Hier aber zeigte sich wieder, wie stark die leitenden Männer und ihre persön- lichen Empfindungen in das Schicksal der Völker eingreifen. Christian hegte gegen den Herzog von Augustenburg einen tiefen, menschlich wohl entschuldbaren Haß und liebte ebenso herzlich seine ehrgeizige, ränke- süchtige Schwester, die abgesagte Feindin Schleswigholsteins, Landgräfin Charlotte. Ihr zu Liebe beschloß er, den Gesammtstaat unter dem Hause Hessen aufrecht zu halten. Was galt ihm das Recht? er traute sich's zu, das unmögliche Ziel auf krummen Wegen zu erreichen. Um den hessischen Verwandten einen mächtigen Schutz zu sichern bewirkte er, daß Landgraf Friedrich eine Tochter des Czaren, Großfürstin Alexandrine heirathete. Der feine Plan wurde freilich durch das Schicksal vereitelt. Die Groß- fürstin starb nach kurzer Ehe, gleich nach dem Tode ihres einzigen Kindes und der Landgraf ließ alsbald die Versteigerung ihres Nachlasses an- kündigen; Nikolaus aber konnte den öffentlichen Skandal nur durch geheime Abkaufung verhindern, er vergaß dem Hessen dies Probestück unfürstlichen Geizes niemals und zeigte seitdem nur wenig Theilnahme für die Ansprüche des kinderlosen Schwiegersohnes.
In der inneren Politik verfuhr der neue König zunächst sehr behut- sam: er wollte es mit keiner Partei ganz verderben und doch immer die Entscheidung in der eigenen Hand behalten. Die Bitten um Preßfreiheit und Erweiterung der ständischen Rechte, die ihm gleich nach der Thron- besteigung aus dem Königreiche wie aus den Herzogthümern zukamen, wies er gnädig zurück. Die alten Privilegien Schleswigholsteins wurden jedoch ausdrücklich bestätigt, und zum allgemeinen Erstaunen erhielt sogar der Bruder des Herzogs von Augustenburg, Prinz Friedrich v. Noer den Ehren- posten des Statthalters der Herzogthümer, der gut deutsch gesinnte Graf Joseph Reventlow-Criminil den Vorsitz in der schleswigholsteinischen Kanz- lei. Aber gleichzeitig bewiesen andere, wichtigere Maßregeln, daß Christian seine deutschen Lande Schritt für Schritt danisiren wollte. Die alten Regimenter wurden in Bataillone aufgelöst, die historischen Fahnen mit den herzoglichen Wappen überall durch den Danebrog verdrängt, ein Theil der schleswigholsteinischen Truppen nach Jütland und den Inseln verlegt. Die Offiziere sollten fortan nicht mehr in ihrem Regimente, sondern in der ganzen Armee aufrücken, und da die Deutschen ohnehin das Kopen- hagener Cadettenhaus nur selten besuchen wollten, so bestand binnen Kurzem die große Mehrheit des Offiziercorps aus Dänen, wie auch die Marine durchweg dänische Offiziere besaß. Statt der dringend erbetenen Landes- bank erhielten die Herzogthümer nur eine Filiale der dänischen Reichs- bank in Flensburg; mehr wagte man nicht. Zugleich wurde das dänische Reichsbankgeld eingeführt, der König scheute sich jedoch, einen zwingenden Befehl auszusprechen; darum hielten die Schleswigholsteiner hartnäckig an ihren lübischen Schillingen fest und sendeten die dänischen Kupfermünzen in solchen Massen nach dem Teutoburger Walde, daß Bandel seinem Her-
Die däniſche Erbfolge.
Hier aber zeigte ſich wieder, wie ſtark die leitenden Männer und ihre perſön- lichen Empfindungen in das Schickſal der Völker eingreifen. Chriſtian hegte gegen den Herzog von Auguſtenburg einen tiefen, menſchlich wohl entſchuldbaren Haß und liebte ebenſo herzlich ſeine ehrgeizige, ränke- ſüchtige Schweſter, die abgeſagte Feindin Schleswigholſteins, Landgräfin Charlotte. Ihr zu Liebe beſchloß er, den Geſammtſtaat unter dem Hauſe Heſſen aufrecht zu halten. Was galt ihm das Recht? er traute ſich’s zu, das unmögliche Ziel auf krummen Wegen zu erreichen. Um den heſſiſchen Verwandten einen mächtigen Schutz zu ſichern bewirkte er, daß Landgraf Friedrich eine Tochter des Czaren, Großfürſtin Alexandrine heirathete. Der feine Plan wurde freilich durch das Schickſal vereitelt. Die Groß- fürſtin ſtarb nach kurzer Ehe, gleich nach dem Tode ihres einzigen Kindes und der Landgraf ließ alsbald die Verſteigerung ihres Nachlaſſes an- kündigen; Nikolaus aber konnte den öffentlichen Skandal nur durch geheime Abkaufung verhindern, er vergaß dem Heſſen dies Probeſtück unfürſtlichen Geizes niemals und zeigte ſeitdem nur wenig Theilnahme für die Anſprüche des kinderloſen Schwiegerſohnes.
