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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Lola Montez.
ist vergangen, und die Luft ist wieder blau;" so noch ein Stück: "L. M.
Wonnemeer die Seelen trinken, tönt zur Zither dein Gesang."

Und seltsam, während eine Schaar junger Wüstlinge die gefällige
Schöne begehrlich umschwärmte, hielt sich die Neigung des Königs immer
noch in gewissen Schranken. Sein alter Verehrer Fürstbischof Diepen-
brock in Breslau hatte mit tiefem Schmerz von dem großen Münchener
Aergerniß gehört und wagte den geliebten Monarchen geistlich zu ermahnen;
der schöne priesterliche Freimuth gegen die Gewaltigen dieser Welt ist ja
unter den katholischen Prälaten, weil sie sich selbst für die Häupter des
ersten aller Stände halten, weit häufiger als in der protestantischen Geist-
lichkeit. Ludwig nahm die warnenden Worte, da er die edle Gesinnung
des Schreibers kannte, ganz unbefangen auf und betheuerte auf sein
Ehrenwort, daß er die letzte Liebesgunst von Lola nie verlangt hätte; eine
Abschrift dieser Antwort ließ er sogar allen bairischen Bischöfen zusenden.
Dadurch erschien freilich die Macht des dämonischen Weibes nur um so
räthselhafter, und Minister Canitz sagte, als ihm der bairische Gesandte
versicherte, diese Liebe sei platonisch, mit der Ruhe des erfahrenen Welt-
mannes: "das wäre vollends Narrheit!"

Auffällig früh, schon wenige Tage nach Lola's Ankunft, verbreitete
sich in München das unsinnige Gerücht, sie sei von den englischen Frei-
maurern abgesendet um die Jesuiten zu bekämpfen. Grundsätze, gute wie
schlechte, waren ihr völlig unbekannt; aber sie wollte herrschen, sie wollte
durch die Liebe des Königs auch politische Macht erlangen; und da sie
mit ihrer Weiberschlauheit alsbald erkannte, das Ministerium Abel sei
verloren, so mochte sie ihre Flagge nicht auf einem sinkenden Schiffe hissen.
Auch war es ihr, nach ihren Lebensgewohnheiten, sicherlich unbequem,
mit einer Priesterpartei zusammenzugehen, die doch einige Wahrung des
äußeren Anstands verlangen mußte. Ernste sittliche Bedenken hegten die
ultramontanen Minister gewiß nicht. So viele Jahre hindurch hatten sie
die mannichfachen galanten Abenteuer ihres liebebedürftigen Herrschers
mit großer Gelassenheit ertragen; im feindlichen Lager behauptete man
sogar -- freilich ohne sicheren Beweis -- daß sie vergeblich unter der Hand
versucht hätten, sich auch diesmal mit der neuen königlichen Geliebten zu
verständigen. Gleichviel; schon nach kurzer Zeit gebärdete sich Lola als
erklärte Feindin der Clericalen, sie wollte die neue Esther sein, die das
geknechtete Volk der Liberalen vom Druck erlöste, und schenkte sogar den
nationalen Bestrebungen des deutschen Liberalismus ihre Gunst. Als
Tiedemann und die anderen Abgesandten der schleswigholsteinischen Pa-
trioten in diesen Herbsttagen von König Ludwig empfangen wurden, da
bemerkten sie wohl, wie Lola's zierliche Füßchen unter dem Ofenschirm
hervorragten.*)


*) Nach Tiedemann's Erzählung.

Lola Montez.
iſt vergangen, und die Luft iſt wieder blau;“ ſo noch ein Stück: „L. M.
Wonnemeer die Seelen trinken, tönt zur Zither dein Geſang.“

Und ſeltſam, während eine Schaar junger Wüſtlinge die gefällige
Schöne begehrlich umſchwärmte, hielt ſich die Neigung des Königs immer
noch in gewiſſen Schranken. Sein alter Verehrer Fürſtbiſchof Diepen-
brock in Breslau hatte mit tiefem Schmerz von dem großen Münchener
Aergerniß gehört und wagte den geliebten Monarchen geiſtlich zu ermahnen;
der ſchöne prieſterliche Freimuth gegen die Gewaltigen dieſer Welt iſt ja
unter den katholiſchen Prälaten, weil ſie ſich ſelbſt für die Häupter des
erſten aller Stände halten, weit häufiger als in der proteſtantiſchen Geiſt-
lichkeit. Ludwig nahm die warnenden Worte, da er die edle Geſinnung
des Schreibers kannte, ganz unbefangen auf und betheuerte auf ſein
Ehrenwort, daß er die letzte Liebesgunſt von Lola nie verlangt hätte; eine
Abſchrift dieſer Antwort ließ er ſogar allen bairiſchen Biſchöfen zuſenden.
Dadurch erſchien freilich die Macht des dämoniſchen Weibes nur um ſo
räthſelhafter, und Miniſter Canitz ſagte, als ihm der bairiſche Geſandte
verſicherte, dieſe Liebe ſei platoniſch, mit der Ruhe des erfahrenen Welt-
mannes: „das wäre vollends Narrheit!“

