ihrer Heißsporne schossen über das Ziel hinaus, indem sie gar noch be- haupteten, auch in Lauenburg erbe der Mannesstamm. Davon konnte im Ernst nicht die Rede sein, denn Lauenburg war als Entschädigung für Norwegen an Dänemark gekommen und stand mithin unzweifelhaft unter dem Thronfolgerechte der dänischen Krone. Die Lauenburger wußten dies selbst; sie waren in ihrem altständischen Stillleben niemals durch dänische Willkür gestört worden und ließen sich von den deutschen Nachbarn willig der Schwäche zeihen, weil sie sich an einem Kampfe, der ihr Landesrecht nicht berührte, nur wenig betheiligten.
Der Zorn der Schleswigholsteiner entsprang dem gekränkten Rechts- sinne, er ward gestärkt und geadelt durch eine schöne vaterländische Empfin- dung, durch das stolze Gefühl, daß dies alte Landesrecht zugleich die Sache Deutschlands war. Dynastische Nebengedanken blieben der Volksbewegung fremd. Nichts konnte falscher sein, als die in der Kopenhagener Presse übliche Beschuldigung, das Haus Augustenburg hätte die Unruhen in den Herzogthümern angezettelt. Im Jahre 1786 hatte der jüngere Bernstorff, da die Zukunft des königlichen Hauses gefährdet schien, die Heirath zwi- schen Herzog Friedrich Christian von Augustenburg, dem Gönner Schiller's, und einer Tochter Christian's VII. zu Stande gebracht; der kluge Staats- mann hoffte dadurch die beiden Linien zu vereinigen und also jeden Erb- folgestreit abzuschneiden. Die Besorgnisse, welche man damals hegte, ver- schwanden wieder, als bald nachher ein Thronfolger, der spätere König Christian VIII. geboren wurde. Doch seitdem galten die Augustenburger am Kopenhagener Hofe als heimliche Prätendenten und hatten unter der Feindseligkeit der Krone viel zu leiden. Sie wachten auch sehr mißtrauisch über ihren Rechten, sie verwahrten sich als Holstein aus dem Verbande des heiligen Reichs ausschied -- ein Schritt dynastischer Vorsicht, der späterhin über Gebühr gepriesen wurde;*) sie dachten sogar ernstlich daran, ihre Erbansprüche auf Oldenburg geltend zu machen, als Napoleon das Fürstenhaus dort entthront hatte.**) Aus jener dänischen Ehe stammten der gegenwärtige Herzog Christian August und sein Bruder Prinz Friedrich v. Noer. Söhne einer Dänin, Enkel einer Engländerin hatten sie Beide einen Theil ihrer Jugend im Auslande verlebt und sich jene vaterlands- lose Gesinnung, welche so viele Mitglieder der großen europäischen Für- stengemeinschaft bethört, von Grund aus angeeignet. Deutschland blieb ihnen immer gleichgiltig, und den liberalen Zug der Zeit betrachteten sie mit Abscheu. Das Recht ihres Hauses war ihnen Eines und Alles. Darum blieben sie den dänischen Verwandten stets verdächtig, obgleich Christian VIII. aus aufrichtiger Neigung ihre Schwester geheirathet hatte und die gütige Königin Christine Amalie zwischen den Schwägern immer zu vermitteln
*) S. Beilage 33.
**) Herzog Friedrich Christian v. Augustenburg an den Historiker D. H. Hegewisch, 24. Dec. 1811.
Widerſtand der Herzogthümer. Die Auguſtenburger.
ihrer Heißſporne ſchoſſen über das Ziel hinaus, indem ſie gar noch be- haupteten, auch in Lauenburg erbe der Mannesſtamm. Davon konnte im Ernſt nicht die Rede ſein, denn Lauenburg war als Entſchädigung für Norwegen an Dänemark gekommen und ſtand mithin unzweifelhaft unter dem Thronfolgerechte der däniſchen Krone. Die Lauenburger wußten dies ſelbſt; ſie waren in ihrem altſtändiſchen Stillleben niemals durch däniſche Willkür geſtört worden und ließen ſich von den deutſchen Nachbarn willig der Schwäche zeihen, weil ſie ſich an einem Kampfe, der ihr Landesrecht nicht berührte, nur wenig betheiligten.