In der inneren Politik verfuhr der neue König zunächſt ſehr behut- ſam: er wollte es mit keiner Partei ganz verderben und doch immer die Entſcheidung in der eigenen Hand behalten. Die Bitten um Preßfreiheit und Erweiterung der ſtändiſchen Rechte, die ihm gleich nach der Thron- beſteigung aus dem Königreiche wie aus den Herzogthümern zukamen, wies er gnädig zurück. Die alten Privilegien Schleswigholſteins wurden jedoch ausdrücklich beſtätigt, und zum allgemeinen Erſtaunen erhielt ſogar der Bruder des Herzogs von Auguſtenburg, Prinz Friedrich v. Noer den Ehren- poſten des Statthalters der Herzogthümer, der gut deutſch geſinnte Graf Joſeph Reventlow-Criminil den Vorſitz in der ſchleswigholſteiniſchen Kanz- lei. Aber gleichzeitig bewieſen andere, wichtigere Maßregeln, daß Chriſtian ſeine deutſchen Lande Schritt für Schritt daniſiren wollte. Die alten Regimenter wurden in Bataillone aufgelöſt, die hiſtoriſchen Fahnen mit den herzoglichen Wappen überall durch den Danebrog verdrängt, ein Theil der ſchleswigholſteiniſchen Truppen nach Jütland und den Inſeln verlegt. Die Offiziere ſollten fortan nicht mehr in ihrem Regimente, ſondern in der ganzen Armee aufrücken, und da die Deutſchen ohnehin das Kopen- hagener Cadettenhaus nur ſelten beſuchen wollten, ſo beſtand binnen Kurzem die große Mehrheit des Offiziercorps aus Dänen, wie auch die Marine durchweg däniſche Offiziere beſaß. Statt der dringend erbetenen Landes- bank erhielten die Herzogthümer nur eine Filiale der däniſchen Reichs- bank in Flensburg; mehr wagte man nicht. Zugleich wurde das däniſche Reichsbankgeld eingeführt, der König ſcheute ſich jedoch, einen zwingenden Befehl auszuſprechen; darum hielten die Schleswigholſteiner hartnäckig an ihren lübiſchen Schillingen feſt und ſendeten die däniſchen Kupfermünzen in ſolchen Maſſen nach dem Teutoburger Walde, daß Bandel ſeinem Her-
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Die däniſche Erbfolge.
Hier aber zeigte ſich wieder, wie ſtark die leitenden Männer und ihre perſön-
lichen Empfindungen in das Schickſal der Völker eingreifen. Chriſtian
hegte gegen den Herzog von Auguſtenburg einen tiefen, menſchlich wohl
entſchuldbaren Haß und liebte ebenſo herzlich ſeine ehrgeizige, ränke-
ſüchtige Schweſter, die abgeſagte Feindin Schleswigholſteins, Landgräfin
Charlotte. Ihr zu Liebe beſchloß er, den Geſammtſtaat unter dem Hauſe
Heſſen aufrecht zu halten. Was galt ihm das Recht? er traute ſich’s zu,
das unmögliche Ziel auf krummen Wegen zu erreichen. Um den heſſiſchen
Verwandten einen mächtigen Schutz zu ſichern bewirkte er, daß Landgraf
Friedrich eine Tochter des Czaren, Großfürſtin Alexandrine heirathete.
Der feine Plan wurde freilich durch das Schickſal vereitelt. Die Groß-
fürſtin ſtarb nach kurzer Ehe, gleich nach dem Tode ihres einzigen Kindes
und der Landgraf ließ alsbald die Verſteigerung ihres Nachlaſſes an-
kündigen; Nikolaus aber konnte den öffentlichen Skandal nur durch geheime
Abkaufung verhindern, er vergaß dem Heſſen dies Probeſtück unfürſtlichen
Geizes niemals und zeigte ſeitdem nur wenig Theilnahme für die Anſprüche
des kinderloſen Schwiegerſohnes.
In der inneren Politik verfuhr der neue König zunächſt ſehr behut-
ſam: er wollte es mit keiner Partei ganz verderben und doch immer die
Entſcheidung in der eigenen Hand behalten. Die Bitten um Preßfreiheit
und Erweiterung der ſtändiſchen Rechte, die ihm gleich nach der Thron-
beſteigung aus dem Königreiche wie aus den Herzogthümern zukamen, wies
er gnädig zurück. Die alten Privilegien Schleswigholſteins wurden jedoch
ausdrücklich beſtätigt, und zum allgemeinen Erſtaunen erhielt ſogar der
Bruder des Herzogs von Auguſtenburg, Prinz Friedrich v. Noer den Ehren-
poſten des Statthalters der Herzogthümer, der gut deutſch geſinnte Graf
Joſeph Reventlow-Criminil den Vorſitz in der ſchleswigholſteiniſchen Kanz-
lei. Aber gleichzeitig bewieſen andere, wichtigere Maßregeln, daß Chriſtian
ſeine deutſchen Lande Schritt für Schritt daniſiren wollte. Die alten
Regimenter wurden in Bataillone aufgelöſt, die hiſtoriſchen Fahnen mit
den herzoglichen Wappen überall durch den Danebrog verdrängt, ein Theil
der ſchleswigholſteiniſchen Truppen nach Jütland und den Inſeln verlegt.
Die Offiziere ſollten fortan nicht mehr in ihrem Regimente, ſondern in
der ganzen Armee aufrücken, und da die Deutſchen ohnehin das Kopen-
hagener Cadettenhaus nur ſelten beſuchen wollten, ſo beſtand binnen Kurzem
die große Mehrheit des Offiziercorps aus Dänen, wie auch die Marine
durchweg däniſche Offiziere beſaß. Statt der dringend erbetenen Landes-
bank erhielten die Herzogthümer nur eine Filiale der däniſchen Reichs-
bank in Flensburg; mehr wagte man nicht. Zugleich wurde das däniſche
Reichsbankgeld eingeführt, der König ſcheute ſich jedoch, einen zwingenden
Befehl auszuſprechen; darum hielten die Schleswigholſteiner hartnäckig an
ihren lübiſchen Schillingen feſt und ſendeten die däniſchen Kupfermünzen
in ſolchen Maſſen nach dem Teutoburger Walde, daß Bandel ſeinem Her-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/581>, abgerufen am 25.11.2024.
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