Auffällig früh, ſchon wenige Tage nach Lola’s Ankunft, verbreitete
ſich in München das unſinnige Gerücht, ſie ſei von den engliſchen Frei-
maurern abgeſendet um die Jeſuiten zu bekämpfen. Grundſätze, gute wie
ſchlechte, waren ihr völlig unbekannt; aber ſie wollte herrſchen, ſie wollte
durch die Liebe des Königs auch politiſche Macht erlangen; und da ſie
mit ihrer Weiberſchlauheit alsbald erkannte, das Miniſterium Abel ſei
verloren, ſo mochte ſie ihre Flagge nicht auf einem ſinkenden Schiffe hiſſen.
Auch war es ihr, nach ihren Lebensgewohnheiten, ſicherlich unbequem,
mit einer Prieſterpartei zuſammenzugehen, die doch einige Wahrung des
äußeren Anſtands verlangen mußte. Ernſte ſittliche Bedenken hegten die
ultramontanen Miniſter gewiß nicht. So viele Jahre hindurch hatten ſie
die mannichfachen galanten Abenteuer ihres liebebedürftigen Herrſchers
mit großer Gelaſſenheit ertragen; im feindlichen Lager behauptete man
ſogar — freilich ohne ſicheren Beweis — daß ſie vergeblich unter der Hand
verſucht hätten, ſich auch diesmal mit der neuen königlichen Geliebten zu
verſtändigen. Gleichviel; ſchon nach kurzer Zeit gebärdete ſich Lola als
erklärte Feindin der Clericalen, ſie wollte die neue Eſther ſein, die das
geknechtete Volk der Liberalen vom Druck erlöſte, und ſchenkte ſogar den
nationalen Beſtrebungen des deutſchen Liberalismus ihre Gunſt. Als
Tiedemann und die anderen Abgeſandten der ſchleswigholſteiniſchen Pa-
trioten in dieſen Herbſttagen von König Ludwig empfangen wurden, da
bemerkten ſie wohl, wie Lola’s zierliche Füßchen unter dem Ofenſchirm
hervorragten.*)


*) Nach Tiedemann’s Erzählung.
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[651/0665] Lola Montez. iſt vergangen, und die Luft iſt wieder blau;“ ſo noch ein Stück: „L. M. Wonnemeer die Seelen trinken, tönt zur Zither dein Geſang.“ Und ſeltſam, während eine Schaar junger Wüſtlinge die gefällige Schöne begehrlich umſchwärmte, hielt ſich die Neigung des Königs immer noch in gewiſſen Schranken. Sein alter Verehrer Fürſtbiſchof Diepen- brock in Breslau hatte mit tiefem Schmerz von dem großen Münchener Aergerniß gehört und wagte den geliebten Monarchen geiſtlich zu ermahnen; der ſchöne prieſterliche Freimuth gegen die Gewaltigen dieſer Welt iſt ja unter den katholiſchen Prälaten, weil ſie ſich ſelbſt für die Häupter des erſten aller Stände halten, weit häufiger als in der proteſtantiſchen Geiſt- lichkeit. Ludwig nahm die warnenden Worte, da er die edle Geſinnung des Schreibers kannte, ganz unbefangen auf und betheuerte auf ſein Ehrenwort, daß er die letzte Liebesgunſt von Lola nie verlangt hätte; eine Abſchrift dieſer Antwort ließ er ſogar allen bairiſchen Biſchöfen zuſenden. Dadurch erſchien freilich die Macht des dämoniſchen Weibes nur um ſo räthſelhafter, und Miniſter Canitz ſagte, als ihm der bairiſche Geſandte verſicherte, dieſe Liebe ſei platoniſch, mit der Ruhe des erfahrenen Welt- mannes: „das wäre vollends Narrheit!“ Auffällig früh, ſchon wenige Tage nach Lola’s Ankunft, verbreitete ſich in München das unſinnige Gerücht, ſie ſei von den engliſchen Frei- maurern abgeſendet um die Jeſuiten zu bekämpfen. Grundſätze, gute wie ſchlechte, waren ihr völlig unbekannt; aber ſie wollte herrſchen, ſie wollte durch die Liebe des Königs auch politiſche Macht erlangen; und da ſie mit ihrer Weiberſchlauheit alsbald erkannte, das Miniſterium Abel ſei verloren, ſo mochte ſie ihre Flagge nicht auf einem ſinkenden Schiffe hiſſen. Auch war es ihr, nach ihren Lebensgewohnheiten, ſicherlich unbequem, mit einer Prieſterpartei zuſammenzugehen, die doch einige Wahrung des äußeren Anſtands verlangen mußte. Ernſte ſittliche Bedenken hegten die ultramontanen Miniſter gewiß nicht. So viele Jahre hindurch hatten ſie die mannichfachen galanten Abenteuer ihres liebebedürftigen Herrſchers mit großer Gelaſſenheit ertragen; im feindlichen Lager behauptete man ſogar — freilich ohne ſicheren Beweis — daß ſie vergeblich unter der Hand verſucht hätten, ſich auch diesmal mit der neuen königlichen Geliebten zu verſtändigen. Gleichviel; ſchon nach kurzer Zeit gebärdete ſich Lola als erklärte Feindin der Clericalen, ſie wollte die neue Eſther ſein, die das geknechtete Volk der Liberalen vom Druck erlöſte, und ſchenkte ſogar den nationalen Beſtrebungen des deutſchen Liberalismus ihre Gunſt. Als Tiedemann und die anderen Abgeſandten der ſchleswigholſteiniſchen Pa- trioten in dieſen Herbſttagen von König Ludwig empfangen wurden, da bemerkten ſie wohl, wie Lola’s zierliche Füßchen unter dem Ofenſchirm hervorragten. *) *) Nach Tiedemann’s Erzählung.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/665>, abgerufen am 22.11.2024.