Der Zorn der Schleswigholſteiner entſprang dem gekränkten Rechts- ſinne, er ward geſtärkt und geadelt durch eine ſchöne vaterländiſche Empfin- dung, durch das ſtolze Gefühl, daß dies alte Landesrecht zugleich die Sache Deutſchlands war. Dynaſtiſche Nebengedanken blieben der Volksbewegung fremd. Nichts konnte falſcher ſein, als die in der Kopenhagener Preſſe übliche Beſchuldigung, das Haus Auguſtenburg hätte die Unruhen in den Herzogthümern angezettelt. Im Jahre 1786 hatte der jüngere Bernſtorff, da die Zukunft des königlichen Hauſes gefährdet ſchien, die Heirath zwi- ſchen Herzog Friedrich Chriſtian von Auguſtenburg, dem Gönner Schiller’s, und einer Tochter Chriſtian’s VII. zu Stande gebracht; der kluge Staats- mann hoffte dadurch die beiden Linien zu vereinigen und alſo jeden Erb- folgeſtreit abzuſchneiden. Die Beſorgniſſe, welche man damals hegte, ver- ſchwanden wieder, als bald nachher ein Thronfolger, der ſpätere König Chriſtian VIII. geboren wurde. Doch ſeitdem galten die Auguſtenburger am Kopenhagener Hofe als heimliche Prätendenten und hatten unter der Feindſeligkeit der Krone viel zu leiden. Sie wachten auch ſehr mißtrauiſch über ihren Rechten, ſie verwahrten ſich als Holſtein aus dem Verbande des heiligen Reichs ausſchied — ein Schritt dynaſtiſcher Vorſicht, der ſpäterhin über Gebühr geprieſen wurde;*) ſie dachten ſogar ernſtlich daran, ihre Erbanſprüche auf Oldenburg geltend zu machen, als Napoleon das Fürſtenhaus dort entthront hatte.**) Aus jener däniſchen Ehe ſtammten der gegenwärtige Herzog Chriſtian Auguſt und ſein Bruder Prinz Friedrich v. Noer. Söhne einer Dänin, Enkel einer Engländerin hatten ſie Beide einen Theil ihrer Jugend im Auslande verlebt und ſich jene vaterlands- loſe Geſinnung, welche ſo viele Mitglieder der großen europäiſchen Für- ſtengemeinſchaft bethört, von Grund aus angeeignet. Deutſchland blieb ihnen immer gleichgiltig, und den liberalen Zug der Zeit betrachteten ſie mit Abſcheu. Das Recht ihres Hauſes war ihnen Eines und Alles. Darum blieben ſie den däniſchen Verwandten ſtets verdächtig, obgleich Chriſtian VIII. aus aufrichtiger Neigung ihre Schweſter geheirathet hatte und die gütige Königin Chriſtine Amalie zwiſchen den Schwägern immer zu vermitteln
*) S. Beilage 33.
**) Herzog Friedrich Chriſtian v. Auguſtenburg an den Hiſtoriker D. H. Hegewiſch, 24. Dec. 1811.
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haupteten, auch in Lauenburg erbe der Mannesſtamm. Davon konnte
im Ernſt nicht die Rede ſein, denn Lauenburg war als Entſchädigung für
Norwegen an Dänemark gekommen und ſtand mithin unzweifelhaft unter
dem Thronfolgerechte der däniſchen Krone. Die Lauenburger wußten dies
ſelbſt; ſie waren in ihrem altſtändiſchen Stillleben niemals durch däniſche
Willkür geſtört worden und ließen ſich von den deutſchen Nachbarn willig
der Schwäche zeihen, weil ſie ſich an einem Kampfe, der ihr Landesrecht
nicht berührte, nur wenig betheiligten.
Der Zorn der Schleswigholſteiner entſprang dem gekränkten Rechts-
ſinne, er ward geſtärkt und geadelt durch eine ſchöne vaterländiſche Empfin-
dung, durch das ſtolze Gefühl, daß dies alte Landesrecht zugleich die Sache
Deutſchlands war. Dynaſtiſche Nebengedanken blieben der Volksbewegung
fremd. Nichts konnte falſcher ſein, als die in der Kopenhagener Preſſe
übliche Beſchuldigung, das Haus Auguſtenburg hätte die Unruhen in den
Herzogthümern angezettelt. Im Jahre 1786 hatte der jüngere Bernſtorff,
da die Zukunft des königlichen Hauſes gefährdet ſchien, die Heirath zwi-
ſchen Herzog Friedrich Chriſtian von Auguſtenburg, dem Gönner Schiller’s,
und einer Tochter Chriſtian’s VII. zu Stande gebracht; der kluge Staats-
mann hoffte dadurch die beiden Linien zu vereinigen und alſo jeden Erb-
folgeſtreit abzuſchneiden. Die Beſorgniſſe, welche man damals hegte, ver-
ſchwanden wieder, als bald nachher ein Thronfolger, der ſpätere König
Chriſtian VIII. geboren wurde. Doch ſeitdem galten die Auguſtenburger
am Kopenhagener Hofe als heimliche Prätendenten und hatten unter der
Feindſeligkeit der Krone viel zu leiden. Sie wachten auch ſehr mißtrauiſch
über ihren Rechten, ſie verwahrten ſich als Holſtein aus dem Verbande
des heiligen Reichs ausſchied — ein Schritt dynaſtiſcher Vorſicht, der
ſpäterhin über Gebühr geprieſen wurde; *) ſie dachten ſogar ernſtlich daran,
ihre Erbanſprüche auf Oldenburg geltend zu machen, als Napoleon das
Fürſtenhaus dort entthront hatte. **) Aus jener däniſchen Ehe ſtammten
der gegenwärtige Herzog Chriſtian Auguſt und ſein Bruder Prinz Friedrich
v. Noer. Söhne einer Dänin, Enkel einer Engländerin hatten ſie Beide
einen Theil ihrer Jugend im Auslande verlebt und ſich jene vaterlands-
loſe Geſinnung, welche ſo viele Mitglieder der großen europäiſchen Für-
ſtengemeinſchaft bethört, von Grund aus angeeignet. Deutſchland blieb
ihnen immer gleichgiltig, und den liberalen Zug der Zeit betrachteten ſie
mit Abſcheu. Das Recht ihres Hauſes war ihnen Eines und Alles. Darum
blieben ſie den däniſchen Verwandten ſtets verdächtig, obgleich Chriſtian VIII.
aus aufrichtiger Neigung ihre Schweſter geheirathet hatte und die gütige
Königin Chriſtine Amalie zwiſchen den Schwägern immer zu vermitteln
*) S. Beilage 33.
**) Herzog Friedrich Chriſtian v. Auguſtenburg an den Hiſtoriker D. H. Hegewiſch,
24. Dec. 1811.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/587>, abgerufen am 22.11.2024.
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