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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Oesterreich und Italien.

Als ob er jede friedliche Verständigung abschneiden wollte, ließ er sich
an dem wichtigsten Hofe der Halbinsel, in Turin, erst durch den unerträglich
anmaßenden Fürsten Felix Schwarzenberg vertreten, der sich nachher auch
in Neapel allgemein verhaßt machte, dann gar durch den Grafen Buol, der
an Uebermuth seinem Vorgänger nichts nachgab und außerdem noch mit
einer ganz ungewöhnlichen Geistlosigkeit behaftet war. Ueber den Turiner
Hof, der zwischen zwei Großmächten eingepreßt doch wahrlich keinen leichten
Stand hatte, urtheilte Metternich ganz ebenso hochmüthig und verständ-
nißlos wie über das schicksalsverwandte Preußen; und als die Piushymne
zu Ehren des neuen Pontifex gar nicht verstummen wollte, da sagte er
ingrimmig: "ein liberaler Papst ist ein unmögliches Wesen." Da er den
Wandel der Zeiten nicht zu erkennen vermochte, so verschanzte er sich, nach
seiner Gewohnheit, hinter großen Grundsätzen. "Nichts in dieser Welt
ist bleibend", schrieb er dem Gesandten Lützow in Rom; "nur die Grund-
sätze bleiben, sie sind dem Wechsel nicht unterworfen, weil die Wahrheit
immer dieselbe ist und bleiben wird." Die eine, unwandelbare Wahrheit
lautete aber dahin, daß Italien zum Vortheil der Hofburg in alle Ewigkeit
zerrissen, unfrei, verachtet bleiben mußte; und für diese Gedanken geist-
und herzloser Völkerbedrückung fand Metternich eine kräftige Stütze in
der deutschen Presse, die sich doch sonst seiner Herrschaft schon zu entziehen
begann. Das Haus Cotta stellte seine Allgemeine Zeitung der italienischen
Politik der Hofburg unbedingt zur Verfügung, vielleicht um sich dadurch
für die Besprechung deutscher Dinge etwas mehr Freiheit zu sichern, und
mit schimpflicher Emsigkeit brachte das Augsburger Blatt fortan ungezählte
k. k. Lügen über das verworfene italienische Sklavenvolk. Diese feilen
Federn beschworen die Erinnerung an die Romfahrten unserer Kaiser ge-
waltsam wieder herauf und prahlten, als ob der Schatten Barbarossa's
durch die Raizen, Jazygen und Hannaken der österreichischen Regimenter
schritte, als ob der "besiegelte" Stock der kaiserlichen Profosen die Cultur
nach Italien brächte. Viele deutsche Zeitungen, denen die Mittel fehlten
eigene Verbindungen in Italien zu unterhalten, druckten alle diese Un-
sauberkeiten getreulich nach; selbst in den Kreisen der preußischen Offiziere
wiederholte man oft den sinnlosen, auf die deutsche Ritterlichkeit wohl be-
rechneten Lieblingssatz der k. k. Kameraden: am Po vertheidigen wir den
Rhein! Der Name der Tedeschi, der ohnehin schon für jede Prügelei der
kroatischen Soldaten, für jeden Verrath der wälschtyrolischen Spione des
Hauses Oesterreich geduldig herhalten mußte, gerieth durch diese ungerechte,
erst spät gesühnte Gehässigkeit der deutschen Presse bei allen Italienern,
zumal bei den Lombarden gänzlich in Verruf. Die Lüge der verhüllten
Fremdherrschaft vergiftete auch unser Verhältniß zu dem Volke, das uns
unter allen am nächsten stand.

Auf unbedingte Zustimmung konnte Metternich in Deutschland gleich-
wohl nicht zählen. Ein großer Theil der Liberalen schwärmte, wie billig,

Oeſterreich und Italien.

