die er sogleich veröffentlichen ließ.*) Nun reiste er nach Ischl zu seiner leidenden Gemahlin, darauf nach Triest und Venedig, dann zurück an den Rhein. Dort verlebte er wieder einen seligen Tag, als er im stillen Waldthale von Altenberg den wiederhergestellten herrlichen Bergischen Dom dem Gottesdienste übergab und damit einen alten Herzenswunsch der Nation, den einst Goethe, Schinkel, Arndt, Harkort und so viele andere ausgezeichnete Männer ausgesprochen hatten, hochherzig erfüllte.
Derweil der König also seinen Mißmuth zu vergessen suchte, em- pfanden seine näheren Freunde sehr schmerzlich das Mißlingen des reichs- ständischen Unternehmens. Niemand schmerzlicher als der treue Radowitz. Der war den Verhandlungen des Landtags mit Spannung gefolgt und hatte dann und wann aus der Ferne ein Heft "nicht gehaltener Reden" in die Debatten hineingeworfen. Noch vor dem Schlusse der Tagung sah er ein, dies "verstimmte und mißtrauische Geschlecht sei unfähig das Wort seines Königs zu verstehen", und er schrieb ehrlich (13. Juni): "Ich habe mein Leben in historischen Studien zugebracht aber keinen Regenten gefunden, der mit solcher Zusammensetzung des Herzens und Geistes, so unbefleckt von dem Unrathe der politischen Irrlehre, so ernst und so freudig in seinem mühsamen Berufe, einen mächtigen Thron bestiegen hätte. Ew. Königl. Majestät wären der Mann Ihres Volks und der deutschen Nation geworden ... dann war der Boden fest gegründet, auf welchem das Ge- bäude der rechten ständischen Monarchie errichtet werden konnte ... Es ist nicht geschehen. Sieben Jahre sind verflossen, die nicht wiederkehren. Im tiefsten Schmerze sorge ich, daß weil das Mögliche nicht versucht worden, jetzt das Unmögliche unternommen werde."**) Er ahnte den Zu- sammenbruch, und die Stimmung im Lande ward allerdings bedroh- lich. Der Landtag selbst ging ziemlich still auseinander. Die Oppo- sition versammelte sich noch einmal zu einem Bankett. Da wurden denn Adressen der liberalen Schwaben und der gesinnungstüchtigen Danziger verlesen, und die 138 Declaranten gefeiert, die der König zu seinen letzten Hoffesten nicht mehr eingeladen hatte; Fürst Lichnowsky verherrlichte mit gellender Stimme die Eintracht der vier Curien, Vincke trank auf das Wohl der Ostpreußen, die er für die Zukunft doch nicht missen konnte, obwohl sie ihn bei den Ausschußwahlen allesammt verlassen hatten. In der Heimath wurde nur einigen der Abgeordneten ein festlicher Empfang bereitet, weil das Volk sich über den gerühmten Rechtsboden dieses Land- tags kein sicheres Urtheil bilden konnte.
Indessen verriethen viele Anzeichen, wie der innere Unfrieden zunahm. In der Presse redeten die enttäuschten Juden täglich frecher. Auf die Dankadresse der brandenburgischen Ritterschaft folgte alsbald eine sehr
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, Pillnitz, 17. Juli 1847.
**) Radowitz an König Friedrich Wilhelm, 13. Juni 1847.
V. 8. Der Vereinigte Landtag.
die er ſogleich veröffentlichen ließ.*) Nun reiſte er nach Iſchl zu ſeiner leidenden Gemahlin, darauf nach Trieſt und Venedig, dann zurück an den Rhein. Dort verlebte er wieder einen ſeligen Tag, als er im ſtillen Waldthale von Altenberg den wiederhergeſtellten herrlichen Bergiſchen Dom dem Gottesdienſte übergab und damit einen alten Herzenswunſch der Nation, den einſt Goethe, Schinkel, Arndt, Harkort und ſo viele andere ausgezeichnete Männer ausgeſprochen hatten, hochherzig erfüllte.
Derweil der König alſo ſeinen Mißmuth zu vergeſſen ſuchte, em- pfanden ſeine näheren Freunde ſehr ſchmerzlich das Mißlingen des reichs- ſtändiſchen Unternehmens. Niemand ſchmerzlicher als der treue Radowitz. Der war den Verhandlungen des Landtags mit Spannung gefolgt und hatte dann und wann aus der Ferne ein Heft „nicht gehaltener Reden“ in die Debatten hineingeworfen. Noch vor dem Schluſſe der Tagung ſah er ein, dies „verſtimmte und mißtrauiſche Geſchlecht ſei unfähig das Wort ſeines Königs zu verſtehen“, und er ſchrieb ehrlich (13. Juni): „Ich habe mein Leben in hiſtoriſchen Studien zugebracht aber keinen Regenten gefunden, der mit ſolcher Zuſammenſetzung des Herzens und Geiſtes, ſo unbefleckt von dem Unrathe der politiſchen Irrlehre, ſo ernſt und ſo freudig in ſeinem mühſamen Berufe, einen mächtigen Thron beſtiegen hätte. Ew. Königl. Majeſtät wären der Mann Ihres Volks und der deutſchen Nation geworden … dann war der Boden feſt gegründet, auf welchem das Ge- bäude der rechten ſtändiſchen Monarchie errichtet werden konnte … Es iſt nicht geſchehen. Sieben Jahre ſind verfloſſen, die nicht wiederkehren. Im tiefſten Schmerze ſorge ich, daß weil das Mögliche nicht verſucht worden, jetzt das Unmögliche unternommen werde.“**) Er ahnte den Zu- ſammenbruch, und die Stimmung im Lande ward allerdings bedroh- lich. Der Landtag ſelbſt ging ziemlich ſtill auseinander. Die Oppo- ſition verſammelte ſich noch einmal zu einem Bankett. Da wurden denn Adreſſen der liberalen Schwaben und der geſinnungstüchtigen Danziger verleſen, und die 138 Declaranten gefeiert, die der König zu ſeinen letzten Hoffeſten nicht mehr eingeladen hatte; Fürſt Lichnowsky verherrlichte mit gellender Stimme die Eintracht der vier Curien, Vincke trank auf das Wohl der Oſtpreußen, die er für die Zukunft doch nicht miſſen konnte, obwohl ſie ihn bei den Ausſchußwahlen alleſammt verlaſſen hatten. In der Heimath wurde nur einigen der Abgeordneten ein feſtlicher Empfang bereitet, weil das Volk ſich über den gerühmten Rechtsboden dieſes Land- tags kein ſicheres Urtheil bilden konnte.
