Herrn vertheidigte. Bei den Straßenaufläufen dieser Apriltage warf ihm der Pöbel die Fenster ein; es war ein Schatten kommender Ereignisse, die liberalen Zeitungen entschuldigten die Heldenthat mit der fragwürdigen Versicherung, der Anblick der Spiegelscheiben des bescheidenen prinzlichen Palastes hätte die armen Hungerleider gar zu schmerzlich an ihr eigenes Elend erinnert.
Um die Parteien zu versöhnen beantragte endlich Alfred v. Auers- wald eine neue, etwas schärfere Fassung des Arnim'schen Adreßentwurfs. Der treue Mann, der dem Monarchen in jungen Jahren so nahe gestanden hatte, wollte einen Bruch mit der Krone durchaus vermeiden, jedoch auch seine Rechtsüberzeugung nicht aufgeben. In der also umgestalteten Adresse erklärten die Stände nach warmen Dankesworten: sie würden die Ehre und Kraft der Krone, aber auch die ständischen Rechte "beide als un- schätzbare Kleinode bewahren und pflegen"; demnach behielten sie sich vor, die Abweichungen des Patents von den früheren Gesetzen noch näher zu erörtern, und baten den Monarchen solche Widersprüche demnächst aus- zugleichen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen; er gab den Verhandlungen des Landtags von vornherein ihr Gepräge: den Charakter einer ehrfurchtsvollen und besonnenen, aber festen und ent- schlossenen Oppositionspolitik. In gnädigem Tone ließ der König (22. April) antworten: "Die Gesetzgebung vom 3. Febr. ist in ihren Grundlagen un- antastbar, wir betrachten sie aber deßhalb nicht als abgeschlossen, vielmehr als bildungsfähig." Darum gab er den Ständen anheim weitere Anträge zu stellen und verhieß sogar von freien Stücken, den Vereinigten Land- tag spätestens in vier Jahren wieder zu versammeln. Also wich er schon selbst einen Schritt zurück, was ihm schwer genug fallen mußte, da er doch soeben erst seine Stände vor ungenügsamer Neulingshast gewarnt hatte. Zu dem Versprechen periodischer Einberufung konnte er sich gleich- wohl nicht entschließen, und doch fühlten jetzt schon alle Unbefangenen, auch die auswärtigen Diplomaten, daß diese Zusage allein den unseligen Streit abzuschneiden vermochte. Sogar der hannoversche Gesandte Graf Knyphausen wagte in solchem Sinne zu berichten, was der alte Welfe frei- lich durch die Randbemerkung rügte: "Gelesen, bin aber gar nicht ver- ständen mit die angeführten Wegen."*)
Die Rechtsfrage blieb also noch immer ungelöst, und Vincke hielt in seinem ungestümen Rechtstrotze nunmehr für geboten, daß der Landtag dem Könige eine feierliche "Erklärung der Rechte" übergäbe. Offenbar schwebte ihm das Beispiel der Bill of rigths vor Augen; Dahlmann's Geschichte der englischen Revolution war ja zur Zeit in Jedermanns Händen. Aber wie wenig hatten die Zustände Preußens mit der englischen Geschichte gemein. Die englische Erklärung der Rechte wurde einem fremden Usurpator auf-
*) Knyphausen's Bericht, 19. April 1847.
Die Adreſſe. Erklärung der Rechte.
Herrn vertheidigte. Bei den Straßenaufläufen dieſer Apriltage warf ihm der Pöbel die Fenſter ein; es war ein Schatten kommender Ereigniſſe, die liberalen Zeitungen entſchuldigten die Heldenthat mit der fragwürdigen Verſicherung, der Anblick der Spiegelſcheiben des beſcheidenen prinzlichen Palaſtes hätte die armen Hungerleider gar zu ſchmerzlich an ihr eigenes Elend erinnert.