Als ob er jede friedliche Verſtändigung abſchneiden wollte, ließ er ſich
an dem wichtigſten Hofe der Halbinſel, in Turin, erſt durch den unerträglich
anmaßenden Fürſten Felix Schwarzenberg vertreten, der ſich nachher auch
in Neapel allgemein verhaßt machte, dann gar durch den Grafen Buol, der
an Uebermuth ſeinem Vorgänger nichts nachgab und außerdem noch mit
einer ganz ungewöhnlichen Geiſtloſigkeit behaftet war. Ueber den Turiner
Hof, der zwiſchen zwei Großmächten eingepreßt doch wahrlich keinen leichten
Stand hatte, urtheilte Metternich ganz ebenſo hochmüthig und verſtänd-
nißlos wie über das ſchickſalsverwandte Preußen; und als die Piushymne
zu Ehren des neuen Pontifex gar nicht verſtummen wollte, da ſagte er
ingrimmig: „ein liberaler Papſt iſt ein unmögliches Weſen.“ Da er den
Wandel der Zeiten nicht zu erkennen vermochte, ſo verſchanzte er ſich, nach
ſeiner Gewohnheit, hinter großen Grundſätzen. „Nichts in dieſer Welt
iſt bleibend“, ſchrieb er dem Geſandten Lützow in Rom; „nur die Grund-
ſätze bleiben, ſie ſind dem Wechſel nicht unterworfen, weil die Wahrheit
immer dieſelbe iſt und bleiben wird.“ Die eine, unwandelbare Wahrheit
lautete aber dahin, daß Italien zum Vortheil der Hofburg in alle Ewigkeit
zerriſſen, unfrei, verachtet bleiben mußte; und für dieſe Gedanken geiſt-
und herzloſer Völkerbedrückung fand Metternich eine kräftige Stütze in
der deutſchen Preſſe, die ſich doch ſonſt ſeiner Herrſchaft ſchon zu entziehen
begann. Das Haus Cotta ſtellte ſeine Allgemeine Zeitung der italieniſchen
Politik der Hofburg unbedingt zur Verfügung, vielleicht um ſich dadurch
für die Beſprechung deutſcher Dinge etwas mehr Freiheit zu ſichern, und
mit ſchimpflicher Emſigkeit brachte das Augsburger Blatt fortan ungezählte
k. k. Lügen über das verworfene italieniſche Sklavenvolk. Dieſe feilen
Federn beſchworen die Erinnerung an die Romfahrten unſerer Kaiſer ge-
waltſam wieder herauf und prahlten, als ob der Schatten Barbaroſſa’s
durch die Raizen, Jazygen und Hannaken der öſterreichiſchen Regimenter
ſchritte, als ob der „beſiegelte“ Stock der kaiſerlichen Profoſen die Cultur
nach Italien brächte. Viele deutſche Zeitungen, denen die Mittel fehlten
eigene Verbindungen in Italien zu unterhalten, druckten alle dieſe Un-
ſauberkeiten getreulich nach; ſelbſt in den Kreiſen der preußiſchen Offiziere
wiederholte man oft den ſinnloſen, auf die deutſche Ritterlichkeit wohl be-
rechneten Lieblingsſatz der k. k. Kameraden: am Po vertheidigen wir den
Rhein! Der Name der Tedeschi, der ohnehin ſchon für jede Prügelei der
kroatiſchen Soldaten, für jeden Verrath der wälſchtyroliſchen Spione des
Hauſes Oeſterreich geduldig herhalten mußte, gerieth durch dieſe ungerechte,
erſt ſpät geſühnte Gehäſſigkeit der deutſchen Preſſe bei allen Italienern,
zumal bei den Lombarden gänzlich in Verruf. Die Lüge der verhüllten
Fremdherrſchaft vergiftete auch unſer Verhältniß zu dem Volke, das uns
unter allen am nächſten ſtand.

