als dieser einem andern, auf einer höhern Stufe der Vitalität stehenden Individuum entzieht, und so wird für jenen Körper kein Fortschreiten zur vita maxima möglich seyn. Diese Schwürigkeit aber fällt weg, wenn man annimmt, dass die leblose Masse, womit jeder lebende Organismus in Verbin- dung steht, und vermittelst welcher alle Potenzen der leblosen Natur auf diesen einwirken, sich mit ihm zu Einem lebenden Ganzen vereinigt, sobald sie durch die ihm entzogene Lebenskraft selber in lebende Materie verwandelt ist. Bey jeder Reit- zung leidet also der lebende Organismus zwar einen Verlust an Lebenskraft; aber dieser Verlust wird ihm durch einen gleich darauf folgenden Gewinn an lebender Materie wieder ersetzt.
Wären diesem Zuwachse an lebender Materie keine Gränzen gesetzt, so würde sich alle in der Natur vorhandene Lebenskraft endlich in einem einzigen Organismus concentriren. Der Grund, warum dieses nicht geschieht, liegt in der Organi- sation des Universums, welche eine Mannichsaltig- keit von Individuen in der lebenden Natur erfor- dert. Jene Gränzen aber sind nur dann möglich, wenn ein Zeitpunkt für jedes lebende Individuum eintritt, wo es aufhört, Lebenskraft zu empfangen, aber fortfährt, dieselbe zu verliehren. Eine solche Revolution ist nur auf folgende Art erklärbar. Je- nes Medium von lebloser Materie, wodurch alle
Poten-
als dieser einem andern, auf einer höhern Stufe der Vitalität stehenden Individuum entzieht, und so wird für jenen Körper kein Fortschreiten zur vita maxima möglich seyn. Diese Schwürigkeit aber fällt weg, wenn man annimmt, daſs die leblose Masse, womit jeder lebende Organismus in Verbin- dung steht, und vermittelst welcher alle Potenzen der leblosen Natur auf diesen einwirken, sich mit ihm zu Einem lebenden Ganzen vereinigt, sobald sie durch die ihm entzogene Lebenskraft selber in lebende Materie verwandelt ist. Bey jeder Reit- zung leidet also der lebende Organismus zwar einen Verlust an Lebenskraft; aber dieser Verlust wird ihm durch einen gleich darauf folgenden Gewinn an lebender Materie wieder ersetzt.
Wären diesem Zuwachse an lebender Materie keine Gränzen gesetzt, so würde sich alle in der Natur vorhandene Lebenskraft endlich in einem einzigen Organismus concentriren. Der Grund, warum dieses nicht geschieht, liegt in der Organi- sation des Universums, welche eine Mannichsaltig- keit von Individuen in der lebenden Natur erfor- dert. Jene Gränzen aber sind nur dann möglich, wenn ein Zeitpunkt für jedes lebende Individuum eintritt, wo es aufhört, Lebenskraft zu empfangen, aber fortfährt, dieselbe zu verliehren. Eine solche Revolution ist nur auf folgende Art erklärbar. Je- nes Medium von lebloser Materie, wodurch alle
Poten-
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als dieser einem andern, auf einer höhern Stufe der
Vitalität stehenden Individuum entzieht, und so
wird für jenen Körper kein Fortschreiten zur vita
maxima möglich seyn. Diese Schwürigkeit aber
fällt weg, wenn man annimmt, daſs die leblose
Masse, womit jeder lebende Organismus in Verbin-
dung steht, und vermittelst welcher alle Potenzen
der leblosen Natur auf diesen einwirken, sich mit
ihm zu Einem lebenden Ganzen vereinigt, sobald
sie durch die ihm entzogene Lebenskraft selber in
lebende Materie verwandelt ist. Bey jeder Reit-
zung leidet also der lebende Organismus zwar einen
Verlust an Lebenskraft; aber dieser Verlust wird
ihm durch einen gleich darauf folgenden Gewinn
an lebender Materie wieder ersetzt.
Wären diesem Zuwachse an lebender Materie
keine Gränzen gesetzt, so würde sich alle in der
Natur vorhandene Lebenskraft endlich in einem
einzigen Organismus concentriren. Der Grund,
warum dieses nicht geschieht, liegt in der Organi-
sation des Universums, welche eine Mannichsaltig-
keit von Individuen in der lebenden Natur erfor-
dert. Jene Gränzen aber sind nur dann möglich,
wenn ein Zeitpunkt für jedes lebende Individuum
eintritt, wo es aufhört, Lebenskraft zu empfangen,
aber fortfährt, dieselbe zu verliehren. Eine solche
Revolution ist nur auf folgende Art erklärbar. Je-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/113>, abgerufen am 04.12.2024.
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