Um die Parteien zu verſöhnen beantragte endlich Alfred v. Auers- wald eine neue, etwas ſchärfere Faſſung des Arnim’ſchen Adreßentwurfs. Der treue Mann, der dem Monarchen in jungen Jahren ſo nahe geſtanden hatte, wollte einen Bruch mit der Krone durchaus vermeiden, jedoch auch ſeine Rechtsüberzeugung nicht aufgeben. In der alſo umgeſtalteten Adreſſe erklärten die Stände nach warmen Dankesworten: ſie würden die Ehre und Kraft der Krone, aber auch die ſtändiſchen Rechte „beide als un- ſchätzbare Kleinode bewahren und pflegen“; demnach behielten ſie ſich vor, die Abweichungen des Patents von den früheren Geſetzen noch näher zu erörtern, und baten den Monarchen ſolche Widerſprüche demnächſt aus- zugleichen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen; er gab den Verhandlungen des Landtags von vornherein ihr Gepräge: den Charakter einer ehrfurchtsvollen und beſonnenen, aber feſten und ent- ſchloſſenen Oppoſitionspolitik. In gnädigem Tone ließ der König (22. April) antworten: „Die Geſetzgebung vom 3. Febr. iſt in ihren Grundlagen un- antaſtbar, wir betrachten ſie aber deßhalb nicht als abgeſchloſſen, vielmehr als bildungsfähig.“ Darum gab er den Ständen anheim weitere Anträge zu ſtellen und verhieß ſogar von freien Stücken, den Vereinigten Land- tag ſpäteſtens in vier Jahren wieder zu verſammeln. Alſo wich er ſchon ſelbſt einen Schritt zurück, was ihm ſchwer genug fallen mußte, da er doch ſoeben erſt ſeine Stände vor ungenügſamer Neulingshaſt gewarnt hatte. Zu dem Verſprechen periodiſcher Einberufung konnte er ſich gleich- wohl nicht entſchließen, und doch fühlten jetzt ſchon alle Unbefangenen, auch die auswärtigen Diplomaten, daß dieſe Zuſage allein den unſeligen Streit abzuſchneiden vermochte. Sogar der hannoverſche Geſandte Graf Knyphauſen wagte in ſolchem Sinne zu berichten, was der alte Welfe frei- lich durch die Randbemerkung rügte: „Geleſen, bin aber gar nicht ver- ſtänden mit die angeführten Wegen.“*)
Die Rechtsfrage blieb alſo noch immer ungelöſt, und Vincke hielt in ſeinem ungeſtümen Rechtstrotze nunmehr für geboten, daß der Landtag dem Könige eine feierliche „Erklärung der Rechte“ übergäbe. Offenbar ſchwebte ihm das Beiſpiel der Bill of rigths vor Augen; Dahlmann’s Geſchichte der engliſchen Revolution war ja zur Zeit in Jedermanns Händen. Aber wie wenig hatten die Zuſtände Preußens mit der engliſchen Geſchichte gemein. Die engliſche Erklärung der Rechte wurde einem fremden Uſurpator auf-
*) Knyphauſen’s Bericht, 19. April 1847.
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Die Adreſſe. Erklärung der Rechte.
Herrn vertheidigte. Bei den Straßenaufläufen dieſer Apriltage warf ihm
der Pöbel die Fenſter ein; es war ein Schatten kommender Ereigniſſe, die
liberalen Zeitungen entſchuldigten die Heldenthat mit der fragwürdigen
Verſicherung, der Anblick der Spiegelſcheiben des beſcheidenen prinzlichen
Palaſtes hätte die armen Hungerleider gar zu ſchmerzlich an ihr eigenes
Elend erinnert.
Um die Parteien zu verſöhnen beantragte endlich Alfred v. Auers-
wald eine neue, etwas ſchärfere Faſſung des Arnim’ſchen Adreßentwurfs.
Der treue Mann, der dem Monarchen in jungen Jahren ſo nahe geſtanden
hatte, wollte einen Bruch mit der Krone durchaus vermeiden, jedoch auch
ſeine Rechtsüberzeugung nicht aufgeben. In der alſo umgeſtalteten Adreſſe
erklärten die Stände nach warmen Dankesworten: ſie würden die Ehre
und Kraft der Krone, aber auch die ſtändiſchen Rechte „beide als un-
ſchätzbare Kleinode bewahren und pflegen“; demnach behielten ſie ſich vor,
die Abweichungen des Patents von den früheren Geſetzen noch näher zu
erörtern, und baten den Monarchen ſolche Widerſprüche demnächſt aus-
zugleichen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen; er
gab den Verhandlungen des Landtags von vornherein ihr Gepräge: den
Charakter einer ehrfurchtsvollen und beſonnenen, aber feſten und ent-
ſchloſſenen Oppoſitionspolitik. In gnädigem Tone ließ der König (22. April)
antworten: „Die Geſetzgebung vom 3. Febr. iſt in ihren Grundlagen un-
antaſtbar, wir betrachten ſie aber deßhalb nicht als abgeſchloſſen, vielmehr
als bildungsfähig.“ Darum gab er den Ständen anheim weitere Anträge
zu ſtellen und verhieß ſogar von freien Stücken, den Vereinigten Land-
tag ſpäteſtens in vier Jahren wieder zu verſammeln. Alſo wich er ſchon
ſelbſt einen Schritt zurück, was ihm ſchwer genug fallen mußte, da er
doch ſoeben erſt ſeine Stände vor ungenügſamer Neulingshaſt gewarnt
hatte. Zu dem Verſprechen periodiſcher Einberufung konnte er ſich gleich-
wohl nicht entſchließen, und doch fühlten jetzt ſchon alle Unbefangenen,
auch die auswärtigen Diplomaten, daß dieſe Zuſage allein den unſeligen
Streit abzuſchneiden vermochte. Sogar der hannoverſche Geſandte Graf
Knyphauſen wagte in ſolchem Sinne zu berichten, was der alte Welfe frei-
lich durch die Randbemerkung rügte: „Geleſen, bin aber gar nicht ver-
ſtänden mit die angeführten Wegen.“ *)
Die Rechtsfrage blieb alſo noch immer ungelöſt, und Vincke hielt in
ſeinem ungeſtümen Rechtstrotze nunmehr für geboten, daß der Landtag dem
Könige eine feierliche „Erklärung der Rechte“ übergäbe. Offenbar ſchwebte
ihm das Beiſpiel der Bill of rigths vor Augen; Dahlmann’s Geſchichte der
engliſchen Revolution war ja zur Zeit in Jedermanns Händen. Aber wie
wenig hatten die Zuſtände Preußens mit der engliſchen Geſchichte gemein.
Die engliſche Erklärung der Rechte wurde einem fremden Uſurpator auf-
*) Knyphauſen’s Bericht, 19. April 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/637>, abgerufen am 23.11.2024.
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