Auf unbedingte Zuſtimmung konnte Metternich in Deutſchland gleich-
wohl nicht zählen. Ein großer Theil der Liberalen ſchwärmte, wie billig,

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[719/0733] Oeſterreich und Italien. Als ob er jede friedliche Verſtändigung abſchneiden wollte, ließ er ſich an dem wichtigſten Hofe der Halbinſel, in Turin, erſt durch den unerträglich anmaßenden Fürſten Felix Schwarzenberg vertreten, der ſich nachher auch in Neapel allgemein verhaßt machte, dann gar durch den Grafen Buol, der an Uebermuth ſeinem Vorgänger nichts nachgab und außerdem noch mit einer ganz ungewöhnlichen Geiſtloſigkeit behaftet war. Ueber den Turiner Hof, der zwiſchen zwei Großmächten eingepreßt doch wahrlich keinen leichten Stand hatte, urtheilte Metternich ganz ebenſo hochmüthig und verſtänd- nißlos wie über das ſchickſalsverwandte Preußen; und als die Piushymne zu Ehren des neuen Pontifex gar nicht verſtummen wollte, da ſagte er ingrimmig: „ein liberaler Papſt iſt ein unmögliches Weſen.“ Da er den Wandel der Zeiten nicht zu erkennen vermochte, ſo verſchanzte er ſich, nach ſeiner Gewohnheit, hinter großen Grundſätzen. „Nichts in dieſer Welt iſt bleibend“, ſchrieb er dem Geſandten Lützow in Rom; „nur die Grund- ſätze bleiben, ſie ſind dem Wechſel nicht unterworfen, weil die Wahrheit immer dieſelbe iſt und bleiben wird.“ Die eine, unwandelbare Wahrheit lautete aber dahin, daß Italien zum Vortheil der Hofburg in alle Ewigkeit zerriſſen, unfrei, verachtet bleiben mußte; und für dieſe Gedanken geiſt- und herzloſer Völkerbedrückung fand Metternich eine kräftige Stütze in der deutſchen Preſſe, die ſich doch ſonſt ſeiner Herrſchaft ſchon zu entziehen begann. Das Haus Cotta ſtellte ſeine Allgemeine Zeitung der italieniſchen Politik der Hofburg unbedingt zur Verfügung, vielleicht um ſich dadurch für die Beſprechung deutſcher Dinge etwas mehr Freiheit zu ſichern, und mit ſchimpflicher Emſigkeit brachte das Augsburger Blatt fortan ungezählte k. k. Lügen über das verworfene italieniſche Sklavenvolk. Dieſe feilen Federn beſchworen die Erinnerung an die Romfahrten unſerer Kaiſer ge- waltſam wieder herauf und prahlten, als ob der Schatten Barbaroſſa’s durch die Raizen, Jazygen und Hannaken der öſterreichiſchen Regimenter ſchritte, als ob der „beſiegelte“ Stock der kaiſerlichen Profoſen die Cultur nach Italien brächte. Viele deutſche Zeitungen, denen die Mittel fehlten eigene Verbindungen in Italien zu unterhalten, druckten alle dieſe Un- ſauberkeiten getreulich nach; ſelbſt in den Kreiſen der preußiſchen Offiziere wiederholte man oft den ſinnloſen, auf die deutſche Ritterlichkeit wohl be- rechneten Lieblingsſatz der k. k. Kameraden: am Po vertheidigen wir den Rhein! Der Name der Tedeschi, der ohnehin ſchon für jede Prügelei der kroatiſchen Soldaten, für jeden Verrath der wälſchtyroliſchen Spione des Hauſes Oeſterreich geduldig herhalten mußte, gerieth durch dieſe ungerechte, erſt ſpät geſühnte Gehäſſigkeit der deutſchen Preſſe bei allen Italienern, zumal bei den Lombarden gänzlich in Verruf. Die Lüge der verhüllten Fremdherrſchaft vergiftete auch unſer Verhältniß zu dem Volke, das uns unter allen am nächſten ſtand. Auf unbedingte Zuſtimmung konnte Metternich in Deutſchland gleich- wohl nicht zählen. Ein großer Theil der Liberalen ſchwärmte, wie billig,

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/733>, abgerufen am 22.11.2024.