Indeſſen verriethen viele Anzeichen, wie der innere Unfrieden zunahm. In der Preſſe redeten die enttäuſchten Juden täglich frecher. Auf die Dankadreſſe der brandenburgiſchen Ritterſchaft folgte alsbald eine ſehr
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, Pillnitz, 17. Juli 1847.
**) Radowitz an König Friedrich Wilhelm, 13. Juni 1847.
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V. 8. Der Vereinigte Landtag.
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leidenden Gemahlin, darauf nach Trieſt und Venedig, dann zurück an
den Rhein. Dort verlebte er wieder einen ſeligen Tag, als er im ſtillen
Waldthale von Altenberg den wiederhergeſtellten herrlichen Bergiſchen
Dom dem Gottesdienſte übergab und damit einen alten Herzenswunſch
der Nation, den einſt Goethe, Schinkel, Arndt, Harkort und ſo viele andere
ausgezeichnete Männer ausgeſprochen hatten, hochherzig erfüllte.
Derweil der König alſo ſeinen Mißmuth zu vergeſſen ſuchte, em-
pfanden ſeine näheren Freunde ſehr ſchmerzlich das Mißlingen des reichs-
ſtändiſchen Unternehmens. Niemand ſchmerzlicher als der treue Radowitz.
Der war den Verhandlungen des Landtags mit Spannung gefolgt und
hatte dann und wann aus der Ferne ein Heft „nicht gehaltener Reden“
in die Debatten hineingeworfen. Noch vor dem Schluſſe der Tagung
ſah er ein, dies „verſtimmte und mißtrauiſche Geſchlecht ſei unfähig das
Wort ſeines Königs zu verſtehen“, und er ſchrieb ehrlich (13. Juni): „Ich
habe mein Leben in hiſtoriſchen Studien zugebracht aber keinen Regenten
gefunden, der mit ſolcher Zuſammenſetzung des Herzens und Geiſtes, ſo
unbefleckt von dem Unrathe der politiſchen Irrlehre, ſo ernſt und ſo freudig
in ſeinem mühſamen Berufe, einen mächtigen Thron beſtiegen hätte. Ew.
Königl. Majeſtät wären der Mann Ihres Volks und der deutſchen Nation
geworden … dann war der Boden feſt gegründet, auf welchem das Ge-
bäude der rechten ſtändiſchen Monarchie errichtet werden konnte … Es
iſt nicht geſchehen. Sieben Jahre ſind verfloſſen, die nicht wiederkehren.
Im tiefſten Schmerze ſorge ich, daß weil das Mögliche nicht verſucht
worden, jetzt das Unmögliche unternommen werde.“ **) Er ahnte den Zu-
ſammenbruch, und die Stimmung im Lande ward allerdings bedroh-
lich. Der Landtag ſelbſt ging ziemlich ſtill auseinander. Die Oppo-
ſition verſammelte ſich noch einmal zu einem Bankett. Da wurden denn
Adreſſen der liberalen Schwaben und der geſinnungstüchtigen Danziger
verleſen, und die 138 Declaranten gefeiert, die der König zu ſeinen letzten
Hoffeſten nicht mehr eingeladen hatte; Fürſt Lichnowsky verherrlichte mit
gellender Stimme die Eintracht der vier Curien, Vincke trank auf das
Wohl der Oſtpreußen, die er für die Zukunft doch nicht miſſen konnte,
obwohl ſie ihn bei den Ausſchußwahlen alleſammt verlaſſen hatten. In
der Heimath wurde nur einigen der Abgeordneten ein feſtlicher Empfang
bereitet, weil das Volk ſich über den gerühmten Rechtsboden dieſes Land-
tags kein ſicheres Urtheil bilden konnte.
Indeſſen verriethen viele Anzeichen, wie der innere Unfrieden zunahm.
In der Preſſe redeten die enttäuſchten Juden täglich frecher. Auf die
Dankadreſſe der brandenburgiſchen Ritterſchaft folgte alsbald eine ſehr
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, Pillnitz, 17. Juli 1847.
**) Radowitz an König Friedrich Wilhelm, 13. Juni 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/658>, abgerufen am 22.11.2024.
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