine Zusammen- ziehung des Zellgewebes jener Theile entdecken liess (c). Selbst in den harten, aber auch aus Zell- gewebe bestehenden Knochen zeigen sich zuweilen solche Contraktionen. Nach dem Ausfallen der Zähne im Alter schliessen sich die Zahnhöhlen, und bey der Nekrose zieht sich der neu erzeugte Knochen, nach der Herausnahme des vorigen ab- gestorbenen, bis zu seiner natürlichen Grösse zu-
sam-
(c)Haller El. Physiol. T. IV. L. XI. S. 11. §. 3. p. 443.
veränderliche Einwirkungen veranlaſst sind, solan- ge nur diese Veränderlichkeit eine gewisse Gränze nicht überschreitet. Die Kraft, wodurch jene Gleichförmigkeit bewirkt wird, haben wir Lebens- kraft genannt. Folglich ist nur das Lebenserschei- nung, wobey Lebenskraft mit im Spiele ist.
So leicht nun aber auch die Bestimmung des Charakters der Lebenserscheinungen vermittelst un- serer Erklärung des Lebens im Allgemeinen ist, so wird doch die Anwendung hiervon auf einzelne Fälle immer noch äusserst schwürig bleiben. Ein Beyspiel giebt das Zellgewebe. An diesem und an den gröſstentheils aus ihm allein gebildeten Orga- nen, z. B. der Bauchhaut, dem Hodensacke u. s. w. bemerkt man zuweilen Contraktionen. Haller sa- he einen Kranken, dessen Unterleib und Oberschen- kel ganz steif waren, und wobey diese Steifheit endlich in eine Beugung desselben überging, ohne daſs sich eine andere Ursache, als eine Zusammen- ziehung des Zellgewebes jener Theile entdecken lieſs (c). Selbst in den harten, aber auch aus Zell- gewebe bestehenden Knochen zeigen sich zuweilen solche Contraktionen. Nach dem Ausfallen der Zähne im Alter schlieſsen sich die Zahnhöhlen, und bey der Nekrose zieht sich der neu erzeugte Knochen, nach der Herausnahme des vorigen ab- gestorbenen, bis zu seiner natürlichen Gröſse zu-
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(c)Haller El. Physiol. T. IV. L. XI. S. 11. §. 3. p. 443.
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veränderliche Einwirkungen veranlaſst sind, solan-
ge nur diese Veränderlichkeit eine gewisse Gränze
nicht überschreitet. Die Kraft, wodurch jene
Gleichförmigkeit bewirkt wird, haben wir Lebens-
kraft genannt. Folglich ist nur das Lebenserschei-
nung, wobey Lebenskraft mit im Spiele ist.
So leicht nun aber auch die Bestimmung des
Charakters der Lebenserscheinungen vermittelst un-
serer Erklärung des Lebens im Allgemeinen ist, so
wird doch die Anwendung hiervon auf einzelne
Fälle immer noch äusserst schwürig bleiben. Ein
Beyspiel giebt das Zellgewebe. An diesem und an
den gröſstentheils aus ihm allein gebildeten Orga-
nen, z. B. der Bauchhaut, dem Hodensacke u. s. w.
bemerkt man zuweilen Contraktionen. Haller sa-
he einen Kranken, dessen Unterleib und Oberschen-
kel ganz steif waren, und wobey diese Steifheit
endlich in eine Beugung desselben überging, ohne
daſs sich eine andere Ursache, als eine Zusammen-
ziehung des Zellgewebes jener Theile entdecken
lieſs (c). Selbst in den harten, aber auch aus Zell-
gewebe bestehenden Knochen zeigen sich zuweilen
solche Contraktionen. Nach dem Ausfallen der
Zähne im Alter schlieſsen sich die Zahnhöhlen,
und bey der Nekrose zieht sich der neu erzeugte
Knochen, nach der Herausnahme des vorigen ab-
gestorbenen, bis zu seiner natürlichen Gröſse zu-
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(c) Haller El. Physiol. T. IV. L. XI. S. 11. §. 3. p. 443.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/134>, abgerufen am 04.12.